VwGH vom 22.09.2011, 2010/18/0225
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des S S in W, vertreten durch Dr. Walter Rosenkranz, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Graf-Starhemberg-Gasse 6/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/495.381/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer am die österreichische Staatsbürgerin F S. geheiratet und - auf diese Ehe gestützt - eine Niederlassungsbewilligung beantragt habe, die ihm auch erteilt worden sei. Danach habe sich herausgestellt, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers in erster Ehe seit 1992 mit dessen Bruder verheiratet gewesen sei und aus dieser Ehe zwei Kinder stammten. Sowohl der Beschwerdeführer als auch F S. hätten sich erst kurz vor ihrer Eheschließung scheiden lassen; der Beschwerdeführer sei für seine drei Kinder aus erster Ehe obsorgeberechtigt, während F S. die Obsorge hinsichtlich ihrer beiden Kinder mit ihrem geschiedenen Ehemann Q S. - dem Bruder des Beschwerdeführers - gemeinsam zukomme.
In der Folge seien mehrere Hauserhebungen sowohl an der vermeintlichen Wohnanschrift des Ehepaares in der B. Lände als auch an jener von Q S. durchgeführt und zahlreiche Wohnungsnachbarinnen und -nachbarn befragt worden. Dabei habe sich - im angefochtenen Bescheid näher dargestellt - ergeben, dass der Beschwerdeführer allein wohne und F S. in der Wohnanlage in der B. Lände unbekannt sei (laut Aussage von G. sowie des Ehepaares P. am und am sowie deren Vernehmungen als Zeugen am ). An der Wohnadresse von Q S. hätten am E S. und R K., am C C. und G M.- M. und am O S. jeweils ausgesagt, dass F S. dort mit ihrem geschiedenen Ehemann und den gemeinsamen Kindern wohne bzw. mit dem Einkaufswagen nach Hause kommend gesehen worden sei. Laut Aussage von G F. am habe F S. bis vor einigen Monaten öfters dort verkehrt, nunmehr wohne seiner Beobachtung nach nur noch "der Mann mit den beiden Söhnen in der Wohnung".
Der Beschwerdeführer habe - ebenso wie F S. bei ihrer Vernehmung am - wiederholt das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten und betont, mit seiner Ehefrau eine Wohn- , Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft zu führen. Als Zeugen dafür, dass er mit seiner Ehefrau zusammenwohne, könne er mehrere Nachbarn anführen, von denen ihm nur K. namentlich bekannt sei. Diese habe seiner Ehefrau zu Weihnachten u.a. eine Flasche Wein geschenkt.
Einem Erhebungsbericht der Erstbehörde vom zufolge kenne K., die Hausbesorgerin in der B. Lände, F S., sie habe dieser jedoch nie eine Flasche Wein geschenkt, sondern vielmehr habe diese ihr eine Flasche Wein geschenkt; F S. komme mit Reisekoffern in die Waschküche der Anlage. Da jedoch die Wohnung von Q S. - so die belangte Behörde - nur ca. zwei Gehminuten entfernt liege, bestehe der Verdacht, dass F S. die Wäsche ihrer zwei Kinder und ihres geschiedenen Ehemannes in den Koffern in die Waschküche der Anlage bringe. "Um eine gewisse Aufmerksamkeit bei der Hausbesorgerin zu erregen, habe sie dieser bei Gelegenheit eine Flasche Wein geschenkt."
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass angesichts der nachvollziehbaren und glaubwürdigen Aussagen der Zeugen und der Erhebungen feststehe, der Beschwerdeführer habe die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, ohne mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Die Angaben des Beschwerdeführers seien als bloße Schutzbehauptungen zu werten. Es bestehe nämlich kein Anlass, an der Richtigkeit der Zeugenaussagen zu zweifeln. Diese könnten weder aus dem Fortbestand der Ehe noch aus einer allfälligen Scheidung bzw. Nichtigerklärung Nutzen ziehen. Der Beschwerdeführer seinerseits habe jedoch ein massives Interesse, das Eingehen einer Aufenthaltsehe zu dementieren, weil ihm diese das weitere Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet sowie den freien Zugang zum Arbeitsmarkt sichere. Auch die vom Beschwerdeführer namhaft gemachte Zeugin habe ein gemeinsames Ehe- und Familienleben nicht bestätigen können. Ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe sei der Umstand, dass sich sowohl der Beschwerdeführer als auch F S. nur wenige Tage vor ihrer Hochzeit von ihren jeweiligen Ehepartnern hätten scheiden lassen, und der geschiedene Ehemann von F S. der Bruder des Beschwerdeführers sei.
