VwGH 28.01.2009, 2006/05/0009
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauO Wr §62a Abs1 Z27; BauRallg; VwRallg; |
RS 1 | Ausführungen zur Formulierung "im Nahebereich von Grundgrenzen" in § 62 Abs 1 Z 27 Wr. BauO. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der H GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-337/05, betreffend eine Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Magistratsabteilung 37 erteilte mit Bescheid vom gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (hier in der Fassung LGBl. Nr. 10/2003; im Folgenden: BO) der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Baulichkeit auf dem Grundstück Nr. 1685, EZ 2667 der Katastralgemeinde Stammersdorf, den Auftrag, binnen einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Bescheides die auf der gegenständlichen Liegenschaft ohne baubehördliche Bewilligung errichteten Baulichkeiten, nämlich zwei beidseitig affichierte Werbeanlagen (an der nördlichen Grundgrenze mit einer Breite von 6,90 m und einer Gesamthöhe (inklusive Ständer) von ca. 3,55 m, an der südlichen Grundgrenze mit einer Breite von 6,90 m und einer Gesamthöhe von ca. 3,35 m, beide mit einem Abstand von ca. 4,50 m zur Grundgrenze "Brünner Straße") zu beseitigen. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass für die im Februar 2002 erfolgte Errichtung dieser Plakatwände die erforderlichen baubehördlichen Bewilligungen gemäß § 60 Abs. 1 lit. c (richtig wohl: lit. b) BO nicht erwirkt worden seien. Weil sich die Werbeanlagen jeweils im Nahbereich einer Grundgrenze befänden, sei Bewilligungsfreiheit gemäß § 62a Abs. 1 Z 27 BO nicht gegeben.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung meinte die Beschwerdeführerin, die Werbeanlagen befänden sich nicht im Nahebereich einer Grundgrenze, außerdem habe § 62a Abs. 1 Z 27 BO im Zeitpunkt der Errichtung der Werbeanlagen das Tatbestandsmerkmal "Nahebereich einer Grundgrenze" nicht enthalten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen. Dies wurde (zusammengefasst) damit begründet, dass Bewilligungsfreiheit gemäß § 62a Abs. 1 Z 27 BO in der im Zeitpunkt der Errichtung der Werbeanlagen bereits anwendbaren Fassung LGBl. Nr. 90/2001 nicht vorliege. Die gegenständlichen Werbeanlagen seien 4,50 m von der Grundgrenze entfernt situiert. Schon nach dem allgemeinen Wortsinn sei davon auszugehen, dass angesichts dieses geringen Abstandes zur Grundgrenze hier von einem Nahebereich zur Grundgrenze gesprochen werden könne, sehe doch der Gesetzgeber in § 79 Abs. 1 BO im Allgemeinen eine Vorgartentiefe von 5 m vor und bezeichne den Vorgarten als den an einer Verkehrsfläche gelegenen Grundstreifen, der im Regelfall von einer Bebauung frei zu bleiben habe. Die Werbeanlagen befänden sich daher im Nahebereich der Grundgrenze und seien auch dann nicht bewilligungsfrei, wenn sie (wie vorliegend für die südlich gelegene Werbeanlage der Fall sei) eine Höhe von weniger als 3,50 m aufwiesen. Aus dem Ausmaß der Plakatwände - diese seien 6,90 m lang und vom unteren Rand der Werbeflächen gemessen 2,40 m hoch - ergebe sich, dass zu deren Aufstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich sei, zumal sie im Hinblick auf ihre Maße einem enormen Winddruck ausgesetzt seien und daher u.a. einer entsprechenden Fundierung bedürften. Die Bewilligungspflicht der Plakatwände ergebe sich somit ex lege aus § 60 Abs. 1 lit. b BO.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat erwogen:
1. Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen.
Gemäß § 60 Abs. 1 lit. b BO in der hier anzuwendenden Fassung vor der Techniknovelle 2007, LGBl. Nr. 24/2008, ist bei der Errichtung von baulichen Anlagen über und unter der Erde, zu deren Herstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, die mit dem Boden in eine kraftschlüssige Verbindung gebracht werden und wegen ihrer Beschaffenheit geeignet sind, öffentliche Rücksichten zu berühren, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken.
§ 62a Abs. 1 Z 27 BO hat folgenden Wortlaut (Einleitungssatz in der hier anzuwendenden Fassung vor der Techniknovelle 2007, LGBl. Nr. 24/2008):
"§ 62a (1) Bei Bauführungen, die folgende Anlagen betreffen, ist weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich:
...
