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VwGH vom 02.11.2016, 2013/06/0106

VwGH vom 02.11.2016, 2013/06/0106

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde des G H in L, vertreten durch die Rechtsanwälte Mandl GmbH in 6800 Feldkirch, Churerstraße 3/II, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. Ib- 333-2011/0001, betreffend ein Enteignungsverfahren nach dem Vorarlberger Straßengesetz (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde L, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7/Europapassage), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf das Grundstück des Beschwerdeführers bezieht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 In ihrer Sitzung vom wurde von der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde die "Verordnung der Gemeindevertretung der Marktgemeinde L vom über die Erklärung zur Gemeindestraße der Wegverbindung vom Ende der Gemeindestraße ‚A' zur Gemeindestraße ‚M'" endgültig beschlossen bzw. erlassen. Weiters heißt es, diese Erklärung erfolgt gemäß § 9 Abs. 4 Straßengesetz unter der aufschiebenden Bedingung, dass die mitbeteiligte Marktgemeinde das Eigentum daran erwirbt und der Bürgermeister diesen Rechtserwerb kundmacht. Diese Verordnung wurde mit Anschlag an der Amtstafel gemäß § 9 Abs. 4 Straßengesetz kundgemacht ().

2 Die mitbeteiligte Marktgemeinde hat mit Eingabe vom beantragt, den mit vorgenanntem Beschluss zur Gemeindestraße erklärten Weg im Enteignungsverfahren zu erwerben. Dafür werden Liegenschaftsteilflächen aus dem Grundstück Nr. 4360/6, KG L., im Ausmaß von 45,5 m2 im Eigentum des Beschwerdeführers benötigt.

3 Mit dem angefochtenen Bescheid vom sprach die belangte Behörde gemäß § 45 Abs. 1 iVm den §§ 43 und 44 (Vorarlberger) Straßengesetz, LGBl. Nr. 8/1969, in der Fassung LGBl. Nr. 57/2011, (im Folgenden: StrG) aus, dass zum Zweck der Errichtung der Gemeindestraße "A" (Lückenschluss zwischen den öffentlichen Straßen "M" und "A") nach Maßgabe der näher bezeichneten, einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bildenden Lagepläne das dauernde und lastenfreie Eigentum der vom Antrag erfassten Liegenschaftsteilflächen zu Gunsten der mitbeteiligten Marktgemeinde in Anspruch genommen werde (Spruchpunkt I.), setzte die Enteignungsentschädigung fest und ordnete deren gerichtliche Hinterlegung beim Bezirksgericht D an (Spruchpunkt II.), legte für die Errichtung der im Spruchpunkt I. genannten Gemeindestraße gemäß § 48 StrG eine Frist von einem Jahr ab Rechtskraft des Bescheides fest (Spruchpunkt III.) und bestimmte weiters Kommissionsgebühren und Barauslagen (Spruchpunkt IV.).

4 Die belangte Behörde ging dabei (zusammengefasst) von folgendem Sachverhalt aus:

Die im Grundbuch als "öffentliches Gut" eingetragene Straße "A" verläuft am östlichen Siedlungsrand der mitbeteiligten Marktgemeinde von Süden in Richtung Norden. Im Süden zweigt sie von der Gemeindestraße "V" in Richtung Norden ab und erschließt ein Wohngebiet, das beidseitig ein bis zwei Bautiefen aufweist. Derzeit endet diese Straße "A" als Stichstraße nach ca. 505 m, eine Verbindung zur "Mstraße" ist nicht gegeben. Es besteht keine Umkehrmöglichkeit auf öffentlichem Grund. Die Straße "A" von der Einmündung "V" bis zum Grundstück Nr. 4360/6 des Beschwerdeführers und die "Mstraße" stehen im Eigentum der mitbeteiligten Marktgemeinde. Mit der genannten Verordnung der Gemeindevertretung vom soll vom Norden her (von der "Mstraße") ein Lückenschluss erreicht werden. Die Länge des fehlenden Straßenstückes beträgt ca. 16,8 m. Gegenwärtig müssen zum Teil längere Umwegfahrten in Kauf genommen werden. Müllfahrzeuge haben auf Grund einer mündlichen Vereinbarung zwischen dem näher genannten Grundeigentümer und dem Müllentsorger (derzeit) die Möglichkeit, im Bereich der Einmündung zum Haus dieses Grundeigentümers umzukehren. Nach den Angaben des Beschwerdeführers sind der Durchgang für Fußgänger bzw. die Durchfahrt für Rad- und Motorfahrradfahrer über sein Privatgrundstück erlaubt. Durch den fehlenden Lückenschluss ist ein Befahren der Liegenschaftsteilflächen des Beschwerdeführers zur "Mstraße" für mehrspurige Fahrzeuge nicht möglich. Der Beschwerdeführer hat angeboten, das Befahren dieses Abschnittes auch für Lkws, die zu Gebäuden entlang der Straße "A" zufahren bzw. zuliefern wollen, zu erlauben, ebenso für Einsatzfahrzeuge, wie Rettung, Polizei und Feuerwehr. Dieses Angebot für die Einsatzfahrzeuge und die Müllabfuhr besteht nach den Angaben des Beschwerdeführers schon seit Jahren. Ohne Befahren der enteigneten Grundstücksflächen muss nach Süden in Richtung "Vstraße" und in weiterer Folge über die "Fstraße" nach Norden Richtung L gefahren werden. Diese Straße weist eine Länge von ca. 1,4 km auf. Durch den Lückenschluss werden keine neuen Grundstücke erschlossen, die nicht bereits jetzt durch Gemeinde- oder Privatstraßen erreicht werden können.

