VwGH vom 24.09.2009, 2008/16/0049
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Bayer, über die Beschwerde 1. der M H in C (USA), 2. des A H in B (USA), 3. des B H in W (USA) und 4. des E H in N (USA), alle vertreten durch Dr. Friedrich Schwank, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 34, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom , Zl. Jv 50910 - 33a/08, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Zahlungsauftrag wurde den Beschwerdeführern für das Verfahren 56 Cg 116/00s des LG für ZRS Wien ein Betrag in der Höhe von EUR 16.134,64 (nach den Behauptungen in der Beschwerde) vorgeschrieben.
Am langte beim Landesgericht für ZRS Wien ein Antrag der Beschwerdeführer auf Nachlass der "Gerichtskosten" gem. § 9 Abs. 2 GEG ein, der folgenden Wortlaut hat:
"Ich nehme Bezug auf den Zahlungsauftrag zu 56 Cg 116/00s vom betreffend die Pauschalgebühr in Höhe von EUR 16.134,64 zzgl. Einhebungsgebühr. Eine Mahnung des Zahlungsauftrages wurde von der Einbringungsstelle direkt an unsere Mandanten, die Erben nach P H, übersandt.
Die Familie nach P H hat mehrere Gerichtsverfahren in Österreich gegen den mittlerweile verstorbenen Vizepräsidenten des LG für ZRS, Herrn HR Dr. K S, geführt. Trotz einer Vielzahl von Verdachtsmomenten und umfangreicher Beweisangebote musst die Familie H jedoch letztendlich zur Kenntnis nehmen, dass die österreichischen Gesetze nicht bereit sind, eine zivil- und/oder strafrechtliche Verantwortung eines ehemaligen Gerichtsvizepräsidenten in Erwägung zu ziehen.
Die einzuhebende Pauschalgebühr kann aus den in Österreich noch vorhandenen Mitteln der Familie H nicht mehr vollständig beglichen werden. Auf unserem Treuhandkonto befindet sich jedoch für die Familie noch ein Betrag in Höhe von EUR 9.262,53. Dieser Betrag wird zur Vermeidung von Eintreibungsmaßnahmen an die Einbringungsstelle überwiesen.
Aufgrund der von der Familie H angestrengten zahlreichen Gerichtsverfahren wurden damit insgesamt über EUR 23.700 an die österreichische Justiz bezahlt.
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Familie Holub ein Opfer des Nationalsozialismus war. Vor der Vertreibung des Erblassers P H durch die Nazis besaß dieser bzw. dessen Vater ein blühendes Wirtschaftsunternehmen in Österreich.
Aus all diesen Gründen stellten wir im Namen der Erben nach
Paul Edward Holub den Antrag
die übrigen Gerichtskosten gemäß § 9 Abs 2 GEG zu erlassen."
Die belangte Behörde gab diesem Antrag nicht statt. Sie begründete ihren Bescheid unter Verneinung eines öffentlichen Interesses am Nachlass der Gerichtsgebühren damit, den Beschwerführern sei als Erben des verstorbenen P H im Verfahren 1 A 15/99z des BG Neulengbach ein Nachlass eingeantwortet worden, der nach Abzug von Nachlasspassiva in der Höhe von ATS 50.000,-- einen reinen Überschuss in der Höhe von ATS 16.209.491,48 aufgewiesen habe. Angesichts dieser Summe könne in der Einbringung eines Betrages von restlich EUR 6.894,15 (ein Teilbetrag von EUR 9.247,85 sei inzwischen eingezahlt worden) nicht mehr von der vom § 9 Abs. 2 GEG geforderten besonderen Härte gesprochen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf den beantragten Nachlass verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gem. § 9 Abs. 2 GEG können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Die Beschwerde meint, im vorliegenden Fall sei ein öffentliches Interesse an dem von den Beschwerdeführern angestrebten Nachlass deswegen gegeben, weil die Familie H in der Zeit zwischen 1938 und 1945 Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei.
Wörtlich bringt die Beschwerde dazu Folgendes vor:
"Das österreichische Wirtschaftsunternehmen der Familie H ist während der Zeit zwischen 1938 und 1945 zerschlagen worden. Die jüdische Familie H konnte ihr Leben nur durch die Flucht in die USA retten.
Schon aus diesen Gründen liegt besondere Härte und ein öffentliches Interesse für den Nachlass von Gebühren und Kosten im Sinne des § 9 Abs 2 GEG vor. Weiters liegt das öffentliche Interesse in der Reputation Österreichs gegenüber ehemaligen österreichisch-jüdischen Familien, welche zwischen 1938 Tod, Leid und Vertreibung erfahren und auch Vermögen in Österreich zurücklassen mussten, nunmehr aber für ihre Rechte und Wiedergutmachung kämpfen."
