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VwGH 04.08.2015, 2013/06/0052

VwGH 04.08.2015, 2013/06/0052

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
LStG NÖ 1999 §11;
LStG NÖ 1999 §12;
LStG NÖ 1999 §4 Z2;
RS 1
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Frage der Notwendigkeit der Errichtung einer Straße, die bereits im straßenrechtlichen Baubewilligungsverfahren zu prüfen ist, im nachfolgenden Enteignungsverfahren nicht mehr neuerlich hinterfragt werden kann. Dies gilt hinsichtlich der Linienführung der projektierten Straße, und zwar mit all ihren Bestandteilen gemäß § 4 Z 2 NÖ LStG 1999 (Hinweis E vom , 2010/06/0016).
Normen
LStG NÖ 1999 §11;
LStG NÖ 1999 §12;
LStG NÖ 1999 §12a;
RS 2
Soweit der Bf vorbringt, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen im Enteignungsverfahren die Frage der Situierung und Notwendigkeit der Retentionsbecken bzw. der Lärmschutzmaßnahmen aufgerollt hätte werden müssen, ist ihm zu entgegnen, dass er seinen Anspruch auf Berücksichtigung eingriffsminimierender Maßnahmen im Straßenbaubewilligungsverfahren hätte wahren müssen (Hinweis E vom , 2005/05/0193). Im Enteignungsverfahren kommt eine Aufrollung der vom Bf diesbezüglich angeschnittenen Fragen nicht in Betracht. Dies gilt auch im Hinblick auf eine allfällige Prüfung von alternativen Varianten (Hinweis E vom , 2010/06/0016).
Normen
LStG NÖ 1999 §12a Abs4;
LStG NÖ 1999 §12a;
RS 3
Gemäß § 12a Abs. 4 NÖ LStG 1999 sind die öffentlichen Interessen an einem Straßenbauvorhaben mit allfälligen gegenläufigen öffentlichen Interessen und den geschützten Rechten der vom Vorhaben betroffenen Parteien, insbesondere mit dem Schutz des Grundeigentums, abzuwägen. Eine Straßenbaubewilligung kommt gar nicht in Frage, wenn ein Widerspruch zu den Bestimmungen des § 12a NÖ LStG 1999 vorliegt, der nicht durch Auflagen im straßenrechtlichen Baubewilligungsbescheid beseitigt werden kann (§ 12 Abs. 6 NÖ LStG 1999). Mit anderen Worten, wenn die Bestimmungen des § 12a NÖ LStG 1999 eingehalten sind, scheidet eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers aus, sodass es nicht mehr auf mögliche Alternativen ankommen kann.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Maga. Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde des Ing. T S in P, vertreten durch Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-SL-46/008-2012, betreffend Enteignung nach dem Niederösterreichischen Straßengesetz (mitbeteiligte Partei: Land Niederösterreich, Landesstraßenbau), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom stellte das Land Niederösterreich gegen den Beschwerdeführer einen Enteignungsantrag.

In der Folge erstattete die Amtssachverständige Dipl. Ing. P. das agrartechnische Gutachten vom .

Am fand vor der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung statt. Dabei erhob der Beschwerdeführer gegen den Enteignungsantrag Einwendungen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurden nach dem Niederösterreichischen Straßengesetz - NÖ StrG unter Spruchpunkt I. näher genannte, dem Beschwerdeführer gehörende Flächen enteignet, und zwar nach Maßgabe des Enteignungsplanes dauerhaft und lastenfrei zugunsten des Landes Niederösterreich zum Zweck der Errichtung der Umfahrung M, H und P im Zuge der Landesstraßen B XX (M Straße) und B XY (S Straße). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, die ab Baubeginn dreijährige vorübergehende Grundinanspruchnahme näher genannter, im Enteignungsplan dargestellter Grundflächen zur Lagerung von Humus während der Errichtung der gegenständlichen Straße zu dulden. Unter Spruchpunkt II. wurde für die dauerhafte Grundinanspruchnahme eine Entschädigung von EUR 107.437,33 und für die vorübergehende Grundinanspruchnahme eine solche von EUR 2.169,90 festgesetzt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, mit Bescheid (zu ergänzen: der Niederösterreichischen Landesregierung) vom sei dem Land Niederösterreich die Errichtung und der Betrieb des gegenständlichen Straßenbauvorhabens gemäß § 5

Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000), und damit auch nach dem Niederösterreichischen Straßengesetz 1999 (NÖ StrG), bewilligt worden (Anmerkung: der Bescheid vom nennt als Rechtsgrundlagen u.a. ausdrücklich auch die §§ 5, 9 und 12 NÖ StrG). Der dagegen erhobenen Berufung der Bürgerinitiative P. habe der Umweltsenat mit Bescheid vom insoweit stattgegeben, als zwar der Spruch abgeändert worden sei; im Übrigen sei der Berufung aber keine Folge gegeben worden. Der Berufungsbescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Daher liege ein rechtskräftiger Straßenbaubewilligungsbescheid vor.

Die Amtssachverständige für Agrartechnik habe ein Gutachten zur Feststellung der Höhe der Entschädigung erstellt.

Seitens des Enteignungswerbers sei zu gütlichen Grundeinlöseverhandlungen u.a. betreffend den Beschwerdeführer bei der mündlichen Verhandlung Folgendes ausgeführt worden:

"In allen vier Fällen, die heute verhandelt werden, muss festgestellt werden, dass es im Vorfeld umfangreiche Besprechungen, Verhandlungen und auch Schriftsätze gab, in denen den Grundeigentümern privatrechtliche Ablöseangebote auf Basis von Gutachten bzw. gutachterlichen Stellungnahmen der DI Steinwender & Partner GmbH vom bzw. des Sachverständigen für Landwirtschaft des NÖ Gebietsbauamtes K Dipl.- Ing. E überreicht wurden. Alle betroffenen Grundeigentümer, in der Folge bzw. auch durch ihre rechtsfreundliche Vertretung Dr. Heinrich Vana, Wien, erklärten, mit diesen Ablöseangeboten nicht einverstanden zu sein. Einerseits forderten sie höhere Ablösebeträge, andererseits für die abzutretenden Grundflächen Tauschgrundstücke in verschiedenen Größenordnungen.

Nachdem von Seiten des Landes NÖ diese Forderungen nicht akzeptiert werden können, auch mangels von Tauschgrundstücken, und es auf Grund der bereits mehrmals erfolglos geführten Gespräche offensichtlich ist, dass es in allen vier Fällen zu keiner gütlichen Einigung kommen wird, musste von Seiten des Landes NÖ in allen Fällen, S Ing. T, S Ing. G, S Ing. M und W M, der Antrag gestellt werden, die für das Straßenprojekt erforderlichen Grundflächen der genannten Grundeigentümer im Wege eines behördlichen Enteignungsverfahrens dem Land NÖ zur Verfügung zu stellen."

Der Vertreter des Beschwerdeführers habe Folgendes zu Protokoll gegeben:

-1. Ing. S macht geltend, dass durch das gegenständliche Projekt in einem Ausmaß in seinem Grund und Boden und in die Möglichkeit, diesen zu bewirtschaften eingegriffen wird, das im Sinne der Judikatur zum Enteignungsrecht nicht notwendig und damit nicht gerechtfertigt ist. Dazu vorerst hinsichtlich der Grundstücke in der KG L im Einzelnen:

2. Lage der Retentionsbecken: Aus Sicht von Ing. S wäre durch eine Verlegung der Retentionsbecken in den 'Kreisel' eine bedeutend schonendere Grundinanspruchnahme technisch möglich gewesen.

