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VwGH vom 15.09.2010, 2010/18/0268

VwGH vom 15.09.2010, 2010/18/0268

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der EB, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/171.801/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde die Beschwerdeführerin, eine mongolische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei am illegal nach Österreich gelangt und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug am vom Asylgerichtshof rechtskräftig abgewiesen worden sei. Ihre Einreise sei unter Umgehung der Grenzkontrolle erfolgt. Die Beschwerdeführerin habe zu keiner Zeit über einen Aufenthaltstitel verfügt und sei nach rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens im Bundesgebiet verblieben. Sie halte sich sohin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG vorlägen.

Die Beschwerdeführerin halte sich seit ca. siebeneinhalb Jahren in Österreich auf, verfüge aber über keine inländischen familiären Bindungen. Auf Grund der langen Aufenthaltsdauer sei grundsätzlich davon auszugehen, dass mit der vorliegenden Maßnahme ein Eingriff in ihr Privatleben verbunden sei. Dessen ungeachtet sei die gegen die Beschwerdeführerin gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten.

Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den ca. siebeneinhalb-jährigen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass einer daraus ableitbaren Integration auf Grund des Umstandes, dass sich ihr Asylantrag nachträglich als unberechtigt erwiesen habe und ihr Aufenthalt im Bundesgebiet seit unrechtmäßig sei, eine wesentliche Relativierung zukomme.

Vor diesem Hintergrund müssten die privaten Interessen der Beschwerdeführerin gegenüber den - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund treten. Die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Daran könne auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei im Bundesgebiet bestens integriert, spreche Deutsch und habe einen Freundeskreis aufgebaut sowie "aktiv an verschiedensten Aktivitäten und Projekten" künstlerischer Natur teilgenommen, nichts ändern. Es entspreche einem normalen Vorgang, dass man, wenn man sich mehrere Jahre in einem fremden Land aufhalte, die Landessprache lerne und einen Freundeskreis aufbaue; dies aber immer vor dem Hintergrund des "schwebenden" Asylverfahrens mit ungewissem Ausgang. Als "Gegengewicht" verfüge die Beschwerdeführerin nach wie vor über massive familiäre Bindungen in ihrem Heimatland, wo sowohl ihre Mutter als auch ihre beiden Söhne lebten. Es sei auch nicht erkennbar, warum die Beschwerdeführerin in ihrer Heimat nicht bestehende soziale Kontakt wieder herstellen bzw. neue aufbauen können solle. Es sei auch davon auszugehen, dass sie ihre Muttersprache perfekt beherrsche.

Angesichts der Tatsache, dass sie sich seit der Abweisung ihres Asylantrages unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, seien die Bestimmungen des seit in Geltung stehenden Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG von der Beschwerdeführerin in gravierender Weise missachtet worden. Dabei könne auch der Versuch, ihren Aufenthalt durch einen (Inlands )Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu legalisieren, nicht positiv gewertet werden, weil Aufenthaltstitel gemäß § 21 Abs. 1 NAG nur mehr vom Ausland aus erwirkt werden könnten. Diese Hinwegsetzung über eine maßgebliche fremdenrechtliche Norm bewirke eine Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Dem genannten öffentlichen Interesse liefe es grob zuwider, wenn ein Fremder bloß auf Grund von Tatsachen, die von ihm geschaffen worden seien (Nichtausreise trotz eines rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens), den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet erzwingen könnte.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer zugunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände könne ihr weiterer Aufenthalt auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.

Mit dem Vorbringen, sie sei in ihrer Heimat Opfer häuslicher Gewalt bzw. von Anfeindungen und Übergriffen auf Grund ihrer Homosexualität gewesen und sei deshalb in psychologischer Betreuung, behaupte die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht, dass sie an einer lebensbedrohenden Krankheit leide bzw. Heilbehandlung nur in Österreich erhalten könne. Ganz im Gegenteil sei davon auszugehen, dass sie auch in ihrer Heimat psychologische Hilfe erhalten werde können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn gemäß § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass der von ihr gestellte Asylantrag rechtskräftig abgewiesen worden ist, und behauptet auch nicht, über einen Aufenthaltstitel zu verfügen. Die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, begegnet daher keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführten Interessenabwägung und bringt im Wesentlichen vor, dass der angefochtene Bescheid mangelhaft begründet sei und die belangte Behörde nicht nachvollziehbar darlege, warum die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin überwögen. Wesentlich sei, dass es sich um ein "Erstasylverfahren" der Beschwerdeführerin gehandelt habe und der zulässige Asylantrag erst im August 2009 einer rechtskräftigen inhaltlichen Erledigung zugeführt worden sei. Die Beschwerdeführerin treffe an der langen Verfahrensdauer kein Verschulden.

