VwGH vom 24.04.2007, 2006/05/0031
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Nina Blank in Wien, vertreten durch Dr. Heinz-Wilhelm Stenzel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Annagasse 3A/22, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 443/04, betreffend Erteilung eines Bauauftrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 419, Grundbuch 01304 Hetzendorf, bestehend aus den Grundstücken Nrn. 258/1, 258/3 (Hetzendorfer Straße 73) und 260/76. Auf dieser Liegenschaft ist Wohnungseigentum begründet.
Im Zuge eines Baubewilligungsverfahrens wurde von der Baubehörde festgestellt, dass auf der genannten Liegenschaft ohne die erforderliche Baubewilligung Gebäude bzw. Gebäudeteile errichtet worden sind. An der südlichen Grundstücksgrenze des Grundstückes Nr. 258/1 (d.i. an der Grenze zum Grundstück Nr. 257/3) wurde an der Ostseite (d. i. die Grenze zum Grundstück Nr. 256/1) ein Nebengebäude in der Größe von ca. 4,22 m x 3,45 m, d. s. ca. 14,56 m2, und einer Höhe von 2,30 m (in der Folge: Gebäude 1) und an der westlichen Grundstücksgrenze zum Grundstück Nr. 260/75 ein Nebengebäude in der Größe von 6,45 m x 2,40 m mit insgesamt rund 14 m2 und einer Höhe von 2,90 m (in der Folge: Gebäude 2) errichtet. An der Nordseite des auf dem Grundstück Nr. 258/1 errichteten Hauptgebäudes wurde an der Grundstücksgrenze zum Grundstück Nr. 260/75 ein Windfang mit rd. 3,30 m2 angebaut, der die Baufluchtlinie überschreitet (in der Folge: Gebäudeteil 3).
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom wurde der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der genannten Baulichkeiten der Auftrag erteilt, "die ohne baubehördliche Bewilligung errichteten Nebengebäude an der hinteren Grundgrenze (7,90 m2 und 14 m2) und der Windfang (3,30 m2) am Wohnhaus sind abzutragen".
In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, dass sich die Gebäude 1 und 2 bereits seit 1917 auf der Liegenschaft befänden, wobei das ursprünglich im vorderen Bereich der Liegenschaft befindliche Gebäude zu einem späteren Zeitpunkt in den hinteren Teil der Liegenschaft verlegt worden sei. Aus dem Baubewilligungsbescheid vom ergebe sich, dass das in der Folge in den hinteren Teil der Liegenschaft verlegte Nebengebäude zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden habe und zu einem früheren Zeitpunkt baubehördlich genehmigt worden sei. Eine Luftbildaufnahme aus dem Jahre 1963 zeige, dass die Gebäude 1 und 2 zum damaligen Zeitpunkt bereits errichtet gewesen seien. Der Windfang sei in dieser Luftbildaufnahme noch nicht eingezeichnet. Einem Grundbuchauszug des Jahres 1972 sei zu entnehmen, dass die erwähnten Nebengebäude damals bereits bestanden haben. Eine detalliertere Luftbildaufnahme aus dem Jahre 1988 zeige auch den Windfang. Im Hinblick auf den bereits 40-jährigen Bestand sei eine Baubewilligung nicht erforderlich; in eventu seien diese Baulichkeiten im Sinne des § 71 Bauordnung für Wien zu bewilligen.
Die Baubehörde erster Instanz teilte am der belangten Behörde mit, dass ihr bei der Angabe der Größe des Gebäudes 1 ein Rechenfehler unterlaufen sei. Beim Windfang handle es sich um einen ca. 2,45 m x 2,20 m großen allseits geschlossenen Zubau, der auch unter dem Begriff Türvorbau subsumiert werden könne. Er sei teilweise außerhalb der Fluchtlinie errichtet worden und halte auch nicht den erforderlichen Abstand von 1,50 m von der Nachbargrenze im Sinne des § 84 Abs. 2 lit. b Bauordnung für Wien ein.
Die über Ersuchen der belangten Behörde vom zuständigen Sachbearbeiter der MA 37 vorgenommenen Erhebungen wurden im Schreiben vom wie folgt festgehalten:
"Der Windfangzubau besteht aus einer modern-rustikalen Glas-Holz-Konstruktion und macht einen optisch neuwertigen Eindruck. Der ungefähre Zeitraum der Errichtung ist daher nicht erkennbar (siehe Foto 1 und 2).
Das Nebengebäude mit einer Größe von 2,40x 6,44 m wurde (...) vor ca. 2 Jahren im vorderen Grundstücksbereich abgebaut und in der derzeitigen Lage an der hinteren Grundstücksgrenze neu aufgebaut.
