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VwGH 22.12.2011, 2008/16/0063

VwGH 22.12.2011, 2008/16/0063

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §41 Abs1;
RS 1
Nach stRsp des VwGH sind an einen nicht angefochtenen, aufhebenden Bescheid der Vorstellungsbehörde sowohl die Gemeinde als in der Folge auch die Vorstellungsbehörde und der VwGH gebunden, und zwar nicht nur etwa an den Spruch, sondern auch an die diesen Spruch tragenden Gründe im Umfang der dort ausdrücklich geäußerten Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde, mag diese auch noch so verfehlt sein. Diese Bindungswirkung tritt (lediglich) dann nicht ein, wenn eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder der Rechtslage erfolgt ist.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 89/17/0245 E RS 2
Normen
11997E234 EG Art234;
12010E267 AEUV Art267;
EURallg;
RS 2
Einem Urteil des EuGH zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht in einem Vorabentscheidungsverfahren kommt die Wirkung zu, eine bereits vorher bestehende Rechtslage zu klären. Es verschafft daher allenfalls eine neue rechtliche Erkenntnis, die zu einer anderen rechtlichen Würdigung eines verwirklichten Sachverhaltes führt, lässt aber den Sachverhalt unberührt. Die von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführte "erga-omnes-Wirkung" bedeutet noch nicht eine Änderung der Sachverhaltsgrundlage anderer Verfahren und somit keine neu hervorgekommene Tatsache, sondern betrifft die rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes in einem anderen Verfahren (vgl. das zur Wiederaufnahme eines Getränkesteuerverfahrens ergangene hg. Erkenntnis vom , 2008/16/0148, mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der Stadt W gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IKD(Gem)-521320/11-2007-Sto/Pü, betreffend Getränkesteuer (mitbeteiligte Partei: R in W, vertreten durch Martin Friedl, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4650 Lambach, Marktplatz 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Anschluss an eine bei der B Gastgewerbe GmbH durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung im März 1997 wurde dieser mit Bescheid des Magistrats der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom die Getränkesteuer für die Jahre 1994 bis 1996 festgesetzt und eine Nachzahlung zuzüglich eines Säumniszuschlages vorgeschrieben. In der Begründung wurde u. a. "auf den zum wesentlichen Bestandteil erklärten Prüfungsbericht" verwiesen.

Im Verfahren über die dagegen erhobene Berufung brachte die B Gastgewerbe GmbH u.a. vor, dass nach dem , Restaurationsumsätze nicht als Lieferung zu beurteilen seien. Die Verabreichungen von Getränken im Rahmen von Dienstleistungen seien daher von der Getränkesteuer nicht umfasst.

Mit dem Bescheid des Stadtsenates der beschwerdeführenden Partei vom wurde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom die dagegen erhobene Vorstellung als unzulässig zurück. Mit Erkenntnis vom , Zl. 99/16/0020, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.

Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde der Vorstellung der B Gastgewerbe GmbH Folge, hob den Bescheid des Stadtsenates der beschwerdeführenden Partei vom auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Partei. Die belangte Behörde führte begründend aus, dass der , entschieden habe, dass die Steuer auf alkoholische Getränke (Getränkesteuer) im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren stehe. Diese Richtlinie sei von den österreichischen Behörden unmittelbar anzuwenden; dies bedeute, dass die Vorschreibung einer Getränkesteuer auf alkoholische Getränke ab dem Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union mit nicht rechtmäßig gewesen sei.

Mit Bescheid vom wies der Stadtsenat der beschwerdeführenden Partei in Spruchpunkt 1. die Berufung der B Gastgewerbe GmbH gegen den Bescheid vom hinsichtlich des Abgabenzeitraumes 1. Jänner bis als unbegründet ab. Er wies in seinem Spruchpunkt 2. die Berufung gegen die Getränkesteuervorschreibung für alkoholfreie Getränke hinsichtlich des Abgabenzeitraums vom bis als unbegründet ab und setzte in seinem Spruchpunkt 3. die Entscheidung über die Berufung gegen die "Vorschreibungen für alkoholische Getränke" hinsichtlich des Abgabenzeitraums bis bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. EU 2001/0007, aus.

Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung hinsichtlich "Spruchabschnitt 1. und 3." des vor ihr bekämpften Bescheids Folge, hob den Bescheid hinsichtlich der genannten Spruchabschnitte auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Partei. Hinsichtlich "Spruchabschnitt 2." des bekämpften Bescheids wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass die Getränkesteuer für 1994 nach den jeweiligen Bemessungszeiträumen (Monaten) aufzugliedern gewesen wäre. Die Vorschreibung einer Getränkesteuer für alkoholfreie Getränke für 1995 und 1996 sei zu Recht erfolgt. Hinsichtlich der Aussetzung des Verfahrens sei aus dem Verwaltungsakt nicht ersichtlich, dass § 186a Oö LAO (über die Gutschrift oder Rückzahlung der Getränkesteuer, welche Gegenstand des erwähnten Vorabentscheidungsersuchens sei) zum Tragen gekommen sei. Es sei weder über einen Rückzahlungsantrag abgesprochen noch die Getränkesteuer für alkoholische Getränke für 1995 und 1996 festgesetzt worden.

Mit Bescheid vom setzte der Stadtsenat der beschwerdeführenden Partei in Spruchpunkt 1. die Getränkesteuer für die B Gastgewerbe GmbH für 1994 getrennt nach Monaten fest. In Spruchpunkt 2. setzte er das Verfahren über die Vorschreibung der Getränkesteuer für alkoholische Getränke für bis neuerlich aus.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid vom wies der Stadtsenat der beschwerdeführenden Partei die Berufung gegen den Bescheid des Magistrats der beschwerdeführenden Partei vom ab und setzte in seinem Spruchpunkt 1. die Getränkesteuer für alkoholische Getränke für 1995 mit EUR 16.005,45 sowie für 1996 mit EUR 12.721,53 fest. In Spruchpunkt 2. wurde der Spruchpunkt 2 des in Berufung gezogenen Bescheides mit der Maßgabe "bestätigt bzw. abgeändert", dass der Säumniszuschlag mit EUR 41,08 festgesetzt werde. In seinem Spruchpunkt 3. wies er den Antrag auf Rückzahlung der bereits entrichteten Getränkesteuer als unbegründet ab. Begründend führte der Stadtsenat aus, die B Gastgewerbe GmbH betreibe ein Lokal als "Pub". Eine Steuer auf die Abgabe alkoholhaltiger Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit verstoße nach dem ("Hermann"), nicht gegen EU-Recht.

Am wurde die Umwandlung der B Gastgewerbe GmbH durch Übertragung des Unternehmens an den Gesellschafter R aufgrund des Generalversammlungsbeschlusses vom sowie die Auflösung und Löschung der B Gastgewerbe GmbH im Firmenbuch eingetragen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung Folge, hob den Bescheid des Stadtsenates der beschwerdeführenden Partei vom auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Partei. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Stadtsenat der beschwerdeführenden Partei habe übersehen, dass die belangte Behörde mit Bescheid vom der Vorstellung der B Gastgewerbe GmbH vom Folge gegeben und den vor ihr bekämpften Bescheid des Stadtsenates vom im Wesentlichen mit der Begründung aufgehoben habe, dass der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Urteil vom , Rs. C-437/97, entschieden habe, dass die Steuer auf alkoholische Getränke (Getränkesteuer) gemeinschaftsrechtswidrig sei. Diese Vorstellungsentscheidung sei nicht angefochten worden und daher in Rechtskraft erwachsen. Dies habe zur Folge, dass die tragenden Aufhebungsgründe dieses Vorstellungsbescheides im fortgesetzten Verfahren nicht nur von den Gemeindebehörden, sondern auch von der Vorstellungsbehörde (und auch vom Verwaltungsgerichtshof) zu beachten seien. Daher habe der Stadtsenat der beschwerdeführenden Partei davon ausgehen müssen, dass die Vorschreibung einer Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für 1995 und 1996 rechtswidrig gewesen sei. Ob in den genannten Jahren die B Gastgewerbe GmbH eine Bewirtungstätigkeit durchgeführt habe, spiele demnach keine Rolle. Hinsichtlich der Festsetzung des Säumniszuschlages sei unklar, wie der Spruchpunkt 2. des Bescheides des Magistrates Wels vom gleichzeitig bestätigt und abgeändert werden könne. In der Entscheidung des Stadtsenates vom fänden sich keine Ausführungen dazu. Darüber hinaus sei mit Spruchpunkt 3. der bekämpften Berufungsentscheidung (erstmals) der Antrag auf Rückzahlung der bereits entrichteten Getränkesteuer als unbegründet abgewiesen worden. Damit habe aber die Abgabenbehörde zweiter Instanz eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr in Wahrheit nicht zugekommen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die beschwerdeführende Partei macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem Recht auf "Nichtaufhebung rechtmäßiger Bescheide durch die Aufsichtsbehörde nach §§ 74 Abs. 5 und 81 Abs. 2 Statut für die Stadt Wels 1992 iVm § 74 Abs. 5 StW 1992 (Bindung an die tragenden Gründe einer aufhebenden Entscheidung)" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde und die Zuerkennung von Aufwandersatz beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die aufhebende Entscheidung hinsichtlich des Spruchpunktes 1. der (vor ihr bekämpften) Berufungsentscheidung vom auf die Bindungswirkung ihrer Vorstellungsentscheidung vom gestützt.