3. Gleiches gilt für den geplanten Lärmschutzdamm, der weder am gegebenen Standort und auch nicht in der geplanten Höhe zwingend notwendig ist. Im Detail: Durch eine Errichtung eines Lärmschutzes direkt an der Straße wäre dieser weitaus effektiver und würde (beispielsweise in Form einer Wand) Grund und Boden bedeutend weniger in Anspruch nehmen. Die Deponierung von Schüttmaterial zur Ausgestaltung eines Immissionsschutzes ist nicht zwingend notwendig.

4. Die von Ing. S bewirtschafteten Flächen werden durch das Projekt 'auseinander geschnitten'. Im Sinne einer schonenden Inanspruchnahme hat Ing. S gefordert, dass durch Güterwege beide Flächen so verbunden werden, dass sie mit vertretbarem Aufwand 'in Einem' bewirtschaftet werden können (in Vorgesprächen im Rahmen des Versuchs einer gütlichen Einigung war die Errichtung einer Brücke über die L Gegenstand der Diskussion). Das vorliegende Projekt sieht keine entsprechenden Güterwege vor, sodass das Projekt schon aus diesem Grund nicht enteignungsfähig ist.

5. In den Vorgesprächen hat Ing. S darauf verwiesen, dass er - ausgehend von vergleichbaren Projekten in der Region, durch das Projekt eine Vernässung von Teilen seiner Liegenschaft (angrenzend an das Projekt) befürchtet. Im Enteignungsverfahren wird geltend gemacht, dass eine Grundinanspruchnahme nur dann zulässig ist, wenn entsprechende Maßnahmen im Projekt vorgesehen sind, um solche negativen Auswirkungen hintan zu halten.

6. Zur Illustration des oben Gesagten wird eine Skizze vorgelegt, die von der NÖ Landesregierung im Zuge der Vorgespräche erstellt wurde.

Weiters wird zum Nachweis dafür, dass die in L betroffenen Flächen stets zusammenhängend waren und 'in Einem' bewirtschaftet wurden vorgelegt Hofkarte vom .

Der in der Hofkarte noch (im Rahmen der Kommassierung) als geplant dargestellte 'Graben' wurde einvernehmlich nie umgesetzt und hat in der Natur auch tatsächlich nie bestanden. Zum Nachweis dafür wird ein Auszug aus dem Grundkataster - noch vor der Kommassierung - vorgelegt.

7. Lediglich am Rande wird zur Höhe der Entschädigung darauf hingewiesen, dass die Fläche 5560, KG P, zur Schottergewinnung geeignet ist."

Der Vertreter des Beschwerdeführers habe weiters ausgeführt, Prüfrahmen des Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens sei die Umweltverträglichkeit im Sinne des Gesetzes. Zu den zu beachtenden Schutzgütern gehöre zugegebenermaßen auch das Eigentum. Dies ändere aber nichts daran, dass für die Frage, ob und in welchem Umfang in das Eigentum tatsächlich eingegriffen werden dürfe, die Entscheidung im Enteignungsverfahren getroffen werde.