Nach ständiger hg. Judikatur kann ein öffentliches Interesse am Nachlass einer vorgeschriebenen Gebühr nur in jenen Fällen gegeben sein, in denen dieses Interesse unmittelbar am Nachlass der Gebühr besteht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/16/0200 mwN). Ausgehend von dem dazu im Antrag vom erstatteten Vorbringen stützten sich die Beschwerdeführer ausdrücklich darauf, dass der spätere Erblasser P H durch die Nazis aus Österreich vertrieben worden sei, er und sein Vater hätten ein blühendes Wirtschaftsunternehmen in Österreich besessen.
Ungeachtet des schrecklichen Schicksals des genannten Erblassers, auf das sich die Beschwerde stützt, fehlt es aber zwischen diesem Ereignis und der Jahrzehnte später durch die Beschwerdeführer selbst im Wege ihrer Prozessführung zu 56 Cg 116/00s des LG für ZRS Wien gegen eine mittlerweile verstorbene beklagte Partei ausgelösten Gerichtsgebührenschuld an dem geforderten unmittelbaren Zusammenhang und damit an dem erforderlichen unmittelbaren öffentlichen Interesse am begehrten Nachlass.
Das Verschulden jener Kräfte, die die Vertreibung des später verstorbenen Erblassers aus Österreich zu verantworten hatten, vermag der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil die Beschwerdeführer im Wege des begehrten Nachlasses jetzt offenbar eine in anderen Verfahren anzustrengende Wiedergutmachung anstreben. Es ist aber nicht das Ziel der Vorschrift des § 9 Abs. 2 GEG die Substituierung einer allfälligen Wiedergutmachung für Schäden durch die Verfolgung während der NS-Zeit im Wege eines Nachlasses von Gerichtsgebühren herbeizuführen (vgl. dazu das zur Frage der Substituierung eines Amtshaftungsbegehrens durch ein Begehren auf Nachlass von Gerichtsgebühren ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/16/0227 und die dort zitierte Vorjudikatur).
Ein öffentliches Interesse am beantragten Nachlass liegt somit nicht vor.
Da die Beschwerdeführer des weiteren dem Hinweis im angefochtenen Bescheid, es sei ihnen nach dem verstorbenen Erblasser ein Reinnachlass in der Höhe von ATS 16,209.491,48 eingeantwortet worden, in der Beschwerde nicht entgegentreten, durfte die belangte Behörde auch frei von Rechtswidrigkeit das Vorhandensein der vom Gesetz für einen Nachlass geforderten besonderen Härte verneinen. Ungeachtet der Höhe des in der Zeit zwischen 1938 und 1945 dem verstorbenen Erblasser entzogenen Vermögens ist ausgehend von den Feststellungen der belangten Behörde den Beschwerdeführern jedenfalls ein Betrag zugeflossen, der eine besondere Härte in Bezug auf eine jetzt bestehende Zahllast von restlich EUR 6.849,15 ausschließt. Dazu kommt, dass der Hinweis im Antrag der Beschwerdeführer, dass in Österreich zur Zeit der Antragstellung nur mehr ein Betrag von EUR 9.262,53 (der zwischenweilig offenbar zur Bezahlung eines Teiles der Gebührenschuld verwendet wurde) vorhanden gewesen sei, keinesfalls ausschließt, dass die Beschwerdeführer außerhalb Österreichs über weiteres Vermögen verfügen, welches ihnen eine Bezahlung des offenen Restbetrages ohne Härte ermöglicht.
Da es schließlich nach der ständigen hg. Judikatur (vgl. dazu nochmals das oben schon zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2005/16/0200) Sache des Antragstellers ist, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die der begehrte Nachlass gestützt werden kann, haftet dem angefochtenen Bescheid auch der Verfahrensfehler unzureichender Sachverhaltsermittlungen nicht an, weil die Beschwerdeführer weder in ihrem seinerzeitigen Antrag noch in Widerlegung der Bescheidbegründung in der Beschwerde ihre aktuelle Einkommens- und Vermögenssituation dargestellt haben.
Aus allen diesen Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid frei von Rechtswidrigkeit, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand zu nehmen, zumal auch ein Anwendungsfall des Art 6 Abs. 1 EMRK nicht vorliegt.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II 455.
Wien, am