5 Nach Wiedergabe von gesetzlichen Bestimmungen und Ausführungen, wonach Naturalersatz für den Beschwerdeführer aus näher genannten Gründen nicht möglich sei, führte die belangte Behörde zu den verfassungsrechtlichen Einwendungen aus, die Notwendigkeit zur Errichtung der Gemeindestraße bzw. zur Schaffung eines Lückenschlusses zwischen den bestehenden öffentlichen Straßen "A" und der "Mstraße" stehe auf Grund der Verordnung der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde vom fest.

6 Im gegenständlichen Verfahren sei zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 StrG im Hinblick auf die beanspruchten Liegenschaften vorlägen, d.h. ob anstelle der als bedingt gemäß § 9 Abs. 4 StrG zur Gemeindestraße erklärten Straßenverbindung eine unter dem Gesichtspunkt des Verkehrs, der Wirtschaftlichkeit und des Landschaftsschutzes zweckmäßigere Führung oder Erhaltung der Straße möglich sei. Das StrG regle ausdrücklich, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff in Eigentumsrechte zulässig sei. Die Enteignungsbehörde habe somit nur die im Straßengesetz vorgegebenen Enteignungsvoraussetzungen zu prüfen oder abzuwägen, ob eine Grundinanspruchnahme für eine verordnete Gemeindestraße gerechtfertigt sei. Ob bei Erfüllung dieser im Straßengesetz geforderten Voraussetzungen ein überwiegendes öffentliches Interesse für die Realisierung bestehe, sei von der Enteignungsbehörde nicht mehr zu prüfen. Dasselbe gelte auch hinsichtlich der Einwendungen, die Behörde habe das gelindeste Mittel anzuwenden. Nach § 4 Abs. 2 StrG müsse eine Gemeindestraße zwingend im Eigentum des Straßenerhalters stehen. Die Einräumung einer Dienstbarkeit sei nur bei Gehsteigen oder Tunnels möglich. Eine bloße Einschränkung des Eigentums könne daher im gegenständlichen Fall nicht in Betracht kommen.

7 Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens stehe fest, dass die bestehende Straße "A" am Beginn der enteigneten Liegenschaftsflächen ende; für die Behörde stehe außer Zweifel, dass der geplante Lückenschluss den kürzest möglichen Verlauf zur "Mstraße" darstelle. Die Enteignungsbehörde erkenne im Umfeld des verordneten Lückenschlusses keine zweckmäßige andere Führung oder Erhaltung einer Straße. Bei einem anderen Straßenverlauf wären größere Umwege zu nehmen und es fielen damit auch in wirtschaftlicher Hinsicht mehr Kosten sowohl für den Bau als auch für die Erhaltung an. (Es folgen weitere Ausführungen zu Alternativvarianten und zu den Sachverständigengutachten.) Die Gutachten der Amtssachverständigen seien schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei und hätten der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden können. Zudem sei festzuhalten, dass diesen Gutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten worden sei.

8 Nach weiteren Ausführungen zur rechtlichen Qualifizierung der bestehenden Straße "A", zur Breite des verordneten Straßenabschnittes und des (der) Einmündungstrichter(s) und zur Schätzung in Bezug auf die Festsetzung der Entschädigungssumme führte die belangte Behörde abschließend aus, dass gemäß § 4 Abs. 2 StrG Gemeindestraßen im Eigentum des Straßenerhalters stehen müssten, weshalb die angebotene Dienstbarkeitseinräumung nicht zum Tragen habe kommen können. Nach Prüfung der Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 StrG komme die Enteignungsbehörde zur Auffassung, dass das für die beantragte Enteignung beanspruchte Ausmaß von Liegenschaftsteilflächen des Beschwerdeführers für die Errichtung der Straße notwendig sei (und die festgelegte Entschädigung angemessen seien).

