VwGH vom 08.09.2010, 2008/16/0170
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Steiner und Hofrat Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der E GmbH in W, vertreten durch die Houf Wirtschaftsprüfer + Steuerberater GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien vom , GZ. RV/1133-W/05, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit der Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin wurde auf Grund einer Spaltung am in das Firmenbuch des HG W eingetragen.
Mit Telefaxnachricht vom wurden die für die Grunderwerbsteuer maßgeblichen Umstände im Zusammenhang mit der Mitteilung der Selbstberechnung durch den Notar Dr. M beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im folgenden kurz: Finanzamt) eingereicht, wobei sich der genannte Notar weder als Bevollmächtigter der Beschwerdeführerin bezeichnete noch sich auf eine ihm dazu erteilte Vollmacht berief.
Datiert mit richtete das Finanzamt an die Beschwerdeführerin einen Grunderwerbsteuerbescheid, womit gemäß § 7 Z. 3 GrEStG ausgehend von einer Gegenleistung von EUR 309.500,04 Grunderwerbsteuer in der Höhe von 3,5 % (= EUR 10.832,50) mit der Begründung angefordert wurde, die steuerliche Begünstigung (nämlich die Berechnung vom zweifachen Einheitswert) sei hier nicht anwendbar.
Ein Zustellnachweis über die Zustellung dieses Bescheides findet sich im Akt nicht; die Zustellung wurde vielmehr ohne Zustellnachweis durchgeführt.
Am langte beim Finanzamt eine Eingabe der damaligen steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin ein, womit eine an sie am erteilte Vollmacht vorgelegt und um Übermittlung des zur Buchungsmitteilung I (Erfassungsnummer 238624/2003) gehörigen Bescheides per Fax ersucht wurde.
Am langte beim Finanzamt eine mit datierte weitere Eingabe der steuerlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin ein, die - auszugsweise - folgenden Wortlaut hat:
"Mit Bescheid vom hat das Finanzamt die Grunderwerbsteuer für unsere oben angeführte Mandantschaft gemäß § 201 BAO festgesetzt. Dieser Bescheid wurde im Mai 2004 der Gesellschaft unter der Adresse W zugestellt, obwohl der Abgabenbehörde am von uns eine Zustellvollmacht übermittelt wurde. Auf Grund unserer Nachfrage wurde uns der Bescheid am , eingelangt am , nochmals zugestellt.
Da auf Grund der Vollmachtsvorlage im Dezember 2003 das Finanzamt nur mehr an uns als Zustellungsbevollmächtigten rechtsgültig zustellen kann, ist der Bescheid erst am zugestellt worden. ..."
Datiert mit erhob die Beschwerdeführerin vertreten durch die nunmehrige Beschwerdevertreterin nach einem Antrag vom auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist Berufung gegen den Bescheid vom , wobei sie wieder behauptete, dieser Bescheid sei am zugestellt worden. In der Berufung wird unter anderem die Behauptung aufgestellt, die damalige Vertreterin der Beschwerdeführerin habe schon am der Abgabenbehörde das Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben. Die Zustellung des Bescheides vom hätte daher an die Vertreterin der Beschwerdeführerin erfolgen müssen. Die Zustellung an die Vertreterin sei erst am erfolgt.
Datiert mit findet sich im Akt des Finanzamtes folgender Aktenvermerk:
"Eine 'Nichtzustellung' des Bescheides an die Partei wurde seitens des Steuerber. nicht bestritten ('Irgendwie muss ich einmal ins Verfahren kommen, um eine Abänderung d. GrESt-Bescheides zu bewirken' - Ausspruch d. steuerl. Vertreters anlässlich eines Telefonates am )"
Datiert mit erließ das Finanzamt einen Bescheid, womit die Berufung vom gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom wegen Ablaufs der Berufungsfrist zurückgewiesen wurde.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin, wobei sie (in der nachgetragenen Begründung dazu) an der schon in der Berufung vom erhobenen Behauptung festhielt, die Zustellung des Bescheides vom an die Vertreterin der Beschwerdeführerin sei erst am wirksam erfolgt.
In der von der belangten Behörde am abgeführten mündlichen Berufungsverhandlung behauptete der Vertreter der Beschwerdeführerin erstmals, dass die Beschwerdeführerin den erstinstanzlichen Bescheid überhaupt nie zugestellt erhalten habe.
Die belangte Behörde wies die Berufung (ebenso wie eine gegen die Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages erhobene Berufung) mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie ging dabei unter anderem davon aus, dass die von der Beschwerdeführerin ihrer damaligen Vertreterin erteilte Vollmacht vom nicht gegenüber dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern mitgeteilt worden sei, sondern nur gegenüber dem Finanzamt für den X Bezirk. Dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern sei die Vollmacht erst mit Eingabe vom übersandt worden.