In den tragenden Gründen dieser Vorstellungsentscheidung vom hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, dass die Vorschreibung einer Getränkesteuer auf alkoholische Getränke ab dem gemeinschaftsrechtswidrig sei und dabei nicht dahingehend unterschieden, ob diese Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit oder etwa im Handel abgegeben wurden. Damit hat die belangte Behörde diese rechtliche Beurteilung der beschwerdeführenden Partei überbunden.

Die Beschwerdeführerin, welche ausschließlich zu diesem Teil des angefochtenen Bescheides ein Vorbringen erstattet, vertritt den Standpunkt, durch das  C- 491/03 ("Hermann"), sei eine Änderung der Sach- und Rechtslage erfolgt, welche einer Bindungswirkung entgegenstehe.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind an einen nicht angefochtenen, aufhebenden Bescheid der Vorstellungsbehörde sowohl die Gemeinde als auch in der Folge die Vorstellungsbehörde und der Verwaltungsgerichtshof gebunden, und zwar nicht nur an den Spruch, sondern auch an die diesen Spruch tragenden Gründe im Umfang der dort ausdrücklich geäußerten Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde, mag diese auch noch so verfehlt sein. Diese Bindungswirkung tritt (lediglich) dann nicht ein, wenn eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder der Rechtslage erfolgt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 89/17/0245, mwN).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2005/16/0217, ausführte, hat der EuGH im Wege seines Urteiles vom , Rs C-491/03 ("Hermann"), klargestellt, dass die Aussagen seines Urteiles vom , Rs C-437/97, bezogen auf die im Ausgangsverfahren streitige Steuer nur die bloße Lieferung von Getränken und nicht eine Dienstleistung betreffen.

Einem Urteil des EuGH zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht in einem Vorabentscheidungsverfahren kommt die Wirkung zu, eine bereits vorher bestehende Rechtslage zu klären. Es verschafft daher allenfalls eine neue rechtliche Erkenntnis, die zu einer anderen rechtlichen Würdigung eines verwirklichten Sachverhaltes führt, lässt aber den Sachverhalt unberührt. Die von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführte "erga-omnes-Wirkung" bedeutet noch nicht eine Änderung der Sachverhaltsgrundlage anderer Verfahren und somit keine neu hervorgekommene Tatsache, sondern betrifft die rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes in einem anderen Verfahren (vgl. das zur Wiederaufnahme eines Getränkesteuerverfahrens ergangene hg. Erkenntnis vom , 2008/16/0148, mwN).

Im Beschwerdefall wurde durch das Urteil des EuGH keine neue Rechtslage geschaffen, welche einer Bindungswirkung der Vorstellungsentscheidung vom entgegenstünde.

Es ist aber auch - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht davon auszugehen, dass im Beschwerdefall neu erhobene Sachverhaltselemente die Änderung der ursprünglich eingeschlagenen Verfahrenslinie begründen könnten (vgl. das von der Beschwerde genannte hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 5223 A/1960), war doch der beschwerdeführenden Partei bereits bei Erlassung ihres aufgrund einer abgabenbehördlichen Prüfung ergangenen Nachforderungsbescheides vom bekannt gewesen, dass die B Gastgewerbe GmbH die in Rede stehenden Getränke im Rahmen von Bewirtungstätigkeiten abgegeben hat (vgl. auch den Prüfbericht, auf den in der Begründung des Bescheides verwiesen wird). Es kann daher schon deswegen keine Rede von neu erhobenen Sachverhaltselementen sein.

Da das Urteil vom , Rs C-491/03 "Hermann", weder zu einer Änderung der Rechts- und Sachlage geführt hat noch sonst von neu hervorgekommenen Sachverhaltselementen auszugehen ist, hätte die beschwerdeführende Partei die Bindungswirkung der Vorstellungsentscheidung vom zu beachten gehabt.

Die beschwerdeführende Partei ist daher durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

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Normen
11997E234 EG Art234;
12010E267 AEUV Art267;
B-VG Art119a Abs5;
EURallg;
VwGG §41 Abs1;
Schlagworte
Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde
Ersatzbescheid
Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2011:2008160063.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAE-80143