9 Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 906/2012-13, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

10 In seiner vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

11 Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift - ebenso wie die mitbeteiligte Marktgemeinde - die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Hat der Verfassungsgerichtshof in einem Verfahren gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung bis zum Ablauf des eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung den Verwaltungsgerichtshof abgetreten, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 8 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, in einem solchen Verfahren die Bestimmungen des B-VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung und des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiter anzuwenden.

13 Im Beschwerdefall ist folgende, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgebliche Rechtslage anzuwenden:

Vorarlberger Straßengesetz (StrG), LGBl. Nr. 8/1969, idF LGBl. Nr. 57/2011 (auszugsweise):

"§ 4.

...

(2) Landesstraßen und Gemeindestraßen müssen im Eigentum des Straßenerhalters stehen. Dies gilt nicht für Gehsteige und Tunnels im Zuge solcher Straßen.

§ 9

(1) Gemeindestraßen sind die von der Gemeindevertretung durch Verordnung als solche erklärten Straßen. Durch Verordnung können auch Straßenzüge zu Gemeindestraßen erklärt werden, deren Bau beabsichtigt, aber noch nicht durchgeführt ist.

(2) Die Gemeindevertretung hat nach Maßgabe der finanziellen Mittel die vorwiegend für den Verkehr innerhalb des Gemeindegebietes notwendigen Straßen als Gemeindestraßen zu erklären. Notwendig sind diejenigen Straßen, durch die ganzjährig bewohnte Siedlungen mit mindestens 100 Einwohnern erschlossen werden. Eine Notwendigkeit liegt nicht vor, wenn von anderer Seite für eine solche Verkehrsverbindung Vorsorge getroffen wird. Ein Rechtsanspruch auf Erklärung einer Straße als Gemeindestraße besteht nicht.

(3) Die Gemeindevertretung kann darüber hinaus durch Verordnung Straßen, die vorwiegend für den Verkehr innerhalb der Gemeinde wichtig sind, als Gemeindestraßen erklären.

(4) Wenn eine Erklärung nach den Abs. 1 bis 3 eine Straße betrifft, an der die Gemeinde nicht das Eigentum oder ein sonstiges entsprechendes Verfügungsrecht hat, hat die Erklärung unter der aufschiebenden Bedingung zu erfolgen, dass die Gemeinde das Eigentum oder ein sonstiges entsprechendes Verfügungsrecht erwirbt und der Bürgermeister diesen Rechtserwerb kundmacht. Die Kundmachung hat durch Anschlag an der Amtstafel in sinngemäßer Anwendung des § 32 Gemeindegesetz zu erfolgen.

§ 43

(1) Zum Bau (§ 28 Abs. 3) oder zur Erhaltung von öffentlichen Straßen, zur Gewinnung der dazu erforderlichen standortgebundenen natürlichen Baustoffe sowie zum Zwecke des Erwerbs des Eigentums oder eines entsprechenden Verfügungsrechtes an Straßen, die bedingt gemäß § 5 Abs. 4 zur Landesstraße oder gemäß § 9 Abs. 4 zur Gemeindestraße erklärt wurden, können das Eigentum an Grundstücken und andere dingliche Rechte durch Enteignung erworben, beschränkt oder aufgehoben werden. Dasselbe gilt für obligatorische Rechte, wenn sie für sich allein dem Enteignungszweck entgegenstehen und nicht ohnehin als Nebenrechte durch die Enteignung erlöschen (Abs. 3).

...

(5) Enteigner ist derjenige, zu dessen Gunsten enteignet wird, Enteigneter derjenige, dessen Eigentum oder Recht in Anspruch genommen wird.

§ 44

(1) Zum Bau oder zur Erhaltung von Landesstraßen und Gemeindestraßen sowie zum Zwecke des Erwerbs des Eigentums oder eines entsprechenden Verfügungsrechtes an Straßen, die bedingt gemäß § 5 Abs. 4 zur Landesstraße oder gemäß § 9 Abs. 4 zur Gemeindestraße erklärt wurden, ist eine Enteignung nur zulässig, wenn eine andere unter dem Gesichtspunkt des Verkehrs, der Wirtschaftlichkeit und des Landschaftsschutzes zweckmäßigere Führung oder Erhaltung der Straße nicht möglich ist.

...