Weiters folgte die belangte Behörde dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Eingabe vom , wonach die Zustellung des in Rede stehenden Grunderwerbsteuerbescheides schon "im Mai 2004" erfolgt sei und erachtete die dagegen erstmals in der Berufungsverhandlung vom aufgestellte Behauptung, die Beschwerdeführerin habe den Bescheid nie erhalten, insbesondere mit Rücksicht auf den Inhalt des Aktenvermerks vom als nicht glaubwürdig.
Rechtlich erachtete die belangte Behörde in Anwendung des § 245 Abs. 1 BAO die Berufung als verspätet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich erkennbar in ihrem Recht darauf verletzt, dass ihre Berufung nicht als verspätet zurückgewiesen wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Die Beschwerdeführerin replizierte auf die Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Berufungsfrist einen Monat.
§ 9 Abs. 3 ZustG (in der auf den Beschwerdefall maßgebenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004) bestimmte, dass dann, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt war, die Behörde diesen als Empfänger zu bezeichnen hatte.
§ 26 Abs. 2 leg. cit. bestimmte, dass Zustellungen ohne Zustellnachweis als mit dem dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt galten und ordnete an, dass es der Behörde im Zweifel oblag, die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung nachzuweisen.
§ 11 Abs. 1 GrEStG 1987 (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 85/2008) lautete auszugsweise:
"(1) Rechtsanwälte und Notare (Parteienvertreter) sind nach Maßgabe der §§ 12, 13 und 15 befugt, die Steuer für Erwerbsvorgänge, die diesem Bundesgesetz unterliegen, ausgenommen ..., als Bevollmächtigte eines Steuerschuldners selbst zu berechnen, wenn ..."
Eine einer Behörde in einem bestimmten Verfahren bekannt gegebene Zustellbevollmächtigung wirkt nur in den betreffenden Verfahren; keineswegs hat sie Bedeutung in einem vor einer anderen Behörde anhängigen anderen Verfahren (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/16/0310 mwN).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist das Schicksal der Beschwerde bereits entschieden:
Da die Beschwerdeführerin selbst in ihrer Eingabe vom dem Finanzamt mitgeteilt hatte, dass ihr der in Rede stehende Grunderwerbsteuerbescheid vom " im Mai 2004 " zugestellt worden war (und in diesem Zusammenhang auch nicht behauptete, dass in der Angelegenheit der Notar Dr. M ihr Bevollmächtigter gewesen wäre und daher die Zustellung an diesen hätte erfolgen müssen), war die belangte Behörde - weil aus ihrer Sicht damit kein Zweifel an einer wirksamen Zustellung des Bescheides bereits im Mai 2004 und damit am Ablauf der Rechtsmittelfrist bestand - nicht verpflichtet, in dieser Sache weitere Ermittlungen anzustellen, weil auch vollkommen klar war, dass die von der Beschwerdeführerin erst im August 2004 gesetzten Verfahrensschritte jedenfalls als verfristet anzusehen waren.
Nur das Bestehen von Zweifeln hätte eine entsprechende Ermittlungspflicht der Behörde ausgelöst (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/16/0207 und die dort zitierte hg. Vorjudikatur). Sämtliche Argumente der Beschwerde dahin, dass der in Rede stehende Grunderwerbsteuerbescheid nie wirksam zugestellt worden wäre, gehen daher von vornherein ins Leere.
Mit Rücksicht darauf, dass die gesetzliche Bevollmächtigung von Notaren und Rechtsanwälten gemäß § 11 Abs. 1 GrEStG nur die Vornahme der Selbstberechnung an sich betrifft, nicht aber eine Vertretungsmacht im Verfahren betreffend die Erlassung eines Grunderwerbsteuerbescheides umfasst, sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die im Verfahren vor dem Finanzamt für den X Bezirk im Dezember 2003 bekannt gegebene Bevollmächtigung der nunmehrigen Beschwerdevertreterin im Verfahren vor dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern keine Wirkung entfalten konnte, erweist sich daher der angefochtene Bescheid als frei von der behaupteten Rechtswidrigkeit. Darin vermag auch das von der Beschwerde angeführte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/15/0077, nichts zu ändern, weil - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend betont - dieses Erkenntnis nicht zu einem vergleichbaren Fall ergangen ist und sich daraus für die hier relevante Frage der Kenntnis einer Finanzbehörde von einer in einem anderen Verfahren einer anderen Finanzbehörde bekannt gegebenen Bevollmächtigung nichts zu gewinnen ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-AufwandersatzVO 2008 BGBl. II Nr. 455. Wien, am