VwGH vom 11.03.2010, 2008/16/0093

VwGH vom 11.03.2010, 2008/16/0093

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Steiner und Hofrat Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der M AG in V, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0633-W/08, (miterledigt RV/634-W/08 und RV/635-W/08), betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz auch: MAG) schloss am mit der E AG (im Folgenden kurz: E) einen Vertrag, der nach seinem Wortlaut die Überlassung eines Kabelkanals und Raum für die Installation einer Telekommunikations-Übertragungsausrüstung für die Dauer von 20 Jahren gegen Entgelt zum Gegenstand hat.

Diesen Vertrag (und zwar zunächst nur in englischer Sprache) zeigte die E mit Eingabe vom beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im Folgenden kurz: Finanzamt) an.

Das Finanzamt forderte dafür zunächst mit Bescheid vom Gebühr gem. § 33 TP 9 GebG in der Höhe von ATS 3,840.000,-- (Bemessungsgrundlage ATS 192,000.000,--) an, wogegen die Beschwerdeführerin berief.

Die belangte Behörde hob im ersten Rechtsgang diesen Bescheid des Finanzamtes mit Berufungsentscheidung vom auf und verwies die Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz unter anderem mit dem Auftrag zurück, eine beglaubigte Übersetzung des Vertragstextes in die deutsche Sprache zu beschaffen.

Nach Einholung einer entsprechenden Übersetzung setzte das Finanzamt (im zweiten Rechtsgang) mit Bescheid vom für den Vertrag ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von ATS 144,000.000,14 (= EUR 10,464.888,13) Gebühr gem. § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG in der Höhe von 1 % mit ATS 1,440.000,-- (= EUR 104.648,88) fest. Außerdem wurde Bogengebühr in der Höhe von EUR 156,97 und Gebührenerhöhung festgesetzt.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin wiederum, und zwar im Wesentlichen mit dem Argument, es liege kein Miet- sondern ein gebührenfreier Kaufvertrag vor.

Die im zweiten Rechtsgang vom Finanzamt beigeschaffte beglaubigte Übersetzung der Vertragsurkunde weist unter anderem folgende Textpassagen auf:

In Punkt 3. der Einleitung heißt es:

"Diese Vereinbarung legt sowohl die Bedingungen betreffend die Überlassung des Kabelkanals von E an MAG als auch die Überlassung von Raum für die Installation der Telekommunikations-Übertragungsausrüstung von MAG fest."

Punkt 2. (Definitionen) lautet auszugsweise:


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"'Kabelkanal'
Bedeutet einen leeren 125 mm Schlauch oder - gegebenenfalls - den leeren 40 mm Schlauch mit Anschluss des Optischen Glasfasernetzes auf der Hauptverbindung und den Erweiterungen, oder ein leeres Kanalprofil, oder ein Set von dreimal vier 40 mm Schläuchen, welche MAG von E auf der Grundlage dieses Vertrages überlassen werden und welche im Anhang 1 näher erläutert werden."

Punkt 3.1. des Vertrages bestimmt:

"3.1. E überlässt einen Kabelkanal an MAG für einen

Zeitraum von 20 (zwanzig) Jahren, beginnend mit dem Übergabedatum der Hauptstrecke. Die technische Beschreibung und der Verlauf des Kabelkanals sind in den Anhängen 1 und 2 dieser Vereinbarung festgelegt."

Mit Punkt 10. des Vertrages wurde Folgendes vereinbart:

" 10. Eigentum und Risikotragung

10.1. Nach Ablauf der Vertragsdauer gemäß Artikel 14.1

dieser Vereinbarung wird das zivilrechtliche Eigentum am

Kabelkanal automatisch auf MAG übertragen.

10.2. Das Risiko des Untergangs oder der Beschädigung

des Kabelkanals oder irgendeines Teils davon geht im Moment der Abnahme des jeweiligen Teils des Kabelkanals gemäß Artikel 6 dieser Vereinbarung auf MAG über."

Punkt 11.2. lautet:

"Preis für die Überlassung des Kabelkanals

Das für die Überlassung des Kabelkanals an E zahlbare Entgelt beträgt EUR 11.627.653,47 (Euro elf Millionen sechshundert siebenundzwanzigtausend sechshundert dreiundfünfzig Komma sieben und vierzig). Das Entgelt ist in zwei Teilzahlungen für die gesamte Laufzeit der Überlassung des Kabelkanals zahlbar. E fakturiert den Betrag iHv EUR 7.703.320,40 (Euro sieben Millionen siebenhundertdreitausend dreihundert und zwanzig Komma vierzig) am und den Betrag iHv EUR 3.924.333,07 (Euro drei Millionen neunhundert vierundzwanzigtausend dreihundert dreiunddreißig Komma Null sieben) am . Beide Rechnungen sind binnen 10 Tagen ab Ausstellung zahlbar."

