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VwGH vom 15.09.2010, 2010/18/0180

VwGH vom 15.09.2010, 2010/18/0180

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde 1. der M A, geboren am , 2. der M L, geboren am , und 3. des A L, geboren am , alle vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zlen. E1/4676/2009-6, E1/4676/2009-7 und E1/4676/2009-8, betreffend Ausweisung nach § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom wurden die beschwerdeführenden Parteien, serbische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen und ihnen gemäß § 67 Abs. 1 FPG ein Durchsetzungsaufschub in der Dauer von einem Monat erteilt.

Der Ehegatte "bzw. Lebensgefährte" der Erstbeschwerdeführerin, S L. (geboren am , serbischer Staatsangehöriger), sei am illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am selben Tag beim Bundesasylamt einen Asylantrag eingebracht. Die Erstbeschwerdeführerin sei gemeinsam mit ihrer minderjährigen Tochter, der Zweitbeschwerdeführerin, am illegal nach Österreich eingereist und habe für sich und ihre Tochter am beim Bundesasylamt Asylanträge gestellt. Für den Drittbeschwerdeführer, den Sohn der Erstbeschwerdeführerin, der in Österreich geboren worden sei, sei am beim Bundesasylamt ein Asylantrag eingebracht worden.

Der am eingebrachte Asylantrag des S L. sei mit im Instanzenzug ergangenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom rechtskräftig abgewiesen worden. Mit den im Instanzenzug ergangenen Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom seien die von den Beschwerdeführern gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom erhobenen Beschwerden, soweit mit diesen Bescheiden die Asylanträge der Beschwerdeführer abgewiesen worden seien und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach Serbien gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 für zulässig erklärt worden sei, jeweils abgewiesen worden, wobei die Erkenntnisse am rechtskräftig geworden seien.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom sei S L. ausgewiesen worden. Die von ihm dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde sei mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0324, als unbegründet abgewiesen worden.

Seit rechtskräftig negativer Beendigung ihrer Asylverfahren seien die Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin, S L., befinde sich seit September 2003, die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin seit März 2005 und der Drittbeschwerdeführer seit seiner Geburt im November 2006 im Bundesgebiet, wobei S L. bis ca. Mitte Dezember 2008 und die Beschwerdeführer bis Anfang März 2009 über vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigungen verfügt hätten. In Österreich lebten außerdem noch der Bruder, zwei Cousins und zwei Onkel des S L. Weder dieser noch die Erstbeschwerdeführerin sei hier einer Erwerbstätigkeit nachgegangen. Auf Grund des Umstandes, dass die Erstbeschwerdeführerin und ihre Familie bereits seit mehreren Jahren in Österreich aufhältig seien, greife eine Ausweisung in ihr Familien- und Privatleben ein.

Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Dieses maßgebliche öffentliche Interesse werde durch illegal aufhältige Fremde erheblich beeinträchtigt. Bei der Interessenabwägung im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG sei zu berücksichtigen, dass die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin seit fünf Jahren und der Drittbeschwerdeführer seit seiner Geburt im Bundesgebiet aufhältig seien und bis Anfang März 2009 über vorläufige asylrechtliche Aufenthaltsberechtigungen verfügt hätten. Der Erstbeschwerdeführerin und ihrem Ehegatten habe jedoch bewusst sein müssen, dass es sich dabei nur um ein vorläufiges Aufenthaltsrecht für die Dauer der Asylverfahren und nicht etwa um dauerhafte Aufenthaltstitel gehandelt habe. Sie hätten sich während der gesamten Asylverfahren ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Ihre rechtmäßigen Aufenthalte seien lediglich auf offensichtlich unbegründete Asylanträge zurückzuführen.

Es könne nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte bereits nachhaltig im Bundesgebiet integriert wären. Die Erstbeschwerdeführerin sei derzeit nicht selbsterhaltungsfähig, weil sie über keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung verfüge und keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalte. Weder sie noch S L. sei in Österreich bislang einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, und es sei ihr eine berufliche Integration im österreichischen Arbeitsmarkt versagt geblieben. Weder dem Akteninhalt noch ihrem Vorbringen sei zu entnehmen, dass die Erstbeschwerdeführerin und ihre Familie am sozialen Leben in Österreich in besonderer Form teilgenommen hätten. Es sei davon auszugehen, dass die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer zweisprachig aufgewachsen seien und ihnen somit nicht nur die deutsche, sondern auch die albanische Sprache vertraut sei. Hinsichtlich des Bruders, der Cousins und der nicht näher genannten Onkel des S L. sei davon auszugehen, dass die Beziehung zu diesen nicht über das bei erwachsenen Seitenverwandten dieses Grades übliche Maß hinausgehe. Ein (besonderes) Naheverhältnis zu ihnen sei nie behauptet worden. Die Bindungen zum Heimatstaat der Erstbeschwerdeführerin seien nicht zum Erliegen gekommen, weil deren Mutter ebenso wie die Eltern und ein (anderer) Bruder des S L. in Serbien lebten. Die bei der Interessenabwägung nachteilig zu gewichtenden Umstände könnten durch die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Erstbeschwerdeführerin nicht aufgewogen werden. Im Rahmen der Interessenabwägung komme die belangte Behörde daher zum Ergebnis, dass die Ausweisung der Beschwerdeführer zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei.

Darüber hinaus seien keine Umstände ersichtlich, die für eine Ermessensübung zu ihren Gunsten sprächen. Auch S L. sei aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Den Beschwerdeführern sei die Fortsetzung eines Familienlebens in einem anderen Staat ohne weiteres möglich. Zudem habe die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Heimatstaat soziale Anknüpfungspunkte, nämlich ihre dort aufhältige Familie wie auch die Eltern und den Bruder des S L.

