VwGH vom 07.08.2013, 2013/06/0036

VwGH vom 07.08.2013, 2013/06/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des Dr. RT in L, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/I, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A 17- 031418/2006/0004, betreffend einen Bauauftrag (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom wurde dem Beschwerdeführer - gestützt auf § 41 Abs. 3 iVm § 19 Z 1 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk. BauG 1995) - aufgetragen, die "im Erdgeschoss nördlich des Hauszuganges eingebauten Fenster mit weißem Rahmen binnen 6 Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen."

In der dagegen erhobenen Berufung bzw. Berufungsergänzung führte der Beschwerdeführer aus, es handle sich bei der verfahrensgegenständlichen Anlage um keinen Zu-, Um- oder Neubau, weshalb der auf § 19 Z 1 Stmk. BauG 1995 gestützte Bescheid rechtswidrig sei. Die Fenster seien bereits im Jahr 1981 eingebaut worden. Mit Rücksicht auf den Einbau in der Zeit zwischen und handle es sich bei der Anlage um einen rechtmäßigen bzw. bewilligt zu geltenden Bestand nach § 40 Stmk. BauG 1995. Der Einbau sei 1981 durch den damaligen Mieter F. erfolgt. Dieser erinnere sich noch, dass er für die Genehmigung eines Zuschusses entsprechende Auflagen (wie vorzunehmende Leimung mit weißen Kunststoffplatten, um eine entsprechende Optik zu erzielen, Schallschutzfenster etc.) erfüllt habe. Der Beschwerdeführer sei erst nach dem Ableben seiner Mutter im Jahre 1988 grundbücherlicher Eigentümer dieser Liegenschaft geworden. Unterlagen seien aufgrund der bereits langen verstrichenen Zeit nicht mehr vorhanden.

Am wurde eine Erhebung durch einen Baukontrollor durchgeführt, welcher feststellte, dass die im Beseitigungsauftrag vom genannten Fenster nicht entfernt wurden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge, änderte jedoch von Amts wegen den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend ab, dass nach der Wortfolge "eingebauten Fenster" "(3 Stück)" eingefügt wurde. Ansonsten wurde der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, "das verfahrensgegenständliche Gebäude (…) liegt gemäß § 2 GAEG in der Zone III". Nach Wiedergabe des Inhaltes der § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und Abs. 3 sowie des § 6 Abs. 3 Grazer Altstadterhaltungsgesetz 1980 (GAEG 1980) und des § 41 Abs. 3 sowie des § 4 Z 56 Stmk. BauG 1995 gab die belangte Behörde die ständige hg. Rechtsprechung wieder, wonach eine bauliche Anlage dann als vorschriftwidrig gilt, wenn sie sowohl zum Zeitpunkt ihrer Errichtung als auch zum Zeitpunkt der Erlassung des baupolizeilichen Auftrages einer baubehördlichen Bewilligung bzw. Genehmigung bedurfte bzw. bedarf, eine solche jedoch nicht vorliegt.

Bezugnehmend auf das GAEG 1980 führte die belangte Behörde aus, der Fenstertausch widerspreche diesen Bestimmungen. "Auch nach dem GAEG 1980 idgF LGBl. 2008/96 fällt ein Fenstertausch unter größere Instandsetzungen eines Gebäudes."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Fall sind die Steiermärkische Bauordnung 1968 (Stmk. BauO 1968) idF LGBl. Nr. 55/1977, das Stmk. BauG 1995 in der Fassung LGBl. Nr. 78/2012, von Bedeutung.

§ 57 Abs. 1 Stmk. BauO 1968 lautet (auszugsweise):

"§ 57

Bewilligungspflicht

(1) Einer Bewilligung der Baubehörde bedürfen:

a) Neubauten oder Bauten, bei denen nach Abtragung oder Zerstörung eines bestehenden Baues dessen Grund- und Kellermauern ganz oder teilweise wiederverwendet werden;

b) Zubauten, das sind Vergrößerungen von Bauten in waagrechter oder lotrechter Richtung;

c) Umbauten, Bauveränderungen und Änderungen des Verwendungszweckes von Bauten oder Teilen derselben, die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Sicherheit, die äußere Gestaltung und die gesundheitlichen Verhältnisse von Einfluß sein können oder auf welche die Bestimmungen dieses Gesetzes in Ansehung der Rechte der Nachbarn anzuwenden sind;

d) …

(2) …"

Unter einem Umbau ist gemäß § 4 Z 58 Stmk. BauG 1995 die Umgestaltung des Inneren oder Äußeren einer bestehenden baulichen Anlage, die die äußeren Abmessungen nicht vergrößert oder nur unwesentlich verkleinert, jedoch geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren (z.B. Brandschutz, Standsicherheit, äußeres Erscheinungsbild), bei überwiegender Erhaltung der Bausubstanz, zu verstehen.

§ 19 Z 1 und 40 Abs. 2 und 3 Stmk. BauG 1995 lauten

(auszugsweise):

"§ 19

Baubewilligungspflichtige Vorhaben Bewilligungspflichtig sind folgende Vorhaben, sofern sich aus

den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt:

1. Neu-, Zu- oder Umbauten von baulichen Anlagen sowie größere Renovierungen (§