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VwGH vom 29.06.2010, 2010/18/0211

VwGH vom 29.06.2010, 2010/18/0211

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des V D in W, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/114173/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wir als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei zwar am legal nach Österreich eingereist, aber nach Gültigkeitsablauf des Besuchervisums (ab ) illegal im Bundesgebiet geblieben. Ein am gestellter Asylantrag sei am im Instanzenzug rechtskräftig abgewiesen worden. Er habe sich somit vor Stellung des Asylantrages und (jedenfalls) seit dessen Abweisung unrechtmäßig in Österreich aufgehalten.

Wegen des Eingehens einer Scheinehe, deren Abschluss der Beschwerdeführer am zugegeben habe, bestehe seit dem gegen ihn ein rechtskräftiges Rückkehrverbot.

Gemäß

§ 62 Abs. 1 letzter Satz FPG fehle dem Beschwerdeführer allein wegen des Rückkehrverbotes - unbeschadet des § 13 AsylG - das Aufenthaltsrecht.

Die Scheidung der Ehe sei am durch das Bezirksgericht M erfolgt. Die Angaben des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom , er sei nach wie vor mit seiner Ehegattin verheiratet, seien daher mehr als überraschend. Ein diesbezüglicher Nachweis - eine neuerliche Heirat könne nicht völlig ausgeschlossen werden - sei nicht vorgelegt worden.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Ausweisungsbescheid, in der von einer Ehe keine Rede mehr sei, betone der Beschwerdeführer, dass er seit vielen Jahren berufstätig sei, eine Unterkunft habe und krankenversichert sei.

Auf die im erstbehördlichen Schreiben vom an ihn gerichteten Fragen, deren Beantwortung eine Einschätzung seiner persönlichen bzw. privaten Verhältnisse ermöglichen hätte sollen, habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen nicht reagiert.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei der festgestellten Tatsache seines unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich nicht entgegengetreten.

Nach grundsätzlichen Ausführungen zu den Bestimmungen der §§ 53, 66 FPG und des Art. 8 Abs. 2 EMRK hielt die belangte Behörde fest, dass im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG insbesondere der insgesamt ca. achteinhalbjährige inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers zu berücksichtigen sei, der aber ca. acht Jahre lang nur durch eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG abgesichert gewesen und seit im Sinn des § 62 FPG unrechtmäßig sei. Seit ca. sieben Monaten bestehe nicht einmal mehr die "Duldung" des Aufenthaltes nach dem AsylG.

Der Beschwerdeführer könne auf kein in Österreich bestehendes Familienleben von Gewicht verweisen. Ein maßgeblicher Grad der Integration - etwa durch den Nachweis von erfolgreich abgeschlossenen Deutschkursen - sei nicht festzustellen bzw. nicht nachgewiesen. Bindungen zum Heimatstaat dürften noch bestehen, weil der Beschwerdeführer im Asylverfahren angegeben habe, dass dort seine Eltern und mehrere Geschwister aufhältig seien. Berufliche Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich seien feststellbar, aber spätestens seit illegal. Der Beschwerdeführer sei strafgerichtlich und verwaltungsstrafrechtlich unbescholten.

Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens sei gegenständlich von solchem Gewicht, dass die allenfalls vorhandenen gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet.

Der unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden in Österreich stelle eine starke Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Im vorliegenden Fall bestehe sogar ein rechtskräftiges Rückkehrverbot.

Hinsichtlich der beruflichen Bindungen des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 62 Abs. 1 FPG ein gegen einen Asylwerber verhängtes Rückkehrverbot als Entzug des Aufenthaltsrechtes gelte. Nach Erlassung eines rechtskräftigen Rückkehrverbotes halte sich ein Asylwerber - ungeachtet eines bestehenden faktischen Abschiebeschutzes - nicht berechtigt im Bundesgebiet auf, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben (vgl. auch § 33 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG).

Es hätten keine besondere Umstände, die eine für den Beschwerdeführer positive Ermessensübung durch die belangte Behörde zugelassen hätten, erkannt werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass ihm von dem Umstand, dass die Ehe angeblich am geschieden worden sei, nichts bekannt sei. Er gehe diesbezüglich davon aus, dass es sich um eine Verwechslung handle.

1.2. Zunächst ist festzuhalten, dass sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde ein Hinweis darauf ergibt, dass - sei die Ehe noch aufrecht oder nicht - die Ehegattin des Beschwerdeführers keine österreichische Staatsbürgerin ist. Ebenso wenig findet sich ein Anhaltspunkt dafür, dass die Ehegattin ihr gemeinschaftsrechtliches Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen hätte.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung geht der Verweis des § 87 FPG, dem zufolge für Familienangehörige von nicht gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern, Schweizern und Österreichern die Bestimmungen der §§ 85 Abs. 2 und 86 leg. cit. gelten, soweit er formal auch § 86 Abs. 2 leg. cit. umfasst, ins Leere, weil auf diesen Personenkreis von vornherein die das gemeinschaftliche Niederlassungsrecht deklarierenden Bestimmungen der §§ 51, 52 und 54 NAG keine Anwendung finden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0040, mwN).

Die belangte Behörde hat daher - von der Beschwerde unbekämpft - die Frage der Zulässigkeit der Ausweisung des Beschwerdeführers zutreffend gemäß § 53 Abs. 1 FPG beurteilt.

1.3. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass er nach dem Gültigkeitsablauf des Besuchervisums ab illegal im Bundesgebiet geblieben sei, sein am gestellter Asylantrag im Instanzenzug am rechtskräftig abgewiesen worden sei, seit dem gegen ihn ein rechtskräftiges Rückkehrverbot bestehe und er sich unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Auf dem Boden dieser Feststellungen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe am einen auf die §§ 43, 44 NAG gestützten Antrag auf Niederlassungsbewilligung gestellt, über den bislang nicht entschieden worden sei, führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung, weil nach ständiger hg. Rechtsprechung die Anhängigkeit eines Niederlassungsverfahrens die behördliche Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung nicht einschränkt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0078, mwN).

