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VwGH vom 03.07.2018, Ra 2018/21/0013

VwGH vom 03.07.2018, Ra 2018/21/0013

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision der K K in W, vertreten durch Dr. Helmut Preyer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Rooseveltplatz 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom , KLVwG-1482/5/2017, betreffend Einstellung der Grundversorgung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kärntner Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als damit die Beschwerde gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom betreffend Einstellung der Grundversorgung der Revisionswerberin auch in Bezug auf den Zeitraum

2. bis abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Das Land Kärnten hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist pakistanische Staatsangehörige und befindet sich seit Februar 2017 als Asylwerberin in Österreich.

2 Nach Zulassung ihres Verfahrens auf internationalen Schutz wurde die Revisionswerberin am in die Grundversorgung des Landes Kärnten überstellt. Bei einer dann am durchgeführten Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab sie an, in ihrem Herkunftsland über diverse Vermögenswerte zu verfügen. Im Hinblick darauf sprach die davon in Kenntnis gesetzte Kärntner Landesregierung in der Folge mit Bescheid vom aus, dass der Revisionswerberin gemäß § 5a Abs. 1 iVm §§ 2 Abs. 1 und 2 sowie 3 Abs. 5 und 6 des Kärntner Grundversorgungsgesetzes (K-GrvG) die bisher gewährte Grundversorgung mit Wirksamkeit vom Tag der Zustellung dieses Bescheides - das war der - eingestellt werde.

3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten (LVwG) als unbegründet ab. Außerdem sprach es aus, dass eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 Das LVwG stellte fest, dass die nunmehr seit in Wien wohnhafte Revisionswerberin gegenüber der Kärntner Landesregierung erstmals anlässlich ihrer vor dieser erfolgten Einvernahme am bekannt gegeben habe, dass sie in Pakistan Vermögen (Bankkonto, Grundstücke und Goldschmuck) besitze. Gemäß ihren eigenen Angaben habe sie (zwar) am ihre Bankomatkarte verloren, weshalb sie keine Möglichkeit mehr habe, Geld von ihrem Bankkonto zu beheben; die pakistanischen Liegenschaften sowie der Goldschmuck stünden nicht im Alleineigentum der Revisionswerberin. (Ungeachtet dessen) habe die Revisionswerberin aber die ihr nach § 3 Abs. 5 K-GrvG obliegende Mitwirkungspflicht verletzt, weil sie gegenüber der Kärntner Landesregierung nicht unverzüglich ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse bekannt gegeben habe. Schon das rechtfertige gemäß § 5a Abs. 1 Z 4 K-GrvG die Einstellung der Grundversorgung. Die Revisionswerberin habe bereits seit Leistungen aus der Grundversorgung bezogen und hätte daher zumindest in der Zeit bis zum Verlust ihrer Bankomatkarte am von ihrem pakistanischen Konto Geld beheben und darauf zurückgreifen können.

5 Weiters sei festzuhalten, dass die Revisionswerberin seit nicht mehr in Kärnten wohne. Hauptwohnsitz oder Aufenthalt in Kärnten seien jedoch gemäß § 2 Abs. 1 K-GrvG Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen nach dem K-GrvG, weshalb die Leistungen aus der Grundversorgung auch von daher zu Recht eingestellt worden seien.

6 Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete, erwogen:

7 Die Revisionswerberin zeigt zutreffend auf, dass es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den hier maßgeblichen Bestimmungen des K-GrvG fehle. Die Revision ist daher zulässig, sie ist aber nur teilweise berechtigt.

8 Auszugehen ist von folgenden Bestimmungen des K-GrvG

(jeweils in der Fassung LGBl. Nr. 14/2016):

"§ 1

Zielsetzung

(1) Ziel dieses Gesetzes ist es, die vorübergehende Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde, die sich in Kärnten aufhalten, zu gewährleisten, regionale Ausgewogenheiten bei der Unterbringung anzustreben und Rechtssicherheit für die betroffenen Fremden zu schaffen.

...

§ 2

Zielgruppen

(1) Auf Leistungen nach diesem Gesetz (§§ 3 bis 5) haben - unbeschadet der Bestimmungen des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005 - hilfs- und schutzbedürftige Fremde Anspruch, die unterstützungswürdig sind und die ihren Hauptwohnsitz in Kärnten haben oder sich in Kärnten aufhalten.

(2) Hilfsbedürftig ist, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht oder nicht ausreichend von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Als eigene Mittel gelten alle Einkünfte, die dem Fremden zufließen, sowie das verwertbare Vermögen ausgenommen jene Vermögenswerte, die zur unmittelbaren Deckung des notwendigen Lebensbedarfes erforderlich sind. Bei jenen Leistungen, die ein Fremder von anderen Personen erhält, ist auch das Einkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten zu berücksichtigen, soweit dieses nicht zur Deckung des eigenen Lebensbedarfes notwendig ist. Die Landesregierung darf durch Verordnung nähere Vorschriften über den Einsatz eigener Mittel sowie das Ausmaß der Berücksichtigung des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten erlassen.

