VwGH vom 05.04.2011, 2008/16/0125
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2008/16/0106 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der H Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Marktstraße 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. ZRV/0129- Z 3K/07, betreffend Ausfuhrerstattung und Sanktion, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendung in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Gesellschaft mbH (Beschwerdeführerin) ist Rechtsnachfolgerin der K. D. Co.
Die K. D. Co meldete am Glucosesirup zur Ausfuhr an und beantragte dafür eine Ausfuhrerstattung. Die Ausfuhranmeldung wurde am selben Tag vom (damaligen) Zollamt Wolfurt angenommen.
Das (damalige) Zollamt Salzburg/Erstattungen gewährte mit Bescheid vom die beantragte Ausfuhrerstattung.
Mit Bescheid vom forderte das Zollamt Salzburg/Erstattungen von der K. D. Co die gewährte Ausfuhrerstattung zurück und verhängte eine Sanktion nach Art. 11 Abs. 1 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission. Der bei der Produktion der ausgeführten Ware verarbeitete Mais sei von der Landwirtin G. S. zugekauft worden und habe sich nicht im freien Verkehr befunden, sondern sei unrechtmäßig aus Ungarn eingeführt worden.
Dagegen berief die K. D. Co mit der Begründung, der Großteil des angelieferten Maises dürfte von den Feldern der Lieferantin im Burgenland stammen und sich schon deshalb im freien Verkehr befunden haben. Sollte ein Teil des angelieferten Maises aus Ungarn importiert worden sein, handle es sich offensichtlich um nach den maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen importierte Ware, die sich damit ebenfalls im freien Verkehr befunden habe. Überdies sei die Rückforderung der Ausfuhrerstattung und die Verhängung der Sanktion verjährt.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Zollamt Salzburg/Erstattungen die Berufung als unbegründet ab. Der in Rede stehende, von G. S. angekaufte Mais sei widerrechtlich in das Gebiet der Gemeinschaft eingeführt worden und habe sich folglich nicht im freien Verkehr befunden.
In der dagegen erhobenen (Administrativ )Beschwerde wiederholte die Beschwerdeführerin ihr Berufungsvorbringen.
Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde das Zollamt Wien (welches seinerzeit die Erhebungen bei G.S. vorgenommen hatte) um Antwort u.a. auf die Fragen, in welcher Form der betreffende Mais bei der Einfuhr aus Ungarn angemeldet worden sei (schriftlich, mündlich oder durch eine Willensäußerung im Sinne des Art. 233 ZK-DVO), ob es diesbezüglich Unterschiede zwischen Einfuhren mit Lkw und Einfuhren mit der Bahn gegeben habe und ob der in Rede stehende Mais aus Sicht des Zollamtes tatsächlich in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sei.
Mit Schreiben vom antwortete das Zollamt, in dem gegen den Ehegatten der G. S. geführten Finanzstrafverfahren sei u. a. festgestellt worden, dass dieser im Zeitraum vom bis zum in rund 700 Angriffen vorsätzlich eine Verkürzung von Eingangsabgaben bewirkt habe, indem bei der Einfuhr von rund 17.500 t Mais und 566 t Gerste beim jeweiligen abfertigenden Zollamt durch die Vorlage von Scheinpachtverträgen das Vorliegen der Voraussetzungen der Eingangsabgabenbefreiung nach der Zollbefreiungsverordnung vorgetäuscht worden sei. Von den Grenzzollämtern seien bei den jeweiligen Einfuhren sowohl Menge als auch Warenart erfasst worden. Dies sei auf Grund der mündlichen Bekanntgabe durch den Vertreter von G. S., abgabenfreie Waren mitzuführen, erfolgt. Aus Sicht des Zollamtes bestünden keine Unterschiede zwischen Einbringungen mittels Lkw und Bahn. Das Zollamt Wien sei zum Zeitpunkt der Abgabenvorschreibung an G.S. davon ausgegangen, dass die Einfuhr des in Rede stehenden Maises zu Unrecht unter Inanspruchnahme der Befreiungsbestimmung des Art. 39 der Zollbefreiungsverordnung erfolgt sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die (Administrativ )Beschwerde als unbegründet ab. Im Beschwerdefall sei die Erstattung für Glucosesirup gewährt worden, welcher in der Gemeinschaft aus Mais hergestellt worden sei. Dieser Mais sei von G. S., S, zugekauft worden und stamme aus Ungarn. G. S. habe den Zollbehörden gegenüber behauptet, den Mais auf Grundstücken in Ungarn in unmittelbarer Nähe des Zollgebiets der Gemeinschaft erwirtschaftet zu haben, weshalb auf diesen Mais eine Befreiung nach Kapitel 1 Titel IX und X der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 zutreffe. Für Waren, die gemäß Kapitel 1 Titel IX und X der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 abgabenfrei seien, könne - so die belangte Behörde weiter - eine mündliche Zollanmeldung oder eine Zollanmeldung durch eine Willensäußerung im Sinne des Art. 233 ZK-DVO abgegeben werden. G. S. habe keinen Nachweis oder glaubhaften Hinweis dafür erbringen können, dass auf den aus Ungarn eingeführten Mais eine Abgabenbefreiung nach der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 anzuwenden gewesen wäre. Daher sei für den Mais weder die Abgabe einer mündlichen Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr noch eine Zollanmeldung durch eine andere Form der Willensäußerung zulässig gewesen. Zusammenfassend sei somit festzustellen, dass der durch die K. D. Co zugekaufte Mais nicht ordnungsgemäß unter Beachtung der Zollvorschriften in den freien Verkehr übergeführt worden sei. Da begründete Zweifel daran bestünden, dass es sich bei dem in Rede stehenden ausgeführten Erzeugnis um eine Gemeinschaftsware handle, und da der Erstattungsanspruch vom Begünstigten nicht entsprechend habe nachgewiesen werden können, sei die Erstattung zu Unrecht gewährt worden und mit Bescheid zurückzufordern gewesen. Der Ausführer, der wegen Nichterfüllung von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission keinen Erstattungsanspruch habe, unterliege einer Sanktion nach Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin ersichtlich im Recht verletzt erachtet, nicht zur Rückzahlung einer Ausfuhrerstattung und zur Zahlung einer Sanktion verpflichtet zu werden.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit Art. 54 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, ABlEG Nr. L 102 vom , S. 11, wurde die Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 aufgehoben. Sie gilt nach dieser Bestimmung jedoch weiterhin u.a. für Ausfuhren, für welche die Ausfuhranmeldung vor dem Datum der Anwendbarkeit der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission (somit vor dem - Art. 55 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission) angenommen worden ist.
Da die in Rede stehende Ausfuhranmeldung am angenommen worden ist, ist im Beschwerdefall sohin noch die Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, ABlEG Nr. L 351 vom , S. 1, (im Folgenden: ErstattungsVO) anzuwenden.
Nach Art. 8 Abs. 1 der ErstattungsVO wurde eine Ausfuhrerstattung nur für Erzeugnisse gewährt, die den Bedingungen von Art. 9 Abs. 2 des EWG-Vertrags entsprach.
Im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/16/0193, hat der Verwaltungsgerichtshof mit näherer Begründung dargelegt, dass es dabei darauf ankommt, ob sich die in Rede stehende Ware, sollte sie aus einem Drittland stammen, im zollrechtlich freien Verkehr befunden hat, und dass mit der Überlassung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr die Voraussetzung für den Statuswechsel von der Nichtgemeinschaftsware zur Gemeinschaftsware als erfüllt angesehen werden kann, unbeschadet des Umstandes, dass gegebenenfalls die entstandene Zollschuld noch nicht in der tatsächlich geschuldeten Höhe buchmäßig erfasst und entrichtet wird.
Art. 73 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Zollkodex - ZK), ABlEG Nr. L 302 vom , lautet:
"Art. 73 (1) Sofern für die Waren keine Verbote oder Beschränkungen gelten, werden sie von den Zollbehörden unbeschadet des Art. 74 dem Anmelder überlassen, sobald die Angaben in der Anmeldung entweder überprüft oder ohne Überprüfung angenommen worden sind."
Bei der Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr (Art. 79 Abs. 1 ZK) gehören die Abgabe und die Annahme der Zollanmeldung und die Überlassung zu den Förmlichkeiten, die für den Statuswechsel der Waren erforderlich sind (vgl. Henke in Witte , Zollkodex5, Rz 6 zu Art. 73). Die Überlassung der Ware ist als eine der für die ordnungsgemäße Überführung einer eingeführten Ware in den zollrechtlich freien Verkehr erforderliche Förmlichkeit zu betrachten, weil ihr Zweck gemäß Art. 79 Abs. 1 ZK darin besteht, einer Nichtgemeinschaftsware den Status einer Gemeinschaftsware zu verleihen (vgl. das (D. Wandel GmbH)).
Nach Art. 225 Buchstabe d der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 253 vom , (Zollkodex-Durchführungsverordnung - ZK-DVO) können Zollanmeldungen zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr für Waren im Sinne von Artikel 230 Buchstabe b) und c) abgegeben werden.
Nach Art. 230 Buchstabe b) ZK-DVO können Zollanmeldungen zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr für Waren, die gemäß Kapitel 1 Titel IX und X der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates abgabenfrei sind, durch eine Willensäußerung im Sinne des Art. 233 abgegeben werden, sofern sie nicht ausdrücklich angemeldet werden.