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab. Ungeachtet des Umstandes, dass sie in ihrer ersten (den ersten Finanzamtsbescheid aufhebenden) Berufungsentscheidung die Beischaffung einer beglaubigten Übersetzung des Vertrages dem Finanzamt ausdrücklich aufgetragen hatte und dies auch jetzt in der im zweiten Rechtsgang gefällten Berufungsentscheidung als wesentlich betont, argumentiert sie in dem ihre nunmehrige Entscheidung tragenden Begründungsteil ausschließlich ausgehend von englischsprachigen Textpassagen des Vertrages. Dabei betont sie durch wiederholte Hervorhebung in Fettdruck den Begriff "lease" und führt dazu wörtlich in ihrem Bescheid unter anderem Folgendes aus:

"Der Vertrag unterscheidet in seiner Wortwahl im englischen Originaltext eindeutig zwischen Kauf und Leasing ("sell" or "lease") und definiert "lease" wörtlich als "letting into use". Somit muss davon ausgegangen werden, dass von den Vertragsparteien laut Urkundeninhalt die Nutzungsüberlassung des Kabelkanals für einen Zeitraum von 20 Jahren ("a period of 20 years", Artikel 14. des Vertrages) im Vordergrund bestand. Dafür spricht auch eine zeitraumbezogene Vertragsdauer."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, dass der gegenständliche Vertrag nicht als gebührenpflichtiger Bestandvertrag gem. § 33 TP 5 Abs. 1 GebG eingestuft und sie nicht zur Zahlung einer Bestandvertragsgebühr nach der zitierten Bestimmung verpflichtet wird. Die Festsetzung der Bogengebühr samt Gebührenerhöhung ist vom Beschwerdepunkt nicht umfasst.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gem. § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG unterliegen Bestandverträge (§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, einer Gebühr im allgemeinen von 1 v.H. nach dem Wert.

Kern der weitwendigen Beschwerdeausführungen ist das Argument, dass der vertragsgegenständliche Kabelkanal nach Ablauf von 20 Jahren automatisch ohne weitere Zahlung in das Eigentum der Beschwerdeführerin übergeht.

Dazu verweist die Beschwerdeführerin vollkommen zu Recht auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/15/0181, Slg. NF 5930/F. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem betreffend Leasingverträge ausdrücklich ausgesprochen, dass dann, wenn ein solcher Vertrag für den Leasingnehmer nicht bloß eine Kaufoption enthält, sondern bestimmt, dass das Leasingobjekt mit Zahlung der letzten Rate ohne weiteres in das Eigentum des Leasingnehmers übergeht, nicht ein gebührenpflichtiger Bestandvertrag sondern ein den Rechtsgebühren nicht unterliegender Kaufvertrag vorliegt.

Dies hat die belangte Behörde (ungeachtet des Umstandes, dass sie den diesbezüglich maßgeblichen Vertragspunkt 10. aus der deutschen Übersetzung des Vertrages ohnehin in der Einleitung ihrer Bescheidbegründung in seinen wesentlichen Teilen wiedergibt) übersehen und statt dessen allein einer rechtlichen Beurteilung ausgehend von dem von den Vertragsparteien in der englischen Vertragsversion verwendeten Begriff "lease" den Vorzug gegeben.

Da es nach der ständigen hg. Rechtsprechung (siehe dazu insbesondere das gerade oben schon zitierte hg. Erkenntnis Slg. NF 5930/F uva) aber nie auf die von den Vertragsteilen gewählten Bezeichnungen ankommt, hat die belangte Behörde damit ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was zu seiner Aufhebung führen muss (§ 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG).

Mit Rücksicht auf die durch die zitierte hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Für das fortzusetzende Verfahren wird darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde im Absatz 2 ihrer Entscheidungsgründe (siehe Seite 2 des Bescheides) ausführt, dass neben der "Überlassung des Kabelkanals" auch die "Überlassung von Raum" Gegenstand des zu beurteilenden Vertrages ist. Auch die Beschwerdeführerin spricht auf Seite 2 ihrer Beschwerdeschrift (siehe dort Punkt 2.1.) davon, dass ihre Vertragspartnerin "Raum

für die Installation .... zur Verfügung stellt". Dazu wurden aber

in beiden bisher abgeführten Rechtsgängen keinerlei Feststellungen getroffen. Diesbezüglich werden daher entsprechende Ermittlungen durchzuführen und allenfalls Feststellungen dahin zu treffen sein ob überhaupt und wenn ja in welchem Ausmaß und in welcher wirtschaftlichen Relation zum Kauf des Kabelkanals die Überlassung von Raum gegen Entgelt vorliegt, worin eine gebührenpflichtige Raummiete gelegen sein könnte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-AufwandersatzVO 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am