In der weiteren Bescheidbegründung führte die belangte Behörde aus, im Straßenbaubewilligungsverfahren sei der Beschwerdeführer Partei gewesen und hätte etwaige Einwendungen erheben können. Bestandteil des rechtskräftigen Bescheides sei auch der Grundeinlöseplan von Dipl. Ing. S. Die zur Enteignung beantragten Grundstücksflächen des Beschwerdeführers seien jene im Grundeinlöseplan bezeichneten Flächen, die für die Errichtung der bewilligten Straße auf Grund des Straßenbaubewilligungsbescheides benötigt würden. Genau diese Grundeinlösepläne seien auch im Enteignungsverfahren eingereicht worden. Die Enteignung von anderen Flächen sei nicht beantragt worden. Gemäß dem rechtskräftigen UVP-Bescheid seien ein Lärmschutzwall und ein Retentionsbecken auf den Grundstücken Nr. 2026 und 2029, KG L, des Beschwerdeführers Bestandteil des Straßenprojektes. Ein Infragestellen der Linienführung der projektierten Straße samt allen ihren Bestandteilen komme im Enteignungsverfahren nicht in Betracht. Auch die Vernässung seiner Grundstücke in der KG L bzw. Maßnahmen gegen diese Vernässung seien Einwände, die der Beschwerdeführer im UVP-Verfahren hätte geltend machen müssen. Im Enteignungsverfahren sei darauf nicht näher einzugehen. Des Weiteren seien mit dem rechtskräftigen UVP-Bescheid weder eine Brücke über die L noch Güterwege zur Verbindung der beiden Restflächen der beiden Grundstücke Nr. 2026 und 2029, KG L, bewilligt worden. Diese Maßnahmen wären daher, wie auch die Errichtung einer Lärmschutzwand statt eines Lärmschutzwalls an anderer Stelle als bewilligt und die Verlegung des Retentionsbeckens, Projektänderungen. Die Bewilligung einer Projektänderung sei jedoch nicht Gegenstand eines Enteignungsverfahrens. Dafür sei ein eigenes Straßenbaubewilligungs- bzw. UVP-Verfahren durchzuführen. Da diese Projektänderungen nicht bewilligt worden seien, habe die Enteignungsbehörde von dem bewilligten Projekt auszugehen und demgemäß die dafür notwendigen Grundflächen zu enteignen, wenn auch alle sonstigen Voraussetzungen einer Enteignung gemäß § 11 NÖ StrG vorlägen. Schließlich begründete die belangte Behörde die Festsetzung der Entschädigung gemäß Spruchpunkt II.

Gegen diesen Bescheid, inhaltlich lediglich gegen Spruchpunkt I., richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