Mit ihren Ausführungen, dass eine Integration der Beschwerdeführerin im Arbeitsmarkt nicht erfolgt sei, übergehe die belangte Behörde die geltende Vollzugspraxis des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG. Nach einem Durchführungserlass des "Bundesministeriums für Wirtschaft" aus dem Jahr 2004 sei die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an Asylwerber (mit Ausnahme solcher für den kurzfristigen Bedarf gemäß § 5 AuslBG) unzulässig. Es könne der Beschwerdeführerin daher die mangelnde Integration im Arbeitsmarkt nicht zur Last gelegt werden.

Bei richtiger Abwägung und Gewichtung der privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet hätte die belangte Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die privaten Interessen überwögen und eine Ausweisung auf Dauer unzulässig sei; dies vor allem auf Grund des langjährigen Aufenthaltes und der erfolgten Integration im Bundesgebiet. Dem von der Beschwerdeführerin nicht zu verantwortenden Ausschluss vom Arbeitsmarkt stehe eine Fülle von Betätigungen und Beschäftigungen auf dem Kunstsektor gegenüber. Weiters wäre der Umstand abzuwägen gewesen, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland ihre sexuelle Orientierung nicht ausleben könne. Die Kinder der Beschwerdeführerin seien bereits volljährig.

Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 2 NAG beantragt. Sie sei unbescholten und lebe in geordneten Verhältnissen.

2.2. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Rahmen der gemäß § 66 FPG durchzuführenden Interessenabwägung die bloße Aufenthaltsdauer nicht allein maßgeblich. Vielmehr ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0308, mwN).

Bei der gemäß § 66 FPG durchgeführten Interessenabwägung hat die belangte Behörde den seit dem dauernden, jedoch seit dem unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich ebenso berücksichtigt wie deren Vorbringen, im Bundesgebiet bestens integriert zu sein, Deutsch zu sprechen, einen Freundeskreis aufgebaut und an Projekten künstlerischer Natur teilgenommen zu haben. Zutreffend hat die belangte Behörde einen mit der Ausweisung der Beschwerdeführerin verbundenen Eingriff in deren Privatleben angenommen. Die aus dem Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht dadurch zu relativieren, dass sie zunächst lediglich auf Grund ihres - später rechtskräftig abgewiesenen - Asylantrages über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügte und ihr Aufenthalt seit der rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens unrechtmäßig ist.

Die Beschwerdeführerin kann auf keine inländischen familiären Bindungen verweisen. Ihre Mutter und ihre - laut Beschwerde bereits erwachsenen - Kinder leben in ihrem Heimatland. Auch mit dem Hinweis, die mangelnde Integration am Arbeitsmarkt könne der Beschwerdeführerin als (früheren) Asylwerberin nicht zur Last gelegt werden, wird kein eine maßgebliche Integration in Österreich darlegendes Vorbringen erstattet. Als integrationsbegründende Umstände werden von der Beschwerdeführerin lediglich in der Beschwerde nicht näher beschriebene Betätigungen und Beschäftigungen auf dem Kunstsektor erwähnt.

Den - somit nicht sehr stark ausgeprägten - persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass sie trotz der rechtskräftigen Abweisung ihres Asylantrages - unrechtmäßig - weiterhin im Bundesgebiet verblieben ist, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0028, mwN). Bei Abwägung des angeführten großen öffentlichen Interesses und der gegenläufigen, jedoch relativierten Interessen der Beschwerdeführerin ist die Ansicht der belangten Behörde, dass deren Ausweisung nach § 66 FPG zulässig sei, nicht zu beanstanden.

Der Hinweis der Beschwerdeführerin, sie könne in ihrem Heimatland ihre sexuelle Orientierung nicht ausleben, und ihr bereits in der Berufung erstattetes Vorbringen, sie sei in ihrem Heimatland Opfer von Anfeindungen bzw. Übergriffen auf Grund ihrer Homosexualität geworden, führen zu keinem anderen Ergebnis der gegenständlichen Beurteilung, weil das allfällige Vorliegen von Gründen im Sinne des § 50 FPG in einem Verfahren gemäß § 51 FPG oder in einem Verfahren nach den asylrechtlichen Bestimmungen, nicht jedoch im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung zu prüfen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0269, sowie das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , jeweils mwN).

Soweit die Beschwerde auf den von der Beschwerdeführerin gemäß § 43 Abs. 2 NAG gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung verweist, ist ihr zu entgegnen, dass dieser Antrag den Aufenthalt im Bundesgebiet nicht legalisiert und auch die Anhängigkeit eines Verfahrens über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegensteht (vgl. § 44b Abs. 3 erster Satz NAG sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0057, mwN).

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
IAAAE-80357