Das Nebengebäude mit einer Größe von 4,22 x 3,45 m ist teilweise in Bruchsteinmauerwerk errichtet worden, was auf einen längeren Bestand hindeuten würde. Da jedoch auch in jüngerer Zeit Bruchsteinmauerwerk (noch dazu unverputzt) als Gestaltungsmittel verwendet wird, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gebäude erst in jüngerer Vergangenheit errichtet worden ist.
Der ungefähre Zeitraum der Errichtung der Gebäude kann daher durch objektive Kriterien (wie es z.B. das alte österreichische Ziegelformat wäre) nicht eingegrenzt werden.
...
Es ist davon auszugehen, dass das Archiv der MA 37/12,13 als vollständig anzusehen ist, da Baubewilligungen (bis zum Jahre 1900 zurückverfolgbar) für ähnliche Bauten im örtlichen Umkreis auffindbar sind.
...
Nachdem der genaue Zeitpunkt der Errichtung nicht eingegrenzt
werden kann, ist daher nicht feststellbar, ob diese Bauten
bewilligungspflichtig waren.
..."
Zum Ergebnis dieser Beweisaufnahmen führte die Beschwerdeführerin im Schreiben vom aus, dass dem damaligen Liegenschaftseigentümer mit Bescheid vom die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Holzveranda im Anschluss an den bestehenden gemauerten Schuppen erteilt worden sei. Die Situierung des gemauerten Schuppen sei dem Bescheid deutlich zu entnehmen. Das bewilligte Bauvorhaben sei mit "neue Glasveranda" bezeichnet. Das nunmehr ersichtliche Gebäude 1 stelle einen Teil des ehemaligen gemauerten Schuppens dar und es sei daher das Datum der Errichtung dieser Baulichkeit bereits vor dem Jänner 1928 anzusetzen. Das Gebäude 2 sei der Luftaufnahme aus dem Jahre 1963 zu entnehmen. Das mit 1 bezeichnete Gebäude sei bereits im Jahre 1963 errichtet gewesen und sei vormals im vorderen Teil der Liegenschaft gestanden. Der Windfang habe beim Ankauf der Liegenschaft durch die Beschwerdeführerin im Jahre 1986 bereits bestanden. In der Folge sei dieser von der Beschwerdeführerin in Stand gesetzt worden; in die bestehende Substanz seien neue Fenster und eine neue Eingangstüre eingebaut worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die ohne baubehördliche Bewilligung errichteten Nebengebäude an der hinteren Grundgrenze (14,56 m2 und 14 m2) und der Windfang (3,30 m2) am Wohnhaus abzutragen sind. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das an der von der Hetzendorfer Straße aus gesehen rechten hinteren Grundgrenze errichtete Nebengebäude (d. i. das Gebäude 2) aus dem vorderen Bereich der Liegenschaft nach hinten "verlegt" worden sei. Aus dem Bauplan des Jahres 1928 sei ersichtlich, dass ein Nebengebäude (damals als Schuppen bezeichnet) an der vorderen Grundgrenze direkt zur Hetzendorfer Straße vorhanden gewesen sei. Selbst wenn dieses Nebengebäude ursprünglich baubehördlich bewilligt worden sei, bedeute das vollständige Entfernen dieser Baulichkeit, dass der darauf bezogene Konsens untergegangen sei. Die Abtragung und anschließende Neuerrichtung des Nebengebäudes sei als Neubau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien zu qualifizieren. Dieses bewilligungspflichtige Nebengebäude sei daher jedenfalls konsenslos errichtet worden. Zum an der - von der Hetzendorfer Straße aus gesehen - linken hinteren Grundgrenze errichteten Nebengebäude (d. i. Gebäude 1) sei auszuführen, dass es sich hiebei um einen bewilligungspflichtigen Bau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien handle. Auch aus einem langjährigen unbeanstandeten Gebrauch könne kein Rechtsanspruch auf weitere Duldung des bauordnungswidrigen Zustandes abgeleitet werden. Eine Baubewilligung könne weder ersessen werden noch könne die Anwendung des § 129 Abs. 10 Bauordnung für Wien verjähren. Baulichkeiten, welche über mehrere Jahrzehnte unbeanstandet existierten und deren Baubewilligung durch keine Urkunden nachgewiesen sei, könnten dann als konsentiert anerkannt werden, wenn sie der im Zeitpunkt der Errichtung geltenden Bauordnung entsprochen haben und keinerlei Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme vorliegen. Von großer Relevanz sei im Zusammenhang mit dem Fehlen von Baubewilligungsunterlagen, ob aus der Entstehungszeit für ähnliche Bauten in der Umgebung Baubewilligungen auffindbar seien. Fest stehe, dass im örtlichen Umkreis bis zum Jahre 1900 und danach Baubewilligungen für ähnliche Bauten vorhanden seien. Es sei daher von der Vollständigkeit des vorhandenen Archives auszugehen, von einem "Nichtvorhandensein" von Unterlagen könne keine Rede sein. Das erwähnte Nebengebäude sei auf den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Bauplänen aus dem Jahre 1928 nicht eingezeichnet und es sei daher davon auszugehen, dass es zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert habe. Es könne das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach dieses Gebäude bereits im Jahre 1917 existiert hätte, nicht nachvollzogen werden. Beim Windfang handle es sich um einen bewilligungspflichtigen Zubau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien, für welchen eine baubehördliche Bewilligung nicht erwirkt worden sei. Die geringfügige Änderung des Spruches habe der Richtigstellung des Flächenmaßes eines Nebengebäudes an der hinteren Grundgrenze gedient.