Vor diesem Hintergrund erscheine die Annahme der Erstbehörde, dass ein gemeinsames Ehe- und Familienleben nur inszeniert worden sei, lebensnah und nachvollziehbar. Dabei werde nicht übersehen, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau bei ihren Vernehmungen auch gleichlautende Angaben gemacht hätten; es liege jedoch "im Wesen einer Aufenthaltsehe", durch derartige Angaben ein gemeinsames Ehe- und Familienleben wahrheitswidrig glaubhaft zu machen.
In rechtlicher Hinsicht sah die belangte Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG als erfüllt und die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 60 Abs. 1 (gemeint wohl: § 86 Abs. 1) FPG als gegeben.
In weiterer Folge beurteilte die belangte Behörde die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele für dringend geboten und somit zulässig im Sinn des § 66 FPG.
II.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe und bringt dazu im Wesentlichen vor, er und seine Ehefrau hätten dies immer bestritten. Die belangte Behörde habe keine eigenen Ermittlungen durchgeführt, sich nicht nachvollziehbar mit den Fakten auseinandergesetzt und ihre Beweiswürdigung nicht nachvollziehbar begründet. Wenn die belangte Behörde "nicht an der Richtigkeit der Zeugenaussagen" zweifle, meine sie offensichtlich die durchgeführten Erhebungen, weil sich im gesamten Akt keine einzige Zeugenaussage im Sinn des AVG finde. Sie habe allen im Rahmen der Erhebungen gemachten Aussagen die Richtigkeit beigemessen, auch wenn diese widersprüchlich seien. Insbesondere habe G F. (am ) angegeben, "seit Monaten meine Ehefrau nicht an der Adresse des Exmannes gesehen zu haben". Auch die Aussage der Hausbesorgerin K. sei nicht gewürdigt worden. F S. sei gemeinsam mit ihrem geschiedenen Ehemann für die beiden Kinder obsorgeberechtigt und kümmere sich um diese. Daher sei es glaubwürdig, wenn sie in dessen Wohnung gesehen werde. Weder der Umstand, dass seine Ehefrau um 16 Jahre jünger sei, um 21.45 Uhr in "Straßenkleidern samt Pullover" angetroffen worden sei, noch, dass die Ermittlungsbeamten ein "unterkühltes" Verhältnis zwischen den Eheleuten festgestellt hätten, sei als Beweis für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe geeignet. Die belangte Behörde hätte auch Ermittlungen zur Arbeitszeit seiner Ehefrau durchführen müssen, woraus erklärbar wäre, warum sie untertags nicht anzutreffen und bei den Nachbarn nicht bekannt sei sowie um
21.45 Uhr in der Wohnung noch die "Straßenkleider" angehabt habe.
Damit gelingt es der Beschwerde jedoch nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen.
Zunächst ist festzuhalten, dass G H. und das Ehepaar P. (alle am ) sowie F S. (am ) sehr wohl (von der Behörde erster Instanz) als Zeugen unter Hinweis auf ihre Wahrheitspflicht und die Möglichkeit der Aussageverweigerung vernommen wurden. Insofern erweist sich das Beschwerdevorbringen, "im gesamten Akt" befinde sich keine einzige Zeugenaussage im Sinn des AVG, als aktenfremd.
