VwGH vom 11.03.2016, 2013/06/0071
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde des K W in V, vertreten durch Dr. Gerhard Fink, Dr. Peter Bernhart, Dr. Bernhard Fink, Mag. Klaus Haslinglehner und Dr. Bernd Peck, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 5, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 07-B-BRM-1421/1-2013, betreffend Bauaufträge (mitbeteiligte Parteien: 1. C S 2. M S, beide in V und vertreten durch Mag. Michael Hirm, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herbertstraße 10, 3. Stadtgemeinde V), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 sowie dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 233/1 KG H und Anrainer des je im Hälfteeigentum des Erst- und der Zweitmitbeteiligten stehenden Grundstückes Nr. 233/12 KG H. Über Auftrag des Beschwerdeführers, "die Situation der Grenze zwischen den Grenzpunkten (...) und die Lage des neu errichteten Hauses (des Zweit- und der Drittmitbeteiligten) auf der Nachbarparzelle 233/12 in der KG H (...) zu vermessen und in einem Lageplan darzustellen", führte der staatlich geprüfte und beeidete Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen DI E am eine Vermessung durch. In seinem Bericht vom führte er im Wesentlichen aus, der Verlauf des Zaunes zwischen den beiden Grenzkatastergrundstücken sei in der Natur aufgenommen worden. Der Zaun liege zur Gänze auf dem Grundstück Nr. 233/1 des Beschwerdeführers. Das aufgehende Mauerwerk der Hausecken 2-7, 2-8 und 2-9 und der Dachrand des Gebäudes seien ebenfalls aufgenommen und im beiliegenden Lageplan eingezeichnet worden. Der Abstand der nördlich gelegenen Hausecken 2-7 und 2-9 habe einen Abstand zur Grenze von 2,94 m ergeben.
2. Mit am bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingelangtem Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer (soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevant) einen Antrag auf Herstellung des rechtmäßigen Zustandes gemäß § 36 Kärntner Bauordnung 1996 (K-BO 1996). Er brachte vor, das Haus sei innerhalb des 3-Meter Bauwiches (hier offenbar gemeint: Abstand zur Grundstücksgrenze) errichtet worden und widerspreche der Bebauungsplanverordnung vom . Der Mindestabstand gemäß § 8 Abs. 4 lit. a dieser Verordnung werde unterschritten. Der Zaun im nördlichen Bereich liege nicht an der Grundstücksgrenze, sondern zur Gänze auf dem Grundstück Nr. 233/1 KG H des Beschwerdeführers. Auch der errichtete Dachvorbau am nördlichen Dach überrage den Bauwich bis zu 1,60 m und widerspreche daher § 8 Abs. 2 der Bebauungsplanverordnung. Das tatsächlich errichtete Gebäude entspreche daher nicht dem Projekt, das Gegenstand des näher bezeichneten Bauverfahrens gewesen sei. Es werde die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt.
3. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom als unbegründet abgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung vom wurde mit Bescheid des Stadtrates der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde vom als unbegründet abgewiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers vom als unbegründet ab und führte in der Begründung (auf das Wesentlichste zusammengefasst) aus, nach dem durchgeführten Beweisverfahren werde der erforderliche Abstand im Sinne des § 8 Abs. 4 lit. a des Bebauungsplanes der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingehalten. Auch der Dachvorsprung sei entsprechend dem Baubewilligungsbescheid projektgemäß ausgeführt worden.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift - so wie der Erst- und die Zweitmitbeteiligte - die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Stadtgemeinde hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
5.1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
5.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Kärntner Bauordnung 1996 (K-BO 1996), LGBl. Nr. 62/1996 (WV) idF LGBl. Nr. 16/2009 lauten (auszugsweise):
"Überwachung
§ 34. (1) Die Behörde darf sich jederzeit während der Bauausführung und nach Vollendung des Vorhabens von der Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes, der Kärntner Bauvorschriften und der Baubewilligung, einschließlich der ihr zugrundeliegenden Pläne, Berechnungen und Beschreibungen, überzeugen.
(2) Die Behörde hat bei Vorliegen eines konkreten, begründeten Verdachtes zu prüfen, ob
a) Vorhaben nach § 6 ohne Baubewilligung oder abweichend von der Baubewilligung und den ihr zugrundeliegenden Plänen, Berechnungen und Beschreibungen;
b) Vorhaben nach § 7 entgegen § 7 Abs. 3, ausgeführt werden oder vollendet wurden.
(3) Wird durch eine bescheidwidrige oder nicht bewilligte Ausführung eines bewilligungspflichtigen Vorhabens ein subjektivöffentliches Recht eines Anrainers im Sinn des § 23 Abs. 3 lit. a bis g, des § 23 Abs. 4 oder des § 24 lit. h verletzt, so hat dieser innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt, in dem er bei gehöriger Sorgfalt Kenntnis von der Ausführung haben mußte, das Recht der Antragstellung auf behördliche Maßnahmen nach den §§ 35 und 36 und anschließend Parteistellung in diesen behördlichen Verfahren.
