VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0129
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des Z J in S, vertreten durch Mag. Stefan Errath, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , G313 2165465-1/18E, betreffend Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist serbischer Staatsangehöriger und befand sich seit zumindest 2013 - mit Unterbrechungen - immer wieder in Österreich.
2 Nachdem der Revisionswerber wegen seines rechtswidrigen Aufenthaltes (im Hinblick auf die Überschreitung des erlaubten 90- tägigen Aufenthaltes nach Art. 20 SDÜ) beanstandet worden war, reiste er am freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.
Bereits am reiste er allerdings wieder nach Österreich ein, wo er am aus Anlass einer Verkehrskontrolle aufgegriffen wurde. Bei seiner dann nachfolgenden niederschriftlichen Einvernahme gab er u.a. an, wegen "Arztterminen, um Kinder zu bekommen", nach Österreich zurückgekehrt zu sein; er sei an einer näher genannten Anschrift in 1160 Wien bei seiner serbischen Freundin "untergebracht" und habe "am Mittwoch" nach Serbien zurückkehren wollen, um dort die erwähnte Freundin zu heiraten.
3 Mit Bescheid vom sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in der Folge aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Unter einem erließ es gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG sowie gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG ein dreijähriges Einreiseverbot, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Serbien zulässig sei und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab.
4 Der dann am nach Serbien abgeschobene Revisionswerber erhob - ausschließlich - gegen das Einreiseverbot Beschwerde, in der er insbesondere auf seine schließlich am in Serbien erfolgte Eheschließung mit seiner Freundin, die in Österreich einer Beschäftigung nachgehe, verwies.
5 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) führte über diese Beschwerde am eine mündliche Verhandlung durch. Die Ladung zu dieser Verhandlung wurde dem Revisionswerber zu Handen seines Vertreters am zugestellt; dem daraufhin von diesem erhobenen und am beim BVwG eingelangten Vertagungsgesuch - begründet damit, dass die beantragte Wiedereinreisebewilligung nach § 27a FPG von der Österreichischen Botschaft Belgrad (noch) nicht ausgestellt worden sei - trug das BVwG keine Rechnung. In der Beschwerdeverhandlung wurde daher nur die ohne Ladung erschienene nunmehrige Ehefrau des Revisionswerbers einvernommen.
6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Außerdem sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Das BVwG hielt zunächst - u.a. - fest, dass der Revisionswerber und sein Rechtsvertreter zu der am durchgeführten Beschwerdeverhandlung "ohne triftigen Grund" nicht erschienen seien. Es stellte dann weiter insbesondere fest, dass der Revisionswerber im Mai 2017 gemeinsam mit seiner "Freundin" in einem Kinderwunschzentrum "wegen beabsichtigter In-vitro-Fertilisation" vorgesprochen habe. Mit dieser "Freundin" (nunmehrigen Ehegattin) bestehe eine "Beziehung", eine "gemeinsame Wohnsitznahme" könne jedoch nicht festgestellt werden. Die nunmehrige Ehefrau des Revisionswerbers, bei der wegen der geplanten In-vitro-Fertilisation bereits eine medikamentöse Therapie eingeleitet worden sei, verfüge über eine bis April 2020 gültige "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" und stehe seit in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis. Der Revisionswerber selbst sei hingegen im Bundesgebiet nie erwerbstätig gewesen, es existiere jedoch eine im Februar 2018 ausgestellte "Einstellungszusage". Er sei im Jänner 2016 wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit, fahrlässiger Körperverletzung und Urkundenunterdrückung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Wochen verurteilt worden, seine nunmehrige Ehefrau weise eine Verurteilung vom Dezember 2017 wegen falscher Beweisaussage und Verleumdung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten auf.
8 In rechtlicher Hinsicht verwies das BVwG einerseits auf die erwähnte strafrechtliche Verurteilung des Revisionswerbers "zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten" und andererseits darauf, dass er keine hinreichenden Barmittel zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes nachweisen könne. Ein (gemeint: in Österreich) bestehendes Privat- und Familienleben habe nicht "glaubhaft vermittelt werden" können. Die Beschwerde gegen das verhängte Einreiseverbot sei daher, so das BVwG zusammenfassend, abzuweisen gewesen.
9 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessem Rahmen keine Revisionsbeantwortungen erstattet wurden, erwogen:
10 Die Revision ist, wie sich aus dem Folgenden ergibt, zulässig und berechtigt.
11 Das gegen den Revisionswerber verhängte Einreiseverbot wurde auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG gestützt. Ihm liegt also (insbesondere) zu Grunde, dass vom Aufenthalt des Revisionswerbers im Hinblick darauf, dass er den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermochte, eine entsprechende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausgehe, wobei das BVwG noch ergänzend auf die strafrechtliche Verurteilung des Revisionswerbers verwies.