Die belangte Behörde stützt ihre Beweiswürdigung jedoch nicht ausschließlich auf die von ihr als nachvollziehbar und glaubwürdig beurteilten Aussagen der Zeugen, sondern auch auf die Ergebnisse der Erhebungen. Im Rahmen dessen durfte sie auch die Aussagen der übrigen Auskunftspersonen ihrer Beweiswürdigung zu Grunde legen. Demnach haben am zwei Nachbarinnen an der Adresse von Q S. bestätigt, dass F S. mit ihrem geschiedenen Ehemann und den beiden gemeinsamen Kindern dort wohne; auch die Aussagen von zwei weiteren Nachbarinnen am stehen damit im Einklang. Ferner sagten am zwei Nachbarn und eine Nachbarin an der Adresse des Beschwerdeführers aus, dass dieser allein wohne. Diese Aussagen wurden von diesen am auch im Rahmen einer Zeugenvernehmung und am neuerlich bei Erhebungen bestätigt. An diesem Tag hat auch eine weitere Nachbarin, O S., das Zusammenleben von F S. und Q S. mit den gemeinsamen Kindern bestätigt. Diese Vielzahl an übereinstimmenden Aussagen von Nachbarinnen und Nachbarn an beiden Wohnadressen ist weder damit erklärbar, dass sich F S. um ihre bei Q S. wohnenden Kinder kümmere und daher oft in dessen Wohnung gesehen werde, noch kann deren Unbekanntheit an der Wohnadresse des Beschwerdeführers durch ihre ständige berufsbedingte Abwesenheit nachvollziehbar begründet werden. Daran vermag auch die Aussage von G F. am , wonach bis vor einigen Monaten F S. öfters in der Wohnung von Q S. gesehen worden sei, seiner Beobachtung nach nun aber nur mehr der Mann mit den beiden Söhnen in der Wohnung wohne, nichts zu ändern.
Als einzige Zeugin dafür, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau gemeinsam in der Wohnung in der B Lände wohne, macht er die Hausbesorgerin K. namhaft. Diese hat jedoch nur ausgesagt, dass F S. die Waschküche benutze und mit Reisekoffern dorthin komme. Da die Wohnung von Q S. - unbestritten - nur zwei Gehminuten von der Wohnung des Beschwerdeführers entfernt liegt, ist dieser Umstand nicht geeignet, ein gemeinsames Familienleben mit dem Beschwerdeführer glaubhaft zu machen. Im Übrigen hat die Hausbesorgerin auch die Aussage des Beschwerdeführers, wonach diese F S. zu Weihnachten eine Flasche Wein geschenkt habe, insofern korrigiert, als die Hausbesorgerin von F S. die Weinflasche erhalten habe.
Eine Vernehmung von Q S. und S F. wurde im Übrigen während des Verwaltungsverfahrens nicht beantragt und die Relevanz deren Zeugenaussagen für das Verfahrensergebnis in der Beschwerde auch nicht dargelegt.
Der Beschwerdeführer zeigt kein konkretes Verhalten, keine konkrete Begebenheit und keinen konkreten Umstand auf, die das Vorliegen eines Familienlebens im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK belegen könnten, sondern bringt nur allgemeine Argumente - etwa, dass eine Heirat der geschiedenen Ehefrau des Bruders unmittelbar nach der Scheidung sowie ein gemeinsamer Wohnsitz der Eheleute und eine Sorge für die Kinder auch nach der Scheidung der allgemeinen Lebenserfahrung entspreche - vor, die aus seiner Sicht für das Vorliegen einer "echten" Ehe sprächen. In einer Gesamtschau ist das Beschwerdevorbringen daher nicht geeignet, die Erwägungen der belangten Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung - dabei hat sie sich im Übrigen nicht auf die Aussage des minderjährigen Sohnes von F S. am gestützt - hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe in Zweifel zu ziehen. Diese begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis keinen Bedenken.
Auf Basis der getroffenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zwar die Ehe mit F geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben nie geführt hat. Die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme erweist sich daher als gerechtfertigt. Dem Umstand, dass die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides - was in der Beschwerde nicht gerügt wurde - das Verhalten des Beschwerdeführers lediglich nach § 60 Abs. 1 FPG und nicht nach § 86 Abs. 1 leg. cit. beurteilt hat, kommt für den Ausgang des Verfahrens keine ausschlaggebende Bedeutung zu, stellt doch das Eingehen einer Aufenthaltsehe nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch eine Gefährdung im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0949, mwN).
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
FAAAE-80264