VwGH vom 08.06.2010, 2010/18/0171
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des B B in W, geboren am , vertreten durch Mag. Kurt P. Nemec, M.B.L.-HSG, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 12/ 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/481835/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am illegal nach Österreich eingereist sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe, der im Instanzenzug am rechtskräftig abgewiesen worden sei.
Der Beschwerdeführer sei von der Bundespolizeidirektion Wien (der Behörde erster Instanz) im Februar 2007 wegen Lenkens eines Kfz in alkoholbeeinträchtigtem Zustand rechtskräftig mit EUR 581,--
bestraft worden (Tatzeit: ).
Nach den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren lebten in seinem Heimatland seine Eltern, ein Bruder und zwei Schwestern; in Österreich lebten zwei weitere Schwestern, allerdings nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer. (In weiterer Folge ging die belangte Behörde von drei nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer, aber im Inland lebenden Schwestern aus.)
Am habe der Beschwerdeführer in W eine türkische Staatsangehörige geheiratet; berufliche Bindungen bestünden im Bundesgebiet nicht.
In einer Stellungnahme vom verweise der Beschwerdeführer auf seine durch die lange inländische Aufenthaltsdauer bewirkte Integration und seine Heirat. Allerdings habe er keinen Sprachkurs besucht, versuche aber, die deutsche Sprache selbständig zu lernen. Sein Lebensunterhalt werde von seiner Ehefrau bestritten.
Aus einem Versicherungsdatenauszug vom ergebe sich allerdings - so die belangte Behörde weiter -, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers seit - mit Ausnahme von sechs Tagen im Mai 2009 - arbeitslos sei und seit geraumer Zeit nur mehr Notstandshilfe beziehe.
In einer weiteren Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass zu seinen Eltern und Geschwistern in der Türkei kein Kontakt mehr bestehe. Er selbst sei strafrechtlich unbescholten. Nach einer Bestätigung der Buchhaltung eines Unternehmens vom würde der Beschwerdeführer im Fall der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung als Gastronomiezusteller Verwendung finden.
Am habe der Beschwerdeführer den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen (§ 44 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG) gestellt, über den noch nicht entschieden worden sei.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 53 Abs. 1 und 66 Abs. 1 und 2 FPG - im Wesentlichen aus, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG vorliege, weil sich der Beschwerdeführer seit Ende 2008 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.
Eine Gegenüberstellung der für und gegen die Ausweisung sprechenden Umstände nach § 66 Abs. 2 FPG ergebe ein Übergewicht der Ersteren. Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu.
Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens sei im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung des Ehelebens des Beschwerdeführers in Österreich und aller sonst genannten Umstände von solchem Gewicht, dass die vorhandenen gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet, zumal der "stärkste" für den Beschwerdeführer sprechende Umstand, nämlich sein Familienleben im Inland, dadurch in seiner Bedeutung maßgeblich reduziert werde, dass der Beschwerdeführer "im Stande der Illegalität" im Inland geheiratet habe.
Schließlich dürfe der Beschwerdeführer zur Zeit erlaubterweise keiner Beschäftigung nachgehen (vgl. §§ 32 und 33 NAG); seine Ehefrau wiederum sei Notstandshilfebezieherin, sodass die Gefahr bestehe, dass der Beschwerdeführer entweder einer Gebietskörperschaft finanziell zur Last fallen oder aber eine illegale Beschäftigung auszuüben versuchen könnte. Die Tatsache einer Antragstellung im Sinn des § 44 Abs. 4 NAG vermöge die Erlassung eines Ausweisungsbescheides nicht zu hindern.
Besondere Umstände, die über die wiedergegebenen Erwägungen hinaus eine für den Beschwerdeführer positive Ermessensübung durch die Behörde zugelassen hätten, hätten weder erkannt werden können, noch seien sie vorgebracht worden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass sich der Beschwerdeführer seit der rechtskräftigen negativen Beendigung seines Asylverfahrens am unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG vorliege, begegnet somit keinen Bedenken.
2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung, die der Beschwerdeführer als mangelhaft begründet erachtet, und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass es sich bei dem Bruder in der Türkei um einen etwa zehnjährigen Nachzügler innerhalb der Familie handle, zu dem der Beschwerdeführer aufgrund des großen Altersunterschiedes keinerlei Kontakt bzw. keine innere Bindung habe. Der sich aufgrund der Altersstruktur ergebende starke familiäre Zusammenhalt existiere - insbesondere auch im Hinblick auf die daraus resultierende breite finanzielle Unterstützung - nur in Österreich mit den drei erwachsenen und arbeitenden Geschwistern des Beschwerdeführers.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde allerdings keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die belangte Behörde hat bei ihrer Beurteilung gemäß § 66 FPG den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland in der Dauer von rund sechseinhalb Jahren (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 1 FPG) und die familiären Bindungen zu seinen Schwestern und seiner türkischen Ehefrau in Österreich (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 2 FPG) berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung des Beschwerdeführers verbundenen Eingriff in dessen Privat- und Familienleben angenommen.
Die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers resultierenden persönlichen Interessen sind allerdings an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt nur aufgrund eines Asylantrages, der in der Folge abgewiesen worden ist, vorläufig erlaubt war und seit dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Abweisung dieses Antrags im Dezember 2008 unrechtmäßig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0117, mwN). Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer die Ehe mit einer türkischen Staatsangehörigen am - somit nach rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages - eingegangen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus jedenfalls bewusst sein musste (§ 66 Abs. 2 Z. 8 FPG; vgl. weiters das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0487, mwN).
Den - somit relativierten - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich seit Dezember 2008 unrechtmäßig in Österreich aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0031). In Anbetracht dieser Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und somit unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG zulässig sei, auch dann keinem Einwand, wenn man mit der Beschwerde von "relativ guten Deutschkenntnissen" des Beschwerdeführers ausgeht.
2.3. Die belangte Behörde war - im Gegensatz zu der in der Beschwerde offenbar vertretenen Auffassung - auch nicht verpflichtet, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen und den Beschwerdeführer persönlich zu befragen (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom , mwN).
3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am