§ 45

(1) Über den Antrag des Straßenerhalters auf Enteignung hat

die Landesregierung zu entscheiden. ... Bei bedingt erklärten

Landesstraßen (§ 5 Abs. 4) ist das Land berechtigt, einen Enteignungsantrag zu stellen, in Fällen bedingt erklärter Gemeindestraßen (§ 9 Abs. 4) die jeweilige Gemeinde.

(2) Der Antragsteller hat vor Einbringung des Enteignungsantrages zu prüfen, ob die Leistung von Naturalersatz oder ein Zusammenlegungsverfahren nach dem Flurverfassungsgesetz, das innert nützlicher Frist durchgeführt werden kann, eine Enteignung entbehrlich machen. Die Agrarbezirksbehörde hat von Amts wegen ein Zusammenlegungsverfahren einzuleiten, wenn die sonstigen Voraussetzungen hiefür gegeben sind und die aus der zu beantragenden Enteignung zu erwartenden Schäden für die Flurverfassung vermieden oder erheblich vermindert werden können.

...

(4) Die Landesregierung hat eine mündliche Verhandlung durchzuführen, die mit einem Augenschein zu verbinden ist.

(5) Die Einleitung eines Enteignungsverfahrens, das sich auf verbücherte Grundstücke oder verbücherte Rechte bezieht, ist durch die Landesregierung dem Grundbuchsgericht bekannt zu geben. Das Grundbuchsgericht hat die Einleitung des Enteignungsverfahrens anzumerken. Die Anmerkung hat zur Folge, dass der Enteignungsbescheid gegen jedermann rechtswirksam wird, zu dessen Gunsten im Range nach der Anmerkung ein bücherliches Recht eingetragen wird. ...

..."

14 Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Notwendigkeit der Enteignung entgegen der ständigen Rechtsprechung seinem Mitspracherecht entzogen sei. Dadurch, dass ihm eine Parteistellung und damit ein Mitspracherecht betreffend die Notwendigkeit der Enteignung seines Eigentums verwehrt werde, sei der angefochtene Bescheid mit wesentlichen Verfahrensfehlern und Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet. Darüber hinaus sei eine Enteignung gemäß § 44 Abs. 1 StrG nur zulässig, wenn eine andere unter dem Gesichtspunkt des Verkehrs, der Wirtschaftlichkeit und des Landschaftsschutzes zweckmäßigere Führung oder Erhaltung der Straße nicht möglich sei. In den Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit der Enteignung gehöre nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts auch die Feststellung, ob nicht anstelle der dauernden Inanspruchnahme eine vorübergehende oder anstelle des Entzuges des Eigentumsrechtes dessen Beschränkung als die gelindere Maßnahme ausreichend sei. Darauf sei jedoch nur dann einzugehen, wenn vom zu Enteignenden ein bestimmtes Vorbringen in tatsächlicher Hinsicht erstattet worden sei, aus dem geschlossen werden könne, dass aus bestimmten Gründen im konkreten Fall mit einer eingeschränkten Grundinanspruchnahme das Auslangen gefunden werden könne (Hinweis auf VwSlgNF 7232A/1967). Der Beschwerdeführer habe während der mündlichen Verhandlung die Einräumung einer unwiderruflichen Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens für Fußgänger und Radfahrer (bereits bestehend) als auch für Lkws, welche zu Liegenschaften an der Gemeindestraße "A" zuführen bzw. diese belieferten, sowie für Einsatzfahrzeuge auf Teilflächen der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft angeboten. Dieses Anbot sei in jenem Umfang der Dienstbarkeitstrasse erfolgt, wie dies nunmehr durch Eigentumserwerb begehrt werde. Eine Überprüfung, ob es sich bei diesem Anbot nicht um ein ausreichendes gelinderes Mittel im Sinne des § 43 Abs. 1 StrG ("andere dingliche Rechte") handle, habe zu keinem Zeitpunkt stattgefunden, obwohl das StrG auch die Möglichkeit der Enteignung an anderen dinglichen Rechten vorsehe und nicht nur durch Erwerb des Eigentums an Grundstücken. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei die durchgeführte Enteignung daher unverhältnismäßig. Dies umso mehr, als der Antrag auf Enteignung von der mitbeteiligten Marktgemeinde ausschließlich damit begründet worden sei, dass der Straßenzug in der jetzigen Form nicht den Anforderungen für die Erschließung durch öffentliche Dienste (Hervorhebung im Original) entspreche. Durch diesen Umstand würden sich lange Fahrwege, z.B. für das Müllfahrzeug, ergeben. Durch die angebotene Dienstbarkeitsrechtseinräumung würde den im Antrag von der mitbeteiligten Marktgemeinde angeführten Argumenten ausdrücklich Rechnung getragen. Dies ergebe sich insbesondere auch aus den Ausführungen des beigezogenen verkehrstechnischen Sachverständigen. Ebenso nicht nachvollziehbar sei, weshalb die Problematik der Erschließung für Müllfahrzeuge gerade im verfahrensgegenständlichen Fall aufgeworfen werde, obwohl mehr als 200 Stichstraßen in ähnlicher Breite in der mitbeteiligten Marktgemeinde vorhanden seien. (Es folgen weitere Ausführungen zur angebotenen Dienstbarkeitseinräumung).

