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VwGH vom 30.09.2015, 2013/06/0118

VwGH vom 30.09.2015, 2013/06/0118

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde der G W in S, vertreten durch Dr. Longin Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. Verk- 980236/11-2012-Ho, betreffend Kosten der Vollstreckung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1. Zur Vorgeschichte kann auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/06/0180, verwiesen werden.

Mit dem in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid hatte die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde die Kosten der mit Vollstreckungsverfügung der BH vom angeordneten und am im Wege der Ersatzvornahme von der O Gen.m.b.H. (in der Folge: M) durchgeführten Vollstreckung des Bescheides des Gemeinderates der Gemeinde St. M. vom (Entfernung eines Maschendrahtzaunes) mit EUR 3.370,-- bestimmt und weiters ausgesprochen, dass die mit Bescheid der BH vom verfügte und auch tatsächlich eingehobene Vorauszahlung in der Höhe von EUR 4.680,-- hierauf angerechnet werde, sodass sich in Bezug auf die Kostenvorauszahlung ein Überhang von EUR 1.310,-- als Guthaben für die Beschwerdeführerin ergebe. Der allenfalls offene Saldo sei innerhalb von 14 Tagen an die Beschwerdeführerin zurückzuzahlen.

Dieser Bescheid wurde mit dem genannten Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, wobei aus der Begründung Folgendes hervorzuheben ist:

"Gemäß § 11 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG) fallen die Kosten der Vollstreckung dem Verpflichteten zur Last und sind gemäß § 3 einzutreiben.

Die Vorschreibung der Kosten der Ersatzvornahme ist ein verfahrensrechtlicher Bescheid. Die belangte Behörde muss sich daher mit dem Vorbringen, soweit es auf die Vorschreibung der Kosten Bezug nimmt, auseinandersetzen und allenfalls notwendige Ermittlungen von Amts wegen durchführen (vgl. die bei Walter/Thienel , a.a.O., bei E 44 zu § 11 VVG zitierte hg. Judikatur). Sobald die Leistung nach den Vorschriften des VVG im Wege der Ersatzvornahme mangels Erfüllung durch den Verpflichteten erbracht wurde, besteht der Kostenersatzanspruch gemäß § 11 Abs. 1 VVG gegenüber dem Verpflichteten; die Einrede, die Leistung selbst kostengünstiger erbringen zu können, steht dem Verpflichteten nicht zu (vgl. das hg Erkenntnis vom , Zl. 2010/07/0089, u.v.a.). Entscheidend für die Rechtmäßigkeit der Kostenvorschreibung ist, dass die Ersatzvornahme im Titelbescheid ihre Deckung findet. Einwendungen gegen die Kostenvorschreibung kann der Verpflichtete nur unter dem Gesichtspunkt erheben, dass die vorgeschriebenen Kosten unverhältnismäßig hoch seien, wofür er allerdings den Beweis erbringen muss, oder dass die durchgeführten Arbeiten über die Leistungen, die von ihm zu erbringen gewesen wären, unbegründeterweise hinausgingen (vgl. das hg Erkenntnis vom , Zl. 2012/10/0010).

Der Verpflichtete kann allerdings für die fehlende Begründetheit der in Rechnung gestellten Arbeiten und für die Behauptung der preislichen Unangemessenheit der Kosten der Ersatzvornahme den Beweis erst erbringen, wenn auf Grund eines ordnungsgemäß durchgeführten Ermittlungsverfahrens die vom beauftragten Unternehmen tatsächlich durchgeführten und in Rechnung gestellten Arbeiten feststehen.

Die Beschwerdeführerin rügt - wie auch schon im Verfahren vor der belangten Behörde - zutreffend, dass die von der belangten Behörde ihrer Entscheidung allein zugrunde gelegte (Pauschal )Rechnung des M unbestimmt und somit einer Angemessenheitsprüfung nicht zugänglich ist . "

2. Im fortgesetzten Verfahren wurde M von der belangten Behörde aufgefordert, die erbrachten Leistungen laut Rechnung vom zu spezifizieren.

Mit Schreiben vom wurde die pauschale Position "Baumfällungstrupp - Entfernung eines Maschendrahtzaunes, Entfernung der 48 Kunststoffsteher, Entfernung von 57 Bäumen samt Wurzelstock laut Besichtigung" dahingehend aufgeschlüsselt, dass die "Aufstellung laut tatsächlicher Leistung" 1 x pauschal die Bereitstellung eines Ersatzzaunes inkl. Pflöcken und Vorbereitung (EUR 872,33), 8 Std. Bagger (EUR 576,00), 32 Std. Gärtner (EUR 1.120,00), 2 Std. LKW (EUR 140,00) und 1 x pauschal den Baggertransport (EUR 100,00), in Summe netto EUR 2.808,33 und brutto EUR 3.370,00, umfasse.

