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VwGH vom 11.03.2010, 2008/16/0105

VwGH vom 11.03.2010, 2008/16/0105

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der Republik Österreich (Österreichische Bundesforste) vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Präsidenten des LG Klagenfurt vom , GZ. 1 Jv 706/08k-33-6, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenersatzbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Republik Österreich erhob mit dem am beim LG Klagenfurt eingelangten und dort zur Zl. X protokollierten Schriftsatz Klage gegen zwei beklagte Parteien einerseits auf Feststellung des Eigentums der klagenden Partei an bestimmten, in der Klage näher bezeichneten Flächen sowie auf Räumung dieser Flächen durch die Beklagten. Das Feststellungsbegehren bewertete die Beschwerdeführerin mit ATS 7,000.000,--, das Räumungsbegehren mit ATS 1,000.000,--. Hinsichtlich der Gerichtsgebühren findet sich auf der Klagsschrift der handschriftliche Vermerk "befreit".

In der mündlichen Verhandlung vom schlossen die Streitteile einen Vergleich (aufgeteilt in zwei "Teilvergleiche"), der zufolge Nichtausübung eines Widerrufsrechtes durch die klagende Partei (schriftliche Erklärung vom ) rechtswirksam wurde und der auszugsweise folgenden Inhalt hat:

" 1. Teilvergleich:

1.) Die Grenze zwischen dem Grundstück Nr. x GB S der erstbeklagten Partei und dem Grundstück Nr. y GB S der klagenden Partei wird mit der seeseitigen Grenze der in der Vermessungsurkunde von Dipl.Ing. H M vom , GZ. M3378/05, als Trennstück 1 im Kreis dargestellten Fläche festgesetzt und ist diese Grenze in den Grenzkataster aufzunehmen. Das Grundstück Nr. y GB S, wird demnach in dieses und in das Trennstück 1 im Kreis geteilt, das Trennstück 1 im Kreis vom Gutsbestand der Liegenschaft EZ z GB S abgeschrieben und mit dem Grundstück Nr. x, GB S, zugehörig zur Liegenschaft EZ xy, GB S, vereinigt. Die erstbeklagte Partei verpflichtet sich, den gegenständlichen 1. Vergleichsteil dem zuständigen Vermessungsamt anzuzeigen.

2.) Die Republik Österreich anerkennt sohin das Eigentum der erstbeklagten Partei an der in der genannten Vermessungsurkunde als Trennstück 1 im Kreis bezeichneten Flächen.

3.) Als vollständige Gegenleistung für das vorgenannte Anerkenntnis bezahlt die erstbeklagte Partei den Betrag von EUR 151.769,50,-- auf das Konto der Finanzprokuratur (PSK-Kto.Nr. 5500.017, BLZ.: 60000 ) binnen 2 Wochen ab Vergleichsabschluss; festgehalten wird, dass der angeführte Betrag einen Kostenbeitrag der erstbeklagten Partei in Höhe von EUR 6.425,50 für die angefallenen und zum überwiegenden Teil von der klagenden Partei getragenen Sachverständigengebühren beinhaltet. Hinsichtlich der übrigen Verfahrenskosten wird Kostenaufhebung vereinbart, wobei die erstbeklagte Partei weder Gerichts- noch Vergleichsgebühren dieses Rechtsstreits übernimmt.

...

2. Teilvergleich

1.) Die Grenze zwischen dem Grundstück Nr. xz GB S der zweitbeklagten Partei und dem Grundstück Nr. y GB S der klagenden Partei wird mit der seeseitigen Grenze der in der Vermessungsurkunde von Dipl.Ing. W S vom , GZ. 3359/06, als Trennstück 1 im Kreis dargestellten Fläche festgesetzt und ist diese Grenze in den Grenzkataster aufzunehmen. Das Grundstück Nr. y GB S, wird demnach in dieses und in das Trennstück 1 im Kreis geteilt, das Trennstück 1 im Kreis vom Gutsbestand der Liegenschaft EZ z GB S abgeschrieben und mit dem Grundstück Nr. xz, GB S, zugehörig zur Liegenschaft EZ xx, GB S, vereinigt. Die zweitbeklagte Partei verpflichtet sich, den gegenständlichen 2. Teilvergleich dem zuständigen Vermessungsamt anzuzeigen.

2.) Die Republik Österreich anerkennt sohin das Eigentum der zweitbeklagten Partei an der in der genannten Vermessungsurkunde als Trennstück 1 im Kreis bezeichneten Flächen.

3.) Als vollständige Gegenleistung für das vorgenannte Anerkenntnis zahlt die beklagte Partei den Betrag von EUR 238.909,20 auf das Konto der Finanzprokuratur (PSK-Kto.Nr. 5500.017, BLZ.: 60000 ) binnen 2 Wochen ab Vergleichsabschluss. Hinsichtlich der Verfahrenskosten wird Kostenaufhebung vereinbart, wobei die zweitbeklagte Partei weder Gerichts- noch Vergleichsgebühren dieses Rechtsstreites übernimmt."