12 In der gegenständlichen Revision wird die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG - das Fehlen ausreichender Mittel seitens des Revisionswerbers - nicht in Frage gestellt. Die aus der Verwirklichung dieses Tatbestandes grundsätzlich abzuleitende Gefährdung öffentlicher Interessen ist aber vorliegend jedenfalls deshalb reduziert, weil der Revisionswerber gegenüber seiner nunmehrigen Ehefrau - auch nach serbischem Recht (Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Serbien S. 27) - einen Unterhaltsanspruch hat. Was aber die vom BVwG ergänzend herangezogene strafrechtliche Verurteilung des Revisionswerbers anlangt, so erfolgte sie nach dem in den Verwaltungsakten erliegenden Strafregisterauszug im Hinblick auf eine (oder mehrere) zuletzt im April 2014 begangene Straftat(en), deren nähere Umstände vom BVwG nicht festgestellt wurden. In Anbetracht der verhängten sechswöchigen bedingten Freiheitsstrafe - die vom BVwG im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung getroffene Aussage, der Revisionswerber sei zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, ist nicht nur aktenwidrig, sondern steht auch mit den eigenen Feststellungen des BVwG in Widerspruch - ist allerdings prima vista auch insoweit von einer nur geringfügigen aktuellen Gefährdung öffentlicher Interessen seitens des Revisionswerbers auszugehen.
13 Vor diesem Hintergrund - weitere Überlegungen zu einer vom Revisionswerber ausgehenden Gefährlichkeit hat das BVwG nicht angestellt - käme die Verhängung eines dreijährigen Einreiseverbotes gegen den Revisionswerber nur dann in Betracht, wenn mit diesem Verbot, wie vom BVwG im Ergebnis zu Grunde gelegt, tatsächlich kein Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Revisionswerbers einhergehen würde. Davon kann allerdings schon auf Basis der Feststellungen des BVwG (rechtmäßiger Aufenthalt der Ehefrau des Revisionswerbers in Österreich, die hier auch einer Beschäftigung nachgeht; bereits mit medikamentöser Therapie bei der Ehefrau einhergehende Vorbereitung einer In-vitro-Fertilisation) nicht die Rede sein. Dass es, worauf das BVwG in diesem Zusammenhang abzustellen scheint, noch keine "gemeinsame Wohnsitznahme" gegeben habe, spielt nämlich jedenfalls nur eine untergeordnete Rolle (vgl. etwa , mwN). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die zum fehlenden bisherigen Zusammenleben des Revisionswerbers und seiner Ehefrau angestellten beweiswürdigenden Überlegungen des BVwG im Kern nur auf den eingeholten Meldeauszügen beruhen und diesen insoweit fälschlich eine über deren bloßen Indizcharakter (siehe dazu nur jüngst , Rn. 17) hinausgehende Bedeutung beimessen. Zwar wurde diesbezüglich erkennbar ergänzend noch mit Unglaubwürdigkeit der entsprechenden Angaben der Ehefrau des Revisionswerbers in der Beschwerdeverhandlung argumentiert, doch hätten auch die entsprechenden Angaben des Revisionswerbers selbst aus Anlass seiner niederschriftlichen Einvernahme vom , er sei bei seiner "Freundin" (nunmehr Ehegattin) "untergebracht", einer Würdigung unterzogen werden müssen. Dass der Revisionswerber bei der Beschwerdeverhandlung nicht anwesend war und daher von der erkennenden Richterin des BVwG nicht selbst einvernommen werden konnte, darf ihm am Boden der nicht in Frage gestellten Angaben in seiner eingangs (Rn. 5) erwähnten Vertagungsbitte, es sei noch nicht zur Ausstellung der beantragten Wiedereinreisebewilligung nach § 27a FPG gekommen, jedenfalls nicht angelastet werden. Die Ansicht des BVwG, er sei "ohne triftigen Grund" nicht zur Beschwerdeverhandlung erschienen, erweist sich angesichts dieses Vertagungsgesuchs schon grundsätzlich als verfehlt. Warum das BVwG diesem Vertagungsgesuch nicht entsprochen hat, bleibt im Übrigen offen; in diesem Zusammenhang sei der Vollständigkeit halber auch noch angemerkt, dass das BVwG bezüglich der Ausstellung einer Wiedereinreisebewilligung mit der Österreichischen Botschaft Belgrad Kontakt hätte aufnehmen können.
14 Wie schon erwähnt, trifft die Schlussfolgerung des BVwG, das verhängte Einreiseverbot greife nicht in das Privat- oder Familienleben des Revisionswerbers ein, aber keinesfalls zu. Daran änderte auch die vom BVwG festgestellte strafrechtliche Verurteilung der Ehefrau des Revisionswerbers nichts. Wie die Revision richtig aufzeigt, gibt es nach der Aktenlage allerdings gar keinen Hinweis darauf, dass eine derartige Verurteilung überhaupt stattgefunden hätte. Das BVwG beruft sich diesbezüglich auf einen von ihm eingeholten Strafregisterauszug, übersieht dabei aber, dass dieser Strafregisterauszug eine andere Person (zwar gleichen Namens, jedoch mit divergierendem Geschlechtsnamen, anderem Geburtsdatum und anderem Geburtsort) betrifft. Insoweit ist dem BVwG - für sich betrachtet - auch eine Aktenwidrigkeit unterlaufen. Das angefochtene Erkenntnis war aber wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
15 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210129.L00 |
Schlagworte: | Besondere Rechtsgebiete |
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