In der Beschwerde wird eingeräumt, dass nach ständiger hg. Rechtsprechung Grundlage des Enteignungsverfahrens jene Gestaltung des Straßenbauvorhabens sei, die dieses durch den straßenrechtlichen Baubewilligungsbescheid erhalten habe. Dennoch entspreche es der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, dass die Enteignungsbehörde die Notwendigkeit der Heranziehung des jeweiligen Grundstücks zu prüfen und zu begründen habe. Die belangte Behörde habe es unterlassen, eine entsprechende "Notwendigkeitsprüfung" angesichts der Einwendungen des Beschwerdeführers durchzuführen. Ihrer Bezugnahme auf den UVP-Genehmigungsbescheid sei entgegenzuhalten, dass der Zweck der UVP eine integrative Prüfung und Bewertung aller Umweltauswirkungen eines Vorhabens unter Beteiligung der Öffentlichkeit sei. Der Umweltsenat habe es unterlassen, eine Alternativprüfung durchzuführen. Nach der Auffassung des Umweltsenates sei im Genehmigungsverfahren die Prüfung von Standort und Trassenvarianten auf den vom Projektwerber selbst gezogenen Rahmen des Variantenvergleichs beschränkt. Die Argumentation der belangten Behörde, dass im Genehmigungsverfahren eine Alternativprüfung vorgenommen worden sei und der Beschwerdeführer in diesem Verfahren genügend Möglichkeiten zur Erhebung eines Einspruches gehabt habe, sei somit verfehlt. Gegenstand der Prüfung sei ausschließlich das eingereichte Projekt gewesen. Die Alternativbetrachtung vermittle lediglich dem Projektwerber die Möglichkeit, die Rationalität des (ausschließlich) von ihm definierten Projekts anhand von Vergleichen mit Alternativen zu untermauern. Letztlich führe das Vorgehen der belangten Behörde zu einer massiven Rechtsschutzlücke, die mit dem Grundsatz des Enteignungsrechts, wonach lediglich enteignet werden dürfe, wenn dies im öffentlichen Interesse unbedingt notwendig sei, nicht in Einklang zu bringen sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, das Entwässerungsbecken könne auch in den Kreisel verlegt werden und die Lärmschutzmaßnahmen könnten weniger eingriffsintensiv und effektvoller als Lärmschutzwand umgesetzt werden, könne, wie vom Umweltsenat ausgeführt worden sei, nach den gesetzlichen Vorschriften von der UVP-Behörde und dem Umweltsenat nicht geprüft werden. Soweit die Enteignungsbehörde eine Prüfung dieser Fragen nicht durchführte, führe dies in der Praxis dazu, dass der Beschwerdeführer enteignet werde, ohne dass die Notwendigkeit der Enteignung im öffentlichen Interesse nachgeprüft worden sei. Dies widerspreche den Grundsätzen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die Enteignung lediglich dann durchgeführt werden dürfe, wenn es unmöglich sei, den im öffentlichen Interesse liegenden Bedarf anders als durch Enteignung zu decken (Verweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 3666). Letztlich werde dem Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid die Möglichkeit genommen, Argumente vorzubringen, die darlegten, dass die Inanspruchnahme seiner Grundstücke nicht (oder nur in geringerem Umfang) notwendig sei, um das allenfalls im öffentlichen Interesse liegende Projekt zu verwirklichen. Damit werde auch das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK verletzt, da sich die Behörde mit dem Vorbringen der Partei nicht auseinandersetze. Das Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit zur Notwendigkeit der Enteignung verletze auch das Verbot der Willkür. Hätte die Behörde die Einwendungen des Beschwerdeführers geprüft, wäre sie zu einer anderen Entscheidung gelangt. Sie hätte die Enteignung mangels Notwendigkeit versagen müssen. Der Verfassungsgerichtshof habe zum Grundrecht aus dogmatischer Sicht allgemeine verfassungsrechtliche Vorgaben entwickelt, wonach Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen nur zulässig seien, soweit der Eingriff (neben anderen Voraussetzungen) das gelindeste zum Ziel führende Mittel darstelle. Die Errichtung einer Lärmschutzwand anstelle des Lärmschutzwalles, für dessen Errichtung Grund und Boden des Beschwerdeführers enteignet werde, die Verlegung des Versickerungsbeckens in den Kreisel und die Errichtung einer Brücke über die L seien für die Bewilligungsfähigkeit der Enteignung im Sinne der Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs essentiell. Damit liege auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde vor. Außerdem sei die Behauptung aktenwidrig, dass mit dem rechtskräftigen UVP-Bescheid weder eine Brücke über die L noch Güterwege zur Verbindung der beiden Restflächen der beiden Grundstücke Nr. 2026 und 2029, KG L, bewilligt worden seien. Der Beschwerdeführer lege dazu aus dem Genehmigungsverfahren den Flurplan L-B vor, auf dem zu erkennen sei, dass ein Schotterweg in der Länge von 70 m samt Brücke über die L die beiden Restflächen der Grundstücke Nr. 2026 und 2029 verbinde. Die belangte Behörde hätte feststellen müssen, dass nach dem aktuellen Flurplan L-P ein Schotterweg in der Länge von 70 m samt Brücke über die L die beiden Restflächen der Grundstücke Nr. 2026 und 2029 verbinde. Sie hätte damit zum Ergebnis kommen müssen, dass eine Enteignung nur dann zulässig sei, wenn dieser Güterweg samt Brücke errichtet werde.

Die belangte Behörde weist in ihrer Gegenschrift darauf hin, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht behauptet habe, dass im UVP-Verfahren eine Alternativprüfung vorgenommen worden sei. Außerdem bestehe keine Aktenwidrigkeit, zumal die belangte Behörde ausgeführt habe, dass mit dem rechtskräftigen UVP-Bescheid weder eine Brücke über die L noch Güterwege zur Verbindung der beiden Restflächen des Beschwerdeführers bewilligt worden seien.