Der Spruch des nunmehr angefochtenen Ersatzbescheides der belangten Behörde vom ist gleichlautend mit jenem vom . Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Angebotsunterlagen der Q GmbH vom hätten allesamt eine nicht nachvollziehbare und der Behörde nicht übermittelte Ausgangsbasis für die Angebotslegung als Grundlage, seien ausdrücklich unverbindlich und nicht in die Begleitumstände der behördlich verfügten Ersatzvornahme eingespannt. Der Einsatz eines Großgerätes, eines Baggers, der im Rahmen dieser räumlichen Beengtheit nur mit besonderer Vorsicht und damit mit viel mehr Zeitaufwand bewegt werden könne, belege eine Unvergleichbarkeit der Ausgangslage. In den vorgelegten Angeboten seien überwiegend ebenfalls (vgl. Fa. S und Fa. H F) schwere Bagger mit 7,5 t enthalten. Im Angebot der Fa. H F werde mit EUR 74,20 je Stunde schon ein höherer Nettostundensatz für einen solchen Bagger verrechnet, als dies in der Kalkulation des M mit nur EUR 72,00 der Fall sei. Der Behauptung der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom , das Ausreißen der Bäume hätte jedenfalls innerhalb einer Stunde beendet werden können, würden selbst ihre eigenen Angebote widerstreiten, in denen kein Angebot eine kürzere Zeit als 2,5 Stunden vorsehe. Aus keinem der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Angebote ergebe sich u.a. die aufwendige Entfernung der Bäume mit Wurzelballen, und es werde nicht die Bereitstellung des Ersatzzaunes kalkuliert, weil die Beschwerdeführerin dies nicht für notwendig befinde.

Die übermittelten "nicht datensicheren Normalpapierausdrucke (in schwarz weiß) von Digitalfotos unbekannter Genese" ließen keine Beweisrelevanz für irgendeinen objektiv berücksichtigungswürdigen Umstand erkennen.

Die angebotene Zeugenvernehmung des W sei kein zielführendes Beweismittel, weil die aus dem Beweisantrag indirekt ableitbare Zielsetzung der allenfalls möglichen subjektiven Arbeitsfortschrittsbeschreibung durch den Zeugen keinerlei Bedeutung in Hinsicht auf die mögliche Belegung einer unangemessenen Kalkulation des M habe. Ein Gutachten eines Sachverständigen, wie von der Beschwerdeführerin gefordert, zum Beweis für die behauptete Unangemessenheit der Kosten wäre von der Beschwerdeführerin beizubringen gewesen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

4.1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Zur Darstellung der Rechtslage ist auf das eingangs angeführte Vorerkenntnis vom , Zl. 2012/06/0180, zu verweisen.

4.2. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, vor Erlassung des Kostenbescheides habe ein Ermittlungsverfahrens samt Parteiengehör stattzufinden, im Rahmen dessen der Verpflichtete den Nachweis erbringen könne, dass die ihm angerechneten Kosten unangemessen hoch seien.

Im Vorerkenntnis vom habe der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich ausgesprochen, dass erst dann, wenn aufgrund eines ordnungsgemäß durchgeführten Ermittlungsverfahrens die vom beauftragten Unternehmen tatsächlich durchgeführten und in Rechnung gestellten Arbeiten feststünden, der Verpflichtete für die fehlende Begründetheit der in Rechnung gestellten Arbeiten und für die Behauptung der preislichen Unangemessenheit der Kosten der Ersatzvornahme den Beweis zu erbringen habe. Es sei im Ergebnis von der belangten Behörde ein solches Ermittlungsverfahren nicht durchgeführt und auch keine Feststellungen getroffen worden, welche Arbeiten von den beauftragten Unternehmen mit welchem zeitlichen Aufwand konkret tatsächlich durchgeführt worden seien, sodass nach wie vor nicht nachvollziehbar sei, von welchem Sachverhalt die Behörde diesbezüglich ausgehe, den sie ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde lege.

In der Aufstellung des M befinde sich ein Pauschalbetrag für die Bereitstellung eines Ersatzzaunes inklusive Pflöcken und Vorbereitung. Die belangte Behörde habe nicht festgestellt, dass ein solcher Ersatzzaun zur Verfügung gestellt worden wäre. Die Beschwerdeführerin habe dies auch ausdrücklich bestritten und die Einvernahme des Zeugen W beantragt, was jedoch unterblieben sei. Es fehle daher an einer entsprechenden Sachverhaltsfeststellung, die die Festsetzung von Kosten in diesem Umfang in der Höhe von EUR 872,33 rechtfertigen würde.