15 Bereits mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

16 Der Beschwerdeführer wurde im angefochtenen Bescheid, gestützt auf § 43 StrG, enteignet. Im Verfahren über die Erklärung der vorwiegend für den Verkehr innerhalb des Gemeindegebietes notwendigen Straßen als Gemeindestraßen (§ 9 Abs. 2 erster Satz iVm Abs. 4 erster Satz leg. cit.) kommen ihm keine subjektivöffentlichen Rechte zu. Mangels eines gesonderten Bewilligungsverfahrens unter Beiziehung der Betroffenen hat der Beschwerdeführer als Enteigneter somit die Möglichkeit, im Enteignungsverfahren seine Einwendungen gegen die Notwendigkeit und die Zweckmäßigkeit der Straßenführung geltend zu machen (vgl. insoweit das zum Kärntner Landesstraßengesetz ergangene hg. Erkenntnis vom , 2006/05/0138, mwN).

17 Nach Art. 5 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder, RGBl. Nr. 142/1867, ist das Eigentum unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt. Eine weitere Garantie des Eigentumsschutzes im Verfassungsrang enthält Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK, BGBl. Nr. 210/1958.

18 § 43 Abs. 1 StrG enthält eine spezielle gesetzliche Ermächtigung im Sinne der genannten Verfassungsbestimmungen, die eine Enteignung für die darin genannten Fälle ermöglicht. Nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist eine Enteignung jedoch nur dann rechtmäßig, wenn sie im öffentlichen Interesse notwendig ist. Als notwendig ist eine Enteignung anzusehen, wenn ein konkreter Bedarf vorliegt, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt, wenn das Objekt der Enteignung geeignet ist, diesen Bedarf unmittelbar zu decken, und wenn es unmöglich ist, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken. Die innere Rechtfertigung des in der Enteignung liegenden Eingriffs in das grundsätzlich als unverletzlich geschützte Eigentum liegt darin, dass die Erfüllung bestimmter, dem allgemeinen Besten - dem öffentlichen Interesse, dem öffentlichen Wohl - dienender und als solche gesetzlich festgelegter Aufgaben nur unter der Voraussetzung möglich ist, dass eine Sache dem Eigentümer entzogen und auf die öffentliche Hand übertragen wird. Das Institut der Enteignung führt zwangsläufig zu einer Vermögensverschiebung, diese ist jedoch nicht der Zweck der Enteignung; die Enteignung hat von ihrer Anlage her nicht die Beschaffung von Vermögenswerten durch die öffentliche Hand zum Gegenstand (vgl. das vorzitierte Erkenntnis vom , mwN).

19 Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze ist für den Verwaltungsgerichtshof auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse die Notwendigkeit der Straßenführung in dem durch den angefochtenen Bescheid bewilligten Ausmaß, die zu der ausgesprochenen Enteignung des Beschwerdeführers führt, nicht zu erkennen:

Im Beschwerdefall geht es um die Verlängerung einer Gemeindestraße, die derzeit eine Stichstraße darstellt, sodass eine lückenlose Anbindung an eine weitere Gemeindestraße geschaffen wird. Die belangte Behörde geht selbst davon aus, dass durch den Lückenschluss keine neuen Grundstücke erschlossen werden, die nicht bereits jetzt durch Gemeinde- oder Privatstraßen erreicht werden können.

Damit ist allerdings das Notwendigkeitskriterium in § 9 Abs. 2 zweiter und dritter Satz StrG nicht erfüllt, wonach

"notwendig ... diejenigen Straßen (sind), durch die ganzjährig

bewohnte Siedlungen mit mindestens 100 Einwohnern erschlossen werden. Eine Notwendigkeit liegt nicht vor, wenn von anderer Seite für eine solche Verkehrsverbindung Vorsorge getroffen wird."

20 Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid (wegen des untrennbaren Zusammenhangs der übrigen Spruchpunkte zur Gänze) mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

21 Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

22 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).

Wien, am

Fundstelle(n):
AAAAE-80270