§ 4 des Niederösterreichischen Straßengesetzes 1999

(NÖ StrG), LGBl. Nr. 8500-2, lautet auszugsweise:

"§ 4 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

1. Straßen:

Grundflächen, die unabhängig von ihrer Bezeichnung (Straße, Weg, Platz udgl.) dem Verkehr von Menschen, Fahrzeugen oder Tieren dienen oder dienen sollen;

2. Bestandteile einer Straße (Straßenbauwerke):

a) unmittelbar dem Verkehr dienende Anlagen, wie Fahrbahnen, Gehsteige, Rad- und Gehwege, Parkplätze, Abstellflächen, Haltestellen, der Grenzabfertigung dienende Flächen, Zu- und Abfahrten und Bankette,

b) bauliche Anlagen im Zuge einer Straße, wie Tunnels, Brücken, Durchlässe, Straßengräben, -böschungen, Stütz- und Wandmauern und Anlagen zur Ableitung anfallender Wässer,

c) im Zuge einer Straße gelegene Anlagen, die dem Schutz der Nachbarn vor Beeinträchtigungen durch den Verkehr auf der Straße (z.B. Lärmschutzwände) oder der Verkehrssicherheit (z.B. Leiteinrichtungen) dienen,

d) im Zuge einer Straße gelegene Flächen, die der Kompensation der bei der Errichtung und dem Betrieb einer Straße entstehenden Umweltauswirkungen dienen;

..."

§ 11 NÖ StrG idF LGBl. Nr. 8500-2 lautet auszugsweise:

"§ 11 Enteignung

(1) Das Eigentum an Grundstücken und Bauwerken darf vom Straßenerhalter durch Enteignung in Anspruch genommen werden

o für den Bau, die Umgestaltung und Erhaltung einer Straße oder o zur Umwandlung einer für den allgemeinen Verkehr

notwendigen Privatstraße nach § 7 in eine öffentliche Straße.

(2) Abs. 1 gilt auch für die dauernde Einräumung, Abtretung, Einschränkung oder Aufhebung von dinglichen Rechten. Werden Eisenbahngrundstücke für Zwecke nach Abs. 1 beansprucht, gelten hiefür die eisenbahnrechtlichen Vorschriften.

(3) Über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang einer Enteignung nach Abs. 1 und 2 hat die Landesregierung zu entscheiden. In dem Bescheid ist auch die Höhe der Entschädigung festzusetzen.

..."

§ 12 NÖ StrG idF LGBl. Nr. 8500-2 lautet auszugsweise:

§ 12 Bewilligungsverfahren

(1) Für den Bau und die Umgestaltung einer öffentlichen Straße ist eine Bewilligung der Behörde erforderlich.

...

(6) Die Behörde hat über einen Antrag auf Bewilligung einen schriftlichen Bescheid zu erlassen.

Der Bewilligungsbescheid hat die Vorschreibung jener Auflagen, durch deren Erfüllung den Bestimmungen der §§ 9, 12a und 13 Abs. 2 entsprochen wird, zu enthalten.

Liegt ein Widerspruch zu den Bestimmungen der §§ 9, 12a und 13 Abs. 2 vor, der nicht durch Auflagen im Bewilligungsbescheid beseitigt werden kann, ist der Antrag abzuweisen.

..."

§ 12a NÖ StrG idF LGBl. Nr. 8500-2 lautet auszugsweise:

§ 12a Öffentliches Interesse

(1)Im Bewilligungsverfahren gemäß § 12 ist zu prüfen, ob das Straßenbauvorhaben im öffentlichen Interesse liegt.

(2) Ein Straßenbauvorhaben liegt insbesondere dann im öffentlichen Interesse, wenn

...

(3) ...

(4) Die öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 sind mit allfälligen gegenläufigen öffentlichen Interessen und den geschützten Rechten der vom Vorhaben betroffenen Parteien, insbesondere mit dem Schutz des Grundeigentums, abzuwägen."