Die Beschwerdeführer hätten den Antrag gestellt, einen Durchsetzungsaufschub gemäß § 67 FPG in der Dauer von drei Monaten zu gewähren. Zur Regelung der persönlichen Angelegenheiten der Erstbeschwerdeführerin und Vorbereitung der Ausreise sei ein Durchsetzungsaufschub in der Dauer von einem Monat ausreichend.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn gemäß § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die von den Beschwerdeführern gestellten Asylanträge rechtskräftig abgewiesen worden seien, und behauptet auch nicht, dass jene über einen Aufenthaltstitel verfügten. Die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FPG jeweils erfüllt sei, begegnet daher keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt im Wesentlichen vor, dass der angefochtene Bescheid mangelhaft begründet sei, lege die belangte Behörde doch nicht nachvollziehbar dar, warum die öffentlichen Interessen die privaten und familiären Interessen überwögen. Wesentlich sei, dass die Beschwerdeführer zulässige Asylanträge gestellt hätten und der langen Verfahrensdauer keine Verzögerungen auf Seiten der Beschwerdeführer zugrunde lägen. Wenn die belangte Behörde ausführe, dass eine Integration der Erstbeschwerdeführerin im Arbeitsmarkt nicht erfolgt sei, übergehe sie die geltende Vollzugspraxis bezüglich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG. Nach einem Durchführungserlass des "Bundesministeriums für Wirtschaft" aus dem Jahr 2004 sei die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für Asylwerber (mit Ausnahme solcher für den kurzfristigen Bedarf gemäß § 5 AuslBG) unzulässig, und es könne der Erstbeschwerdeführerin daher die mangelnde Integration im Arbeitsmarkt nicht zur Last gelegt werden. Auch habe die belangte Behörde die Interessen der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers zu gering gewichtet, habe doch die Zweitbeschwerdeführerin den wesentlichen Teil ihres Lebens im Bundesgebiet zugebracht und sei der Drittbeschwerdeführer bereits im Bundesgebiet geboren worden. Bei Minderjährigen werde häufig bereits eine kürzere Zeit als bei Erwachsenen ausreichen, um eine Verwurzelung im Gastland herbeizuführen. Demgemäß seien die Beziehungen der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers zum Herkunftsstaat verloren gegangen.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung nach § 66 FPG den Aufenthalt der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin im Bundesgebiet seit dem und den Umstand, dass der Drittbeschwerdeführer seit seiner Geburt hier aufhältig ist, sowie die familiären Bindungen zu S L., einem Bruder, zwei Cousins und zwei Onkeln des S L. berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung der Beschwerdeführer verbundenen relevanten Eingriff in deren Privat- und Familienleben angenommen. Die aus der Dauer deren inländischen Aufenthaltes resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit gemindert, als deren Aufenthalt nur auf Grund von Asylanträgen, die sich als unberechtigt herausgestellt haben, erlaubt war.

Den - somit relativierten - persönlichen Interessen der Beschwerdeführer an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass sie sich trotz der rechtskräftigen Abweisung ihrer Asylanträge - unrechtmäßig - weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten haben, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. dazu etwa das obgenannte Erkenntnis, Zl. 2009/18/0324, mwN), darstellt. Mit diesem Erkenntnis wurde die von S L. erhobene Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem jener ebenso gemäß § 53 Abs. 1 FPG ausgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen. Dass die Beschwerdeführer - wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde - in ihrem Heimatstaat soziale Anknüpfungspunkte und Familienangehörige haben und der Zweitbeschwerdeführerin sowie dem Drittbeschwerdeführer die albanische Sprache vertraut ist, wird in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Bei Abwägung des angeführten großen öffentlichen Interesses und der gegenläufigen, wie oben dargestellt, relativierten Interessen der Beschwerdeführer ist somit die Ansicht der belangten Behörde, dass deren Ausweisung nach § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, nicht zu beanstanden. Auch ist der Beschwerdevorwurf, dass der angefochtene Bescheid nur mangelhaft begründet sei, nicht berechtigt.

Soweit die Beschwerde vorbringt, dass eine Ausweisung derzeit nicht geboten sei, weil S L. die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG beantragt habe, ist ihr zu erwidern, dass eine bloße Antragstellung den Aufenthalt des Sedat L. im Bundesgebiet nicht legalisiert (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0057, mwN).

3. Wenn die Beschwerde vorbringt, dass die Beschwerdeführer einen Durchsetzungsaufschub in der Dauer von drei Monaten beantragt hätten und die belangte Behörde in weiterer Folge ohne nähere Begründung einen Durchsetzungsaufschub von (lediglich) einem Monat gewährt habe, so übergeht sie die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach die belangte Behörde zur Regelung der persönlichen Angelegenheiten der Erstbeschwerdeführerin und Vorbereitung der Ausreise einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat für ausreichend gehalten habe. Darüber hinaus ist dieses Vorbringen - abgesehen davon, dass die Beschwerde nicht darlegt, ob und zutreffendenfalls für welche konkreten Angelegenheiten ein längerer Durchsetzungsaufschub erforderlich gewesen wäre und dass die unterbliebene Gewährung eines längeren Durchsetzungsaufschubes nachteilige Auswirkungen auf die Beschwerdeführer gehabt habe - auch deshalb nicht zielführend, weil mittlerweile die beantragte Frist von drei Monaten bereits verstrichen ist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2008/22/0531).

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-80171