Für diesen Vergleich forderte die Kostenbeamtin des LG Klagenfurt mit Zahlungsauftrag vom Pauschalgebühr nach TP 1 GGG iVm § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG an, wogegen die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Berichtigungsantrag stellte, in dem sie Gebührenfreiheit gem. § 10 Z. 1 GGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. 1999/I Nr. 106 geltend machte.

Die belangte Behörde gab dem Berichtigungsantrag mit der Begründung nicht statt, dass der "höherwertige" Vergleich vom nach dem maßgeblichen Stichtag der Übergangsbestimmungen der zitierten Novelle abgeschlossen worden sei. Es gebe keine "perpetuatio liberationis".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Gebührenbefreiung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Gerichts- und des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gem. § 2 Z. 1 lit. a GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage begründet.

§ 18 leg. cit. lautet auszugsweise:

"(1) Die Bemessungsgrundlage bleibt für das ganze Verfahren gleich.

(2) Hievon treten folgende Ausnahmen ein:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
...
2.
Wird der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert oder ist Gegenstand des Vergleiches eine Leistung, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, so ist die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen; die bereits entrichtete Pauschalgebühr ist einzurechnen ..."
§
10 Z. 1 GGG hatte bis zum auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Von der Zahlung der Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren sind befreit:
1.
der Bund ..."
Mit der Novelle BGBl.
I 1999 Nr. 106 erhielt diese Gesetzesstelle auszugsweise folgende Fassung:
10 (1) Der Bund, ... sind von der Zahlung der Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren mit Ausnahme der Pauschalgebühren im zivilgerichtlichen Verfahren und Exekutionsverfahren (Tarifposten 1-4), ... befreit."
Damit wurde insbesondere die bis dahin bestandene Gebührenfreiheit des Bundes für die Pauschalgebühren im zivilgerichtlichen Verfahren beseitigt.
Dazu bestimmte die zitierte Novelle in ihren Übergangsvorschriften Folgendes:
"Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen zu Artikel
XVII
1.
Die Z 4, 5 und 11 des Art. XVII treten mit in Kraft; im übrigen tritt Art. XVII mit in Kraft.
2.
Auf die Pauschalgebühren in zivilgerichtlichen Verfahren und Exekutionsverfahren (Tarifposten 1 bis 4), auf die Eintragungsgebühren für bücherliche Eintragungen im Rahmen eines Exekutionsverfahrens (Tarifposten 9 lit. b in Verbindung mit Anmerkung 3 zu Tarifposten 4) sowie auf die Eintragungsgebühren für Vormerkungen von Pfandrechten gemäß § 38 lit. c GBG 1955 ist § 10 GGG, wenn die Klage, der verfahrenseinleitende Antrag, die Rechtsmittelschrift, der Exekutionsantrag oder das Grundbuchsgesuch nach dem bei Gericht angebracht wird, in der Fassung dieses Bundesgesetzes, ansonsten aber in der bisher in Geltung gestandenen Fassung anzuwenden."
Aus der insoweit klaren Formulierung dieser Übergangsvorschrift ergibt sich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers nur zwei der für die Entstehung der Gebührenpflicht im Zivilprozess maßgebenden Umstände, nämlich einerseits die Überreichung der Klage und andererseits die Überreichung der Rechtsmittelschrift, je nach dem 30.
September 1999 (siehe dazu § 2 Z. 1 lit. a und c GGG) Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung der neuen Rechtslage sein sollten, nicht aber andere, dem Gesetz betreffend Zivilprozesse durchaus auch geläufige Entstehungstatbestände wie z.B. die im § 2 Z. 1 lit. b GGG genannte "Erweiterung des Klagebegehrens", der gemäß § 18 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. der Abschluss eines sog. höherwertigen Vergleiches gleichgestellt ist.
Daraus wiederum folgt aber die Richtigkeit des Beschwerdestandpunktes, wonach im vorliegenden Fall der Abschluss eines höherwertigen Vergleiches nicht zu einer Neuberechnung der Pauschalgebühr nach TP
1 GGG zu führen hat. Andernfalls hätte nämlich die hier anzuwendende Novelle insofern einen vom Gesetzgeber nicht gewollten Rückwirkungseffekt, als im Zuge der von § 18 Abs. 2 GGG angeordneten Neuberechnung der Pauschalgebühr keine Einrechnung der ursprünglich entrichteten Pauschalgebühr erfolgen könnte, weil eine solche ja zur Zeit der Klagseinbringung zufolge der damals bestandenen Befreiung gar nicht angefallen war. Dies würde im Ergebnis auf eine rückwirkende Vergebührung der seinerzeit gebührenfreien Klageserhebung hinauslaufen, was unbedingt zu vermeiden ist.
Da die von der belangten Behörde angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes anders gelagerte Fallkonstellationen betrafen, musste darauf nicht weiter eingegangen zu werden. Der angefochtene Bescheid war wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (§
42 Abs. 2 Z. 1 VwGG).
Zur Abweisung des Kostenbegehrens siehe die Entscheidungsgründe des hg.
Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2008/16/0114 sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/13/0228.
Wien, am 11.
März 2010