Schließlich wird auch mit den Beschwerdeausführungen, im November 2006 sei ein vom Beschwerdeführer eingebrachter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit dem Zweck "Familienangehöriger" mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass zu diesem Zeitpunkt das Asylverfahren noch anhängig gewesen und gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG die Anwendung dieses Gesetzes auf ihn ausgeschlossen wäre, zwischenzeitig sei jedoch erkannt worden, dass diese Bestimmung dem Gemeinschaftsrecht widerspreche und daher nicht anzuwenden gewesen wäre, kein das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG erfolgreich in Abrede stellendes Vorbringen erstattet.

2.1. Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid auch unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK bzw. des § 66 Abs. 1 und 2 FPG, verweist in diesem Zusammenhang auf seinen Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von achteinhalb Jahren und bringt vor, dass von ihm bislang keine Gefahr für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung oder das wirtschaftliche Wohl des Landes ausgegangen sei.

Er sei einer regelmäßigen und gesetzlich zulässigen Beschäftigung nachgegangen. Das Eingehen einer Scheinehe sei ihm unterstellt worden, er habe seine Ehegattin aus Sympathie und Zuneigung geheiratet, wonach ihm der Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet worden sei. Von dem Umstand der angeblich am erfolgten Scheidung von seiner Ehegattin sei ihm nichts bekannt.

Die belangte Behörde habe seinem nahezu achtjährigen legalen Aufenthalt in Österreich keine entsprechende Bedeutung zugemessen. Es sei unzulässig, die Berechtigung zum Aufenthalt deshalb abzuschwächen, weil es sich hiebei nur um eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gehandelt habe. Die belangte Behörde übersehe, dass er seit dem Jahr 2005, wenngleich zeitweise auch nur geringfügig, mit Ausnahme kurzer Unterbrechungen ständig erwerbstätig gewesen sei und er sich auf die Bescheinigung des AMS Wien habe stützten können, wonach er dem Personenkreis des § 3 Abs. 8 AuslBG zugehörig sei.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 FPG und des Art. 8 Abs. 2 EMRK hat die belangte Behörde den ca. achteinhalbjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers berücksichtigt. Entsprechend der ständigen hg. Rechtsprechung wird die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ableitbare Integration in ihrem Gewicht jedoch dadurch entscheidend gemindert, dass sein Aufenthalt ab dem von ihm am - somit erst einige Monate nach seiner illegalen Einreise - gestellten Asylantrag vorläufig berechtigt war und der Asylantrag am rechtskräftig abgewiesen wurde.

Die belangte Behörde hat zutreffend auch berücksichtigt, dass bereits am gegen den Beschwerdeführer ein rechtskräftiges Rückkehrverbot verhängt wurde, dessen Rechtsfolge gemäß § 62 Abs. 1 FPG der Entzug des Aufenthaltsrechts des Beschwerdeführers während seines anhängigen Asylverfahrens war. Es kam ihm in weiterer Folge somit für die Dauer des Asylverfahrens lediglich ein faktischer Abschiebeschutz zu.

Wenngleich der Beschwerdeführer ausführt, dass ihm vom Umstand der Ehescheidung nichts bekannt sei, ist die behördliche Beurteilung, dass der Beschwerdeführer in Österreich auf kein bestehendes Familienleben von Gewicht verweisen könne, deshalb nicht zu beanstanden, weil zum einen das genannte rechtskräftige Rückkehrverbot am wegen des Eingehens einer Scheinehe verhängt wurde und zum anderen auch in der Beschwerde ein bestehendes Familienleben mit der Ehegattin nicht behauptet wird.

Die Beschwerde tritt weder den Darlegungen der belangten Behörde entgegen, wonach nach wie vor Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Heimatstaat, in dem seine Eltern und mehrere Geschwister lebten, bestünden, noch den Ausführungen, dass die - von der belangten Behörde berücksichtigten - "beruflichen Bindungen" des Beschwerdeführers in Österreich spätestens seit dem illegal seien.

Zu Recht hat die belangte Behörde ferner darauf hingewiesen, dass dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0503, mwN). Dieses große öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt maßgeblich beeinträchtigt.

Nach der hg. Judikatur (vgl. etwa das bereits zitierte Erkenntnis vom , mwN) wäre der Beschwerdeführer nur dann vor einer Ausweisung geschützt und damit unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK in weiterer Folge zu einer Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus berechtigt, wenn eine rasche bzw. sofortige Erteilung einer (humanitären) Niederlassungsbewilligung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffes in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Privat- oder Familienleben erforderlich wäre. Die angeführten Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich stellen jedoch keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK dar, die es ihm unzumutbar machten, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass § 66 FPG der Erlassung der Ausweisung des Beschwerdeführers nicht entgegenstehe, begegnet daher auch unter Berücksichtigung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers keinem Einwand.

3. Vor dem Hintergrund der dargelegten rechtlichen Beurteilung zeigt das Vorbringen, dass dem Beschwerdeführer zum Umstand der von der belangten Behörde angenommenen Scheidung und zum Vorhalt, dass er das Eingehen einer Scheinehe am als richtig zugestanden habe, allenfalls nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben gewesen wäre, keinen Verfahrensmangel auf.

4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen ist. Die in der Beschwerde angesprochene Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung stellt keinen Umstand dar, der eine Ermessensübung nach § 53 Abs. 1 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätte.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am