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ein rechtskräftiger Straßenbaubewilligungsbescheid vorliegt. Er bestreitet auch nicht, dass er im Straßenbaubewilligungsverfahren Parteistellung gehabt und den Straßenbaubewilligungsbescheid nicht bekämpft hat.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Frage der Notwendigkeit der Errichtung einer Straße, die bereits im straßenrechtlichen Baubewilligungsverfahren zu prüfen ist, im nachfolgenden Enteignungsverfahren nicht mehr neuerlich hinterfragt werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0016, mwN). Dies gilt hinsichtlich der Linienführung der projektierten Straße, und zwar mit all ihren Bestandteilen gemäß § 4 Z 2 NÖ StrG (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom ).

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen im Enteignungsverfahren die Frage der Situierung und Notwendigkeit der Retentionsbecken bzw. der Lärmschutzmaßnahmen aufgerollt hätte werden müssen, ist ihm zu entgegnen, dass er seinen Anspruch auf Berücksichtigung eingriffsminimierender Maßnahmen im Straßenbaubewilligungsverfahren hätte wahren müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0193). Im jetzigen Enteignungsverfahren kommt eine Aufrollung der vom Beschwerdeführer diesbezüglich angeschnittenen Fragen nicht in Betracht. Dies gilt auch im Hinblick auf eine allfällige Prüfung von alternativen Varianten (vgl. dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom ).

Wenn der Beschwerdeführer auf den Zweck des UVP-Verfahrens verweist und vermeint, dass im Hinblick darauf die Bindung an den gegenständlichen Straßenbaubewilligungsbescheid gemindert wäre, ist ihm entgegenzuhalten, dass im Rahmen des UVP-Verfahrens auch die Voraussetzungen der straßenrechtlichen Baubewilligung nach dem NÖ StrG geprüft wurden, wie dies die belangte Behörde auch festgestellt hat. Dazu zählte insbesondere auch die Interessenabwägung gemäß § 12a Abs. 4 NÖ StrG (vgl. § 12 Abs. 6 NÖ StrG).

Was den vom Beschwerdeführer angesprochenen Güterweg und die Brücke über die L betrifft, macht der Beschwerdeführer nicht geltend, dass diesbezügliche Maßnahmen etwa als Auflagen oder Bedingungen in der Straßenbaubewilligung vorgesehen wären. Der vom Beschwerdeführer vorgelegte (undatierte) Flurplan trägt keinen Genehmigungsvermerk, und der Beschwerdeführer bringt auch nicht vor, dass dieser Plan bescheidmäßig genehmigt worden wäre.

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Alternativprüfung im Straßenbaubewilligungsverfahren möglich gewesen wäre, und zwar schon im Hinblick darauf, dass gemäß § 12a Abs. 4 NÖ StrG die öffentlichen Interessen an einem Straßenbauvorhaben mit allfälligen gegenläufigen öffentlichen Interessen und den geschützten Rechten der vom Vorhaben betroffenen Parteien, insbesondere mit dem Schutz des Grundeigentums, abzuwägen sind, und eine Straßenbaubewilligung gar nicht in Frage kommt, wenn ein Widerspruch zu den Bestimmungen des § 12a NÖ StrG vorliegt, der nicht durch Auflagen im straßenrechtlichen Baubewilligungsbescheid beseitigt werden kann (§ 12 Abs. 6 NÖ StrG). Mit anderen Worten, wenn die Bestimmungen des § 12a NÖ StrG eingehalten sind, scheidet eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers aus, sodass es nicht mehr auf mögliche Alternativen ankommen kann.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am

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Normen
LStG NÖ 1999 §11;
LStG NÖ 1999 §12;
LStG NÖ 1999 §12a Abs4;
LStG NÖ 1999 §12a;
LStG NÖ 1999 §4 Z2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:2013060052.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAE-80123