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VwGH vom 08.06.2010, 2010/18/0150

VwGH vom 08.06.2010, 2010/18/0150

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des S S, geboren am , vertreten durch Dr. Zoe van der Let-Vangelatou, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/87.449/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer im August 2002 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich gelangt sei und am einen Asylantrag gestellt habe. Bei einer Befragung zu seinen Dokumenten am habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass ihm sein Reisepass in Russland von einem Schlepper abgenommen worden sei. Der Beschwerdeführer habe ab dem über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt; sein Asylantrag sei schließlich im Instanzenzug mit Bescheid des Asylgerichtshofes vom unter gleichzeitiger Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien zulässig sei, rechtskräftig abgewiesen worden.

In der Berufung werde erstmals ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Besitz eines Reisepasses sei, dessen Ablichtung er anlässlich seines am gestellten Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "im Sinne des humanitären Bleiberechtes" beigeschlossen hätte; aus den vorgelegten Kopien sei zu entnehmen, dass dieser auf den Beschwerdeführer am in W ausgestellte Reisepass auf den Familiennamen B. und die Vornamen S.S. laute und ein Duplikat eines am ausgestellten Reisepasses darstelle.

Der Beschwerdeführer sei seit im Gewerberegister als "Marktfahrer" gemäß § 154 Abs. 5 Gewerbeordnung eingetragen und nach seinen eigenen Angaben bereits seit Jahren bei der K.Z.u.Z. GmbH als selbständiger Zeitungskolporteur tätig, wobei der monatliche Nettodurchschnittsverdienst EUR 595,70 betrage. Der Beschwerdeführer sei erst seit als gewerblich selbständiger Erwerbstätiger sozialversichert; einem aktuellen Versicherungsdatenauszug "der österreichischen Sozialversicherung" zufolge hafteten im Zeitraum vom bis zum bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft nicht bezahlte Beiträge aus.

Der Beschwerdeführer gebe an, in Österreich zwar keine Verwandten in gerader Linie, aber Cousins und weitere Verwandte sowie gute Freunde zu haben, die für ihn die Familie darstellten. In diesem Zusammenhang habe er zwei Cousins ersten Grades namentlich angeführt, die jedoch nicht an der Wohnadresse des Beschwerdeführers wohnten.

Im Verfahren zur Erlassung der vorliegenden Ausweisung habe der Beschwerdeführer keine Angaben zu seinem Familienstand gemacht. Nach seinen Angaben im Asylverfahren lebten sein zum damaligen Zeitpunkt 75 Jahre alter Vater, seine zum damaligen Zeitpunkt 33 Jahre alte Ehefrau sowie seine beiden (damals 14 Jahre bzw. 13 Jahre alten) Söhne im Heimatland des Beschwerdeführers.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sich der Beschwerdeführer seit der rechtskräftigen Beendigung seines Asylverfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmungen des § 66 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien.

Im Hinblick auf den langjährigen und wegen der Zuerkennung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz auch zum Teil rechtmäßigen inländischen Aufenthalt sowie die familiäre, private und berufliche Situation des Beschwerdeführers sei zweifelsfrei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in dessen Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff erweise sich jedoch als zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße der unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet im Anschluss an ein rechtskräftig negativ beendetes Asylverfahren jedoch gravierend. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers ableitbare Integration sei in ihrem Gewicht dadurch entscheidend gemindert, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet nur aufgrund eines sich als unberechtigt erweisenden Asylantrages vorläufig berechtigt gewesen und seit der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages unrechtmäßig sei. Der Beschwerdeführer hätte sich seines unsicheren aufenthaltsrechtlichen Status bewusst sein müssen.

Dazu komme, dass der Beschwerdeführer im Zuge des Asylverfahrens hinsichtlich seiner wahren Identität falsche Angaben gemacht habe. Zu dem vom Beschwerdeführer mehrfach behaupteten "Antrag auf Gewährung eines Aufenthaltstitels im Sinne des humanitären Bleiberechtes" vom sei auszuführen, dass nach einem aktuellen Auszug aus dem Fremdeninformationssystem bei dem - dafür zuständigen - Landeshauptmann von Wien kein solches Verfahren protokolliert sei. Allerdings sei der Beschwerdeführer mangels besonders berücksichtigungswürdiger Umstände ohnehin nicht in der Lage, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren.