...

(6) Die Unterstützung endet jedenfalls mit dem Verlassen des Landesgebietes, soweit Österreich nicht durch internationale Normen zur Rücknahme verpflichtet ist.

§ 3

Grundversorgung

(1) Die Grundversorgung umfasst:

...

(5) Fremde, die Grundversorgung beantragen oder denen Grundversorgung gewährt werden soll, haben an der Feststellung des für die Leistungsgewährung maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken und ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse bekanntzugeben sowie jede Änderung derselben, auf Grund welcher Art und Ausmaß der Leistung neu zu bestimmen oder die Leistung einzustellen wäre, unverzüglich anzuzeigen.

(6) Die durch Verletzung der Mitwirkungs- und Anzeigepflicht gemäß Abs. 5 zu Unrecht empfangenen Leistungen sind vom Leistungsempfänger rückzuerstatten. Für die Rückerstattung dürfen Teilzahlungen bewilligt werden; sie darf ganz oder teilweise nachgesehen werden, wenn die Ziele dieses Gesetzes gefährdet würden.

(7) Über die Bestimmungen des Abs. 5 sind die Fremden gemäß § 2 Abs. 1 anlässlich der Gewährung der Hilfe zu informieren.

...

§ 5a

Einschränkung, Einstellung oder Verweigerung der Grundversorgung

(1) Grundversorgungsleistungen gemäß §§ 3 bis 5 können

eingeschränkt, eingestellt oder verweigert werden, wenn der Fremde

1. eine angebotene Leistung ablehnt, eine zugewiesene

Unterkunft nicht in Anspruch nimmt oder unbegründet oder ohne

begründete Abmeldung mehr als drei Tage verlässt,

2. den Asylantrag nicht unmittelbar nach Eintritt in das

Bundesgebiet gestellt hat,

3. innerhalb von sechs Monaten nach einer rechtskräftigen

Entscheidung in einem Asylverfahren einen weiteren Asylantrag

stellt; eine Einschränkung, Einstellung oder Verweigerung ist

nicht zulässig, wenn das Verfahren zugelassen wird (§ 28 des

Asylgesetzes 2005),

4. den Mitwirkungspflichten in Verfahren nach diesem

Gesetz, im Asylverfahren oder im fremdenpolizeilichen Verfahren

trotz Aufforderung nicht nachkommt,

5. durch sein Verhalten die Sicherheit und Ordnung in der

Unterkunft fortgesetzt und nachhaltig gefährdet; dies liegt etwa dann vor, wenn der Fremde eine die Gesundheit anderer Personen gefährdende Krankheit aufweist und trotz mehrmaliger Aufforderung Untersuchungsverpflichtungen nicht nachkommt oder den medizinischen Heilungsverlauf durch sein Verhalten gefährdet, Adressat einer Wegweisung oder eines Betretungsverbotes gemäß § 38a des Sicherheitspolizeigesetzes 1991 ist, sexuelle Übergriffe oder Belästigungen gegen Mitbewohner oder Mitarbeiter der Betreuungseinrichtung verübt oder sonstiges aggressives Verhalten an den Tag legt.

(2) Durch die Einschränkung, Einstellung oder Verweigerung der Leistungen darf die medizinische Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten des Fremden nicht gefährdet werden.

(3) Maßnahmen nach Abs. 1 erfolgen im Einzelfall, unter Bedachtnahme auf die besondere Situation insbesondere Fremder mit besonderen Bedürfnissen gemäß § 4a und unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit.

(4) Eine aufgrund von organisatorischen oder in der Person des Fremden gelegenen Gründen notwendige Änderung der zugewiesenen Unterkunft ist keine Maßnahme nach Abs. 1."

9 Während die Kärntner Landesregierung in ihrem Einstellungsbescheid offenkundig noch davon ausgegangen ist, die Revisionswerberin sei nicht "hilfsbedürftig" im Sinn von § 2 Abs. 2 K-GrvG, weil sie über ausreichende eigene Mittel verfüge, lässt sich diese Ansicht dem angefochtenen Erkenntnis nicht mehr entnehmen. Zwar findet sich - ohne Bezugnahme auf eine Gesetzesstelle, dafür aber in erkennbarem Zusammenhang mit der der Revisionswerberin angelasteten Verletzung der Mitwirkungspflicht - in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses auch der Hinweis darauf, dass es der Revisionswerberin zumindest vom

21. bis möglich gewesen wäre, Geld von ihrem pakistanischen Konto zu beheben und darauf zurückzugreifen. Damit soll aber erkennbar nur die Relevanz der der Revisionswerberin angelasteten Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht dargetan und - was zutreffend ist - nicht zum Ausdruck gebracht werden, sie sei für den hier zu beurteilenden Einstellungszeitraum nicht als "hilfsbedürftig" im Sinn der zuvor genannten Gesetzesstelle anzusehen.