(4) Abs. 3 gilt sinngemäß für Anrainer von Vorhaben nach § 7, die entgegen § 7 Abs. 3 ausgeführt werden oder vollendet wurden, ausgenommen Vorhaben nach § 7 Abs. 1 lit. d.
Herstellung des rechtmäßigen Zustandes
§ 36. (1) Stellt die Behörde fest, daß Vorhaben nach § 6 ohne Baubewilligung oder abweichend von der Baubewilligung ausgeführt werden oder vollendet wurden, so hat sie - unbeschadet des § 35 - dem Inhaber der Baubewilligung, bei Bauführungen ohne Baubewilligung dem Grundeigentümer, aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist die Baubewilligung zu beantragen oder innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist den rechtmäßigen Zustand herzustellen. Die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, darf nicht eingeräumt werden, wenn der Flächenwidmungsplan - ausgenommen in den Fällen des § 14 - oder der Bebauungsplan der Erteilung einer Baubewilligung entgegensteht.
..."
5.3. Unter der Überschrift "Beschwerdepunkt" erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem "subjektiven öffentlichen Recht auf Einhaltung der Abstandsvorschriften gemäß Bebauungsplanverordnung bzw. auf Erteilung eines Auftrages zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes aufgrund einer Ausführung entgegen der erteilten Baubewilligung verletzt, da das Einfamilienhaus nicht in dem von der Bebauungsplanverordnung und der Baubewilligung vorgesehene Mindestabstand von 3 m zur im Grenzkataster ersichtlichen Grenze zu meinem Grundstück errichtet wurde".
5.4. Bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen ist eine Maßnahme (u.a.) nach § 36 K-BO 1996 nicht nur von der Behörde von Amts wegen zu erlassen, es kommt unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 leg. cit. auch den Anrainern ein Recht auf Antragstellung zur Erlassung dieser Maßnahmen sowie anschließend Parteistellung in diesem behördlichen Verfahren zu.
Aus § 34 Abs. 3 K-BO 1996 ergibt sich aber, dass das Recht des Anrainers auf Antragstellung zeitlich eng - nämlich auf den Zeitraum eines Monats ab dem Zeitpunkt, in dem der Anrainer bei gehöriger Sorgfalt Kenntnis von der Ausführung haben musste - limitiert ist. Aus der zeitlichen Beschränkung des Antragsrechts des Anrainers auf Erlassung einer behördlichen Maßnahme nach §§ 35, 36 K-BO 1996 lässt sich die Wertung des Gesetzgebers ableiten, dass dieses Recht - sichtlich im Interesse der Rechtssicherheit bezüglich der gegenseitigen Rechtspositionen - Anrainern in Bezug auf die Geltendmachung ihrer von § 34 Abs. 3 K-BO 1996 erfassten Anrainerrechte nur innerhalb eines gesetzlich vorgesehenen Zeitraumes offen stehen soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0154 mwN).
§ 34 Abs. 3 K-BO 1996 stellt für den Beginn der Monatsfrist nicht nur auf die rein subjektive Kenntnis durch den Nachbarn ab, sondern normiert auch einen objektiven Maßstab, weil nämlich der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem der Nachbar "bei gehöriger Sorgfalt Kenntnis von der Ausführung haben musste". Abgestellt wird daher auf die juristische Maßstabfigur eines gehörig sorgfältigen Nachbarn, der sich - eben mit gehöriger Sorgfalt - um sein Gebäude kümmert, so etwa bei einer langen oder längeren Abwesenheit entsprechende Vorsorge in Bezug auf sein Eigentum trifft. Welches Maß an Sorgfalt als "gehörig" zu qualifizieren ist, hängt freilich von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/06/0115).
5.5. Der Beschwerdeführer verweist in seiner Beschwerde im Zusammenhang mit der von ihm beantragten Maßnahme gemäß § 36 K-BO 1996 auf die eingangs dargestellte, von ihm in Auftrag gegebene Maßdarstellung vom bzw. den Bericht des DI E vom zum Nachweis des von ihm behaupteten Abstandes von 2,94 m zwischen der Außenmauer des Einfamilienhauses des Erst- und der Zweitmitbeteiligten und der im Grenzkataster eingetragenen Grenze.
Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er erst mit Schreiben vom (eingelangt bei der mitbeteiligten Stadtgemeinde am ) den gegenständlichen Antrag auf Herstellung des rechtmäßigen Zustandes gemäß § 36 K-BO 1996 gestellt hat.
Vor diesem Hintergrund hat der Beschwerdeführer im Sinne der oben angeführten Ausführungen aber sein Recht der Antragstellung auf behördliche Maßnahmen nach § 36 K-BO 1996 verloren, weil er jedenfalls nicht innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt, in dem er bei gehöriger Sorgfalt Kenntnis von der Ausführung haben musste (§ 34 Abs. 3 K-BO 1996), den Antrag gestellt hat.
6. Da der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid somit nicht in dem von ihm geltend gemachten subjektiven Recht verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).
Wien, am