27. Werbeanlagen, wie Plakatwände und dergleichen bis zu einer Höhe von 3,50 m, soweit sie nicht an oder im Nahebereich von Grundgrenzen errichtet werden, sowie Litfasssäulen, beides außerhalb von Schutzzonen; Ankündigungsanlagen für längstens 2 Monate;".
2. Die Beschwerdeführerin wendet (unter Hinweis auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom ,
B 803/04-9) ein, der Zweck dieser Norm bestehe darin, die Gefahr durch ein allfälliges Umstürzen einer Werbeanlage zu beherrschen, also zu verhindern, dass eine umstürzende Werbeanlage angrenzenden Grund berühre. Daher könne nach Auffassung der Beschwerdeführerin der Schutzbereich nicht weiter sein als die Werbeanlage hoch sei. Der Gesetzgeber sei nicht von einer starren Mindestentfernung ausgegangen, ansonsten hätte er dies ohne Weiteres normieren können. Auch könnten Werbeanlagen mit einer Gesamthöhe von 3,5 m nicht beliebig weit von der Grundgrenze entfernt aufgestellt werden, da sie ansonsten jeglichen Sinn verlören.
3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Im Mittelpunkt der vorliegenden Beschwerde steht die Frage, ob die verfahrensgegenständlichen Werbeanlagen bewilligungsfreie Bauvorhaben im Sinne des § 62a Abs. 1 Z 27 BO sind. Die Ausmaße der Werbeanlagen (Gesamthöhe 3,55 m bzw. 3,35 m; Länge jeweils 6,90 m) sowie der Abstand der Werbetafeln zur Grundgrenze im Ausmaß von jeweils ungefähr 4,50 m wurden im Verwaltungsverfahren von den Verfahrensparteien nicht bestritten. Mit der Formulierung "Nahebereich von Grundgrenzen" in § 62a Abs. 1 Z 27 BO hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0022, auseinandergesetzt, wobei damals die 5 m breite und 3,50 m hohe Werbetafel von der Grundstücksgrenze 4 m entfernt war. Der Gerichtshof führte (auch unter Hinweis auf einen im damaligen Verfahren ergangenen Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshof vom , B 1366/04) aus, dass dem Begriff "Nahebereich von Grundgrenzen" ein Schutzmoment innewohnt und mit dieser Abgrenzung bezweckt wird, allfällige von den Werbeanlagen ausgehende Gefahren hintanzuhalten. Das öffentliche Interesse, das hinter der Vermeidung dieser Gefahren steht, darf durch bewilligungsfreie Bauführungen, auch durch die Errichtung von Werbetafeln nicht oder kaum berührt werden. Werden solche öffentlichen Interessen berührt, dann fehlt es an der Rechtfertigung für die Bewilligungsfreiheit der errichteten Werbeanlagen. Mit dem Hinweis auf den Normzweck, nämlich die von den Werbeanlagen ausgehende Gefahren zu vermeiden, werden alle bei einem Umstürzen einer Werbetafel typischerweise auftretende Gefahrenmomente angesprochen. Dabei erscheint es evident, dass solche Tafeln typischerweise als Folge eines Wind- oder Sturmereignisses umstürzen können, wobei gerade durch die in einem solchen Fall vorherrschende Wettersituation der Gefahrenbereich durch ein Vertragen der umgestürzten oder abgerissenen Teile regelmäßig über den Radius, der der Größe der Tafel entspricht, hinaus erweitert wird (vgl. auch das hg Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0333, zu einem Abstand von 4,4 m zur - ebenfalls - Brünner Straße).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Ansicht der belangten Behörde, im vorliegenden Fall stehe die 3,35 m bzw. 3,55 m hohe und 6,90 m breite Werbetafel, die von der Grundgrenze einen Abstand von 4,50 m aufweist, im "Nahebereich dieser Grundgrenze", nicht zu beanstanden. Die Differenz zwischen dem sich aus der Tafelhöhe ergebenden Radius und dem angegebenen Abstand von der Grundgrenze erscheint in Anbetracht eines Wind- oder Sturmereignisses als zu gering, um eine Situierung der angesprochenen Tafel außerhalb des rechtsrelevanten Nahebereiches annehmen zu können.
4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | BauO Wr §129 Abs10; BauO Wr §62a Abs1 Z27; BauRallg; VwRallg; |
Schlagworte | Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2009:2006050009.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAE-80149