Wenn die gesamte Amtshandlung nur von 7.00 Uhr bis maximal

11.10 Uhr gedauert habe, wobei ohne ersichtlichen Grund - wie aus den vorgelegten Lichtbildern hervorgehe - mit der Abnahme des Weidezaunes durch drei Hilfskräfte erst um 7.27 Uhr begonnen und diese bereits um 9.40 Uhr beendet worden sei, und das Ausreißen der Bäume durch den Bagger in der Zeit von 9.47 Uhr bis 10.55 Uhr, also genau 1 Stunde 8 Minuten gedauert habe, sei es unmöglich, dass - wie aus der Aufstellung des M hervorgehe - ein Bagger 8 Stunden und Gärtner 32 Stunden eingesetzt gewesen seien. Überdies seien diesbezüglich nur 3 Hilfskräfte tätig gewesen, wie aus den vorgelegten Lichtbildern eindeutig ersichtlich sei, die somit jeweils 10,66 Stunden im Rahmen der Ersatzvornahme gearbeitet hätten, was aufgrund der Dauer der gesamten Amtshandlung bereits auszuschließen sei. Nachdem die belangte Behörde aber keine Feststellung über die geleisteten Stunden betreffend Bagger- und Gärtnerarbeiten getroffen habe, lasse sich die Kostenfestsetzung in Bezug auf die Position Baggereinsatz von netto EUR 576,0 für den Bagger und netto EUR 1.120,0 für die Gärtner nicht rechtfertigen.

Ob ein LKW für den Einsatz notwendig gewesen sei, sei ebenfalls nicht festgestellt worden. Da die ausgerissenen Bäume und der Zaun samt den Pflöcken auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin einfach liegen gelassen worden seien, sei nicht nachvollziehbar, warum ein LKW zwei Stunden im Einsatz gewesen sein solle. Der pauschale Baggertransport sei ohnehin gesondert in der Aufstellung des M ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Stellungnahme vom und in ihrem Schriftsatz vom unter Vorlage entsprechender Lichtbilder den Umfang der tatsächlich geleisteten Arbeit wie folgt dargestellt: Geflechtabnahme durch 3 Hilfskräfte zwischen 7.27 Uhr und 9.40 Uhr, somit 2 Stunden 13 Minuten, Ausreißen der Bäume durch den Bagger in der Zeit von 9.47 Uhr bis 10.55 Uhr, somit 1 Stunde und 8 Minuten. Für die in den Standzeiten der Hilfskräfte zwischen 7.00 Uhr bis 7.27 Uhr und von 9.41 Uhr bis 11.10 Uhr sowie weiters für die Standzeiten des Baggers in der Zeit von 7.00 Uhr bis 9.46 Uhr angefallenen Kosten habe sie nicht aufzukommen.

Zum Beweis dafür, dass kein Ersatzzaun samt Pflöcken von M bereit gestellt worden sei, der Bagger mit Sicherheit nicht 8 Stunden und die Arbeiter nicht 32 Stunden im Einsatz gewesen seien, sowie dafür, dass zwei Lkw nicht zwei Stunden im Einsatz gewesen bzw. Lkw für diesen Einsatz gar nicht benötigt worden seien, habe die Beschwerdeführerin die Einvernahme des Zeugen W beantragt. Sie habe auch entsprechende Lichtbilder, die die Arbeitsdauer der einzelnen Positionen der Aufstellung des M dokumentierten, vorgelegt.

Die Nichteinvernahme des Zeugen W sowie die Unterstellung, dass den vorgelegten Lichtbildern keine Beweisrelevanz zukommen würde, sei eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung. Die belangte Behörde lege mit keinem Wort dar, warum die vorgelegten Lichtbilder den tatsächlichen Sachverhalt betreffend die Einsatzdauer nicht richtig wiedergäben.

4.3. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom dargelegt hat, ist für die Rechtmäßigkeit der Kostenvorschreibung entscheidend, dass die Ersatzvornahme im Titelbescheid ihre Deckung findet.

Den Ausführungen der belangten Behörde, es werde in den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Angeboten nicht die Bereitstellung des Ersatzzaunes kalkuliert, weil die Beschwerdeführerin dies nicht für notwendig befinde, ist zu entgegnen, dass der Titelbescheid (des Gemeinderates der Gemeinde St. M.) vom die Errichtung eines Ersatzzaunes nicht umfasst, sodass die Beschwerdeführerin insofern bereits in Rechten verletzt wurde. Es kann dahinstehen, ob die belangte Behörde in einem mängelfreien Verfahren zu dem Ergebnis kam, dass ein derartiger Ersatzzaun errichtet wurde. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon deshalb mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren die Einvernahme des Zeugen W beantragt und Lichtbilder vorgelegt, mit welchen sie die Arbeitsdauer der einzelnen Positionen der Aufstellung des M entsprechend dokumentiert habe (jeweils mit Datum und Uhrzeit). Die belangte Behörde hat beiden Beweisanboten von vornherein jegliche Relevanz abgesprochen. Da jedoch gerade Ausmaß und Dauer der geleisteten Arbeiten wesentlich für die Zusammensetzung der Kosten und somit für die Angemessenheitsprüfung sind, liegt auch hier eine Verkennung der Rechtslage vor.

Im Hinblick auf die Position "Ausreißen von Obstbäumen" im Angebot der Fa. S vom stehen schließlich die Ausführungen der belangten Behörde, aus keinem der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Angebote ergebe sich u.a. die aufwendige Entfernung der Bäume mit Wurzelballen, mit der Aktenlage nicht im Einklang.

5. Der angefochtene Bescheid war daher wegen (prävalierender) Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014). Das die Pauschalbeträge der genannten Verordnung übersteigende Begehren war abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
ZAAAE-80308