Der Beschwerdeführer habe weder zum Zeitpunkt seiner illegalen Einreise noch während seines Asylverfahrens darauf bauen dürfen, sich im Bundesgebiet zum Zweck einer selbständigen Berufsausübung bzw. zum Führen von "familienähnlichen Beziehungen zu weitschichtig Verwandten" niederlassen zu können. Der Beschwerdeführer habe auch nicht behauptet, dass er die sozialen Kontakte zu seinen im Heimatland verbliebenen engen Familienangehörigen zur Gänze eingestellt habe oder dass dieser Kontakt nicht wieder aufgenommen werden könnte. Die Erlassung der Ausweisung sei somit dringend geboten und daher zulässig im Sinn des § 66 FPG.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände sehe die belangte Behörde auch keine Veranlassung, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass sich der Beschwerdeführer seit der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages durch die Entscheidung des Asylgerichtshofes vom unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Das Vorbringen in der Beschwerde, dass der Beschwerdeführer einen Antrag "auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne des humanitären Bleiberechtes" gestellt habe, vermag daran nichts zu ändern, weil nach ständiger hg. Rechtsprechung die Anhängigkeit eines Niederlassungsverfahrens zu keiner Einschränkung der behördlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung führt (vgl. etwa zuletzt das Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0078, mwN).

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass sich der Beschwerdeführer seit über sieben Jahren - den Großteil davon nicht rechtswidrig - in Österreich aufgehalten habe, hier einer Beschäftigung nachgehe, strafgerichtlich unbescholten sei und eine sehr enge Beziehung zu seinen Verwandten im Inland bestehe, auch wenn diese nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer lebten. Der Beschwerdeführer habe keine Bindung mehr zum Heimatstaat.

Dass der Beschwerdeführer nicht nach der Entscheidung des Asylgerichtshofs ausgereist sei, bedeute keine Störung der öffentlichen Ordnung; da die vorliegende Ausweisung mit rechtlichen Mitteln bekämpft werden könne, sollte es selbstverständlich sein, dass der Beschwerdeführer während des offenen Verfahrens darüber im Land verbleiben dürfe.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung nach § 66 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit August 2002, dessen Tätigkeit als Selbständiger sowie seine Beziehungen zu im Inland lebenden Verwandten und guten Freunden berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen.

Die daraus ableitbare Integration des Beschwerdeführers wird in ihrem Gewicht jedoch dadurch entscheidend gemindert, dass sein Aufenthalt nach seiner Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle im August 2002 und seine (selbstständige) Erwerbstätigkeit nur aufgrund des von ihm gestellten Asylantrages vorläufig berechtigt waren und seit der rechtskräftigen negativen Beendigung des Asylverfahrens unberechtigt sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0087). Die Beschwerde bestreitet auch nicht, dass im Heimatstaat des Beschwerdeführers nach wie vor dessen enge Angehörige - nämlich sein Vater, seine Ehefrau und seine beiden Söhne - leben, sodass zumindest von gewissen Bindungen an seinen Heimatstaat auszugehen ist (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 5 FPG).

Insgesamt kommt somit den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet - trotz der etwa siebeneinhalbjährigen Dauer seines inländischen Aufenthaltes und auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, dass er strafgerichtlich unbescholten sei, -

kein nennenswertes Gewicht zu.

Den somit relativierten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - gegenüber, dass der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt seit Beendigung des Asylverfahrens das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, gravierend beeinträchtigt hat.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und daher gemäß § 66 FPG zulässig sei, begegnet daher keinen Bedenken.

2.3. Aufgrund des Gesagten geht auch die in der Beschwerde im Zusammenhang mit der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung erhobene Verfahrensrüge ins Leere.

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am