Sind die Voraussetzungen der Art. 230 bis 232 erfüllt, so gelten gemäß Art. 234 Abs. 1 ZK-DVO die betreffenden Waren als im Sinne des Art. 63 des Zollkodex gestellt, die Zollanmeldung als angenommen und die Waren als überlassen, sobald die Willensäußerung im Sinn des Art. 233 erfolgt ist. Ergibt sich bei einer Kontrolle, dass die Willensäußerung im Sinn des Art. 233 erfolgt ist, ohne dass die verbrachten Waren die Voraussetzungen u. a. des Art. 230 erfüllen, so gelten diese Waren gemäß Art. 234 Abs. 2 ZK-DVO als vorschriftswidrig verbracht.
Wird daher eine Ware ins Zollgebiet verbracht und erfolgt dabei die Willensäußerung im Sinn des Art. 233 ZK-DVO, ohne dass die in Art. 230 ZK-DVO festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind, so treten die Wirkungen einer solchen Zollanmeldung, nämlich die Fiktion der Annahme der Zollanmeldung und der Überlassung der Waren in ein Zollverfahren (im Fall des Art. 230 ZK-DVO: Überlassung in den zollrechtlich freien Verkehr) nicht ein. Eine solche dennoch in das Zollgebiet verbrachte Ware wird dadurch nicht zur Gemeinschaftsware.
Wird demgegenüber für eine Ware eine mündliche Zollanmeldung abgegeben, und wird auf Grund dieser mündlichen Zollanmeldung ohne Überprüfung der Angaben diese Anmeldung angenommen und die Ware in den zollrechtlich freien Verkehr überlassen, obwohl die mündliche Zollanmeldung nach Art. 225 ZK-DVO nicht zulässig gewesen wäre, so wird die Ware mit der Überlassung dennoch - unbeschadet einer nach Art. 201 ZK entstandenen und nach Art. 220 ZK allenfalls nachträglich buchmäßig zu erfassenden Zollschuld - zur Gemeinschaftsware.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt als ergänzungsbedürftig.
Im Beschwerdefall ist es entscheidungswesentlich, ob der in Rede stehende Mais iSd Art. 73 ZK in den zollrechtlich freien Verkehr überlassen wurde.
Die belangte Behörde geht davon aus, dass für den in Rede stehenden Mais keine Zollbefreiung nach Kapitel 1 Titel IX und X der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates zu gewähren sei, und stellte fest, dass eine schriftliche Zollanmeldung nicht abgegeben worden ist.
Die belangte Behörde lässt aber offen, ob eine mündliche Zollanmeldung (zu Unrecht) abgegeben worden ist (und der in Rede stehende Mais demnach - zu Unrecht - in den zollrechtlich freien Verkehr überlassen worden ist, somit zur Gemeinschaftsware geworden ist), oder ob lediglich eine Willensäußerung im Sinne des Art. 233 ZK-DVO gesetzt worden ist, was zur Folge gehabt hätte, dass der in Rede stehende Mais nicht in den zollrechtlich freien Verkehr überlassen worden wäre und sohin nicht Gemeinschaftsware geworden wäre.
Damit fehlen aber für die von der belangten Behörde gezogenen rechtlichen Folgerungen, der in Rede stehende Mais sei nicht in den freien Verkehr übergeführt worden und habe den Status einer Nichtgemeinschaftsware gehabt, die erforderlichen Feststellungen des Sachverhalts.
Soweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerde vorträgt, bei dem in Rede stehenden Mais handle es sich - sofern er nicht von Feldern der G. S. im Burgenland stamme - um nach den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen "importierte" Ware, für die nach den maßgeblichen Bestimmungen eine Abgabenbefreiung bestanden habe, bei deren Einfuhr die Zollanmeldung in rechtlich zulässiger Form (mündliche Zollanmeldung) abgegeben worden sei und die sich damit im freien Verkehr befunden habe, kann sie sich dabei zT auf das Schreiben des Zollamtes Wien vom berufen, in welchem das Zollamt ausführt, von den Grenzzollämtern seien bei den jeweiligen Einfuhren sowohl Menge als auch Warenart erfasst worden und dies sei auf Grund der mündlichen Bekanntgabe durch Vertreter von G. S., abgabenfreie Waren mitzuführen, erfolgt.
Die belangte Behörde wendet in der Gegenschrift ein, der seinerzeitige Bedienstete des Zollamtes Wien, der an der Prüfung bei G. S. mitgewirkt habe, habe bei einer fernmündlichen Auskunft vom bestätigt, dass bei der Einbringung des Maises ins Zollgebiet eine "Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr … durch eine andere Handlung im Sinn des Art. 61 Buchstabe c ZK" abgegeben worden sei. Die einem angefochtenen Bescheid fehlende Begründung (§ 85c Abs. 8 ZollR-DG iVm § 288 Abs. 1 lit. d BAO) kann allerdings in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/13/0093, und vom , Zl. 2004/13/0106).
Auf die Ausführungen in der Beschwerde und im angefochtenen Bescheid betreffend Verjährung des von der belangten Behörde im Instanzenzug geltend gemachten Anspruches brauchte dabei nicht näher eingegangen werden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am