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass für die Nebengebäude keine baubehördlichen Bewilligungen vorlägen. Aus dem bei der MA 37 aufliegenden Baufluchtlinienplan vom ergebe sich jedoch zweifelsfrei, dass das an der hinteren Grundstücksgrenze befindliche Gebäude 1 zum damaligen Zeitpunkt bereits als Bestand ausgewiesen worden sei. Der Fluchtlinienplan vom sei mit Bescheid der MA 37 vom zu MA 373/72 bestätigt worden. Auf Grund der Tatsache, dass dieses Nebengebäude bereits 1972 als Bestand der Liegenschaft bescheidmäßig erfasst gewesen sei, sei richtigerweise davon auszugehen, dass auch eine Baubewilligung zwingend vorhanden sei. Die Baubehörde erster Instanz sei selbst davon ausgegangen, dass der genaue Zeitpunkt der Errichtung der Nebengebäude und des Windfanges nicht eingegrenzt werden könne. Es fehlten sohin Feststellungen, ob im Zeitpunkt der Errichtung auch die Baubewilligungspflicht gegeben gewesen sei.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam (§ 62 Abs. 6) erstattet wurde, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten.
Die vom beschwerdegegenständlichen Bauauftrag erfassten Gebäude(teile) sind und waren im Geltungsbereich der Bauordnung für Wien gemäß § 60 Abs. 1 lit. a bewilligungspflichtig. Solche Bauten bedurften auch vor dem Jahre 1930 einer Baubewilligung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/05/0109).
Anhaltspunkte dafür, dass die Gebäude 1 und 2 jemals baubehördlich bewilligt worden wären, haben sich im verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahren nicht ergeben. Die Beschwerdeführerin hat in ihren Stellungnahmen gegenüber der belangten Behörde selbst ausgeführt, dass diese Nebengebäude nicht an der Stelle errichtet worden sind, für die - nach ihren Behauptungen - Bewilligungen erteilt worden sein sollen. Das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen, die Lage der Nebengebäude sei bereits in einem Baufluchtlinienplan aus dem Jahre 1968 ersichtlich, ist zum einen nicht nachvollziehbar, zum anderen stellt sich dieses Vorbringen als eine vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beachtliche Neuerung im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG dar. Aus diesem Vorbringen geht auch nicht hervor, dass für diese Nebengebäude in der nunmehr bestehenden Form und Lage eine Baubewilligung erteilt worden wäre. Zutreffend hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die vollständige Abtragung eines Gebäudes den Untergang der Baubewilligung zur Folge hat und eine Neuerrichtung dieses Objekts einer neuen Baubewilligung bedarf. Dies gilt auch für den Untergang des wegen des Alters eines Gebäudes allenfalls vermuteten Konsenses (vgl. hiezu das hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/05/0176, und vom , Zl. 2003/06/0005, m.w.N.).
Die belangte Behörde hatte auch nicht von einer Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit dieser Gebäude auszugehen, weil eine solche Vermutung voraussetzt, dass der Zeitpunkt der Errichtung der Gebäude so weit zurückliegt, dass von besonders gelagerten Einzelfällen abgesehen, auch bei ordnungsgemäß geführten Archiven die Wahrscheinlichkeit, noch entsprechende Unterlagen auffinden zu können, erfahrungsgemäß nicht mehr besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/05/0835). Die Beschwerdeführerin hat keine Anhaltspunkte dafür genannt, dass aus irgend welchen besonderen Gründen ausgerechnet für die in Rede stehenden Gebäude in den Archiven der Baubehörde keine Unterlagen über eine schriftliche Baubewilligung aufzufinden sei.
Beim Windfang handelt es sich um einen bewilligungspflichtigen Zubau im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien. Warum die Erteilung des Bauauftrages bezüglich des Windfanges nicht gesetzmäßig sein sollte, wird von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt. Auf Grund der in die Begründung des angefochtenen Bescheides eingeflossenen Ermittlungsergebnisse steht fest, dass auch der Windfang zu einem Zeitpunkt errichtet worden ist, in welchem Bewilligungspflicht hiefür bestanden hat. Dass eine solche Bewilligung vorliegt, wurde von der Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet.
Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt somit nicht vor, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am