10 Das LVwG führt aber, wie schon erwähnt, ins Treffen, die Revisionswerberin habe ihre Mitwirkungspflicht nach § 3 Abs. 5 K-GrvG verletzt und insoweit den Einstellungstatbestand nach § 5a Abs. 1 Z 4 K-GrvG verwirklicht.

11 Richtig ist, dass mit § 3 Abs. 5 K-GrvG Fremden, die Grundversorgung beantragen oder denen Grundversorgung gewährt werden soll, auferlegt wird, an der Feststellung des für die Leistungsgewährung maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken und ihre Vermögens- und Einkommensverhältnisse bekanntzugeben sowie jede Änderung derselben, auf Grund welcher Art und Ausmaß der Leistung neu zu bestimmen oder die Leistung einzustellen wäre, unverzüglich anzuzeigen. Schon in § 3 Abs. 7 K-GrvG wird dann aber normiert, dass die Fremden über die ihnen demnach zukommenden Obliegenheiten anlässlich der Gewährung der Hilfe zu informieren sind. (Erst) daran knüpft dann der vom LVwG herangezogene Einstellungstatbestand nach § 5a Abs. 1 Z 4 K-GrvG an, wonach Grundversorgungsleistungen (u.a.) eingestellt werden können, wenn der Fremde den Mitwirkungspflichten im Verfahren nach diesem Gesetz, im Asylverfahren oder im fremdenpolizeilichen Verfahren trotz Aufforderung nicht nachkommt.

12 Es bedarf nach der klaren Anordnung des Gesetzes daher einer Information über die bestehende Mitwirkungsverpflichtung und einer entsprechenden Aufforderung, dieser Verpflichtung nachzukommen, wobei diese Aufforderung nach Lage des Falles auch schon in der notwendigen Information enthalten sein kann. Erst wenn ein Fremder dieser Aufforderung nicht entspricht, verwirklicht er den Einstellungstatbestand nach § 5a Abs. 1 Z 4 K-GrvG.

13 Im vorliegenden Fall hat das LVwG nicht festgestellt, dass die Revisionswerberin im eben genannten Sinn informiert und aufgefordert worden sei. Auch der Revisionsbeantwortung der belangten Behörde lässt sich das im Übrigen nicht ausreichend deutlich entnehmen. Die Annahme, es sei der Einstellungsgrund nach § 5a Abs. 1 Z 4 K-GrvG gesetzt worden, hat daher keine tragfähige Basis.

14 Das LVwG hat allerdings auch damit argumentiert, dass die Revisionswerberin seit nicht mehr in Kärnten aufhältig ist. Dass seither Grundversorgung nach dem K-GrvG nicht mehr in Betracht kommt, ergibt sich über § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 dieses Gesetzes hinaus ausdrücklich aus § 2 Abs. 6 K-GrvG, wonach die Unterstützung - von einem hier nicht in Frage kommenden Ausnahmefall abgesehen - jedenfalls mit dem Verlassen des Landesgebietes endet. Insoweit handelt es sich bei § 2 Abs. 6 K-GrvG um einen selbständigen, neben jenen des § 5a Abs. 1 K-GrvG bestehenden Einstellungsgrund (siehe auch die ErläutRV zu § 2 Abs. 6 K-GrvG (Zl. -2V-LG-830/36-2006, 5), denen zufolge diese Bestimmung festlegt, dass die Unterstützung jedenfalls mit Verlassen des "Bundesgebietes" eingestellt wird). Auf ihn kommt dann aber auch die in der Revision angesprochene Abwägung nach § 5a Abs. 3 K-GrvG nicht zur Anwendung, weshalb sich im Ergebnis die Einstellung der Grundversorgung ab dem auch ohne die von der Revisionswerberin vermisste Abwägung nach der zuletzt genannten Bestimmung als rechtens erweist. Soweit mit dem angefochtenen Erkenntnis daher auch die Einstellung der Grundversorgung für den Zeitraum ab zum Ausdruck gebracht wurde, war die Revision somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Im Übrigen (Zeitraum vom 2. bis ) war der Revision aber in Anbetracht der obigen Ausführungen (Rn. 10 bis 13) Folge zu geben und das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

15 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auch auf § 50 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210013.L00
Schlagworte:
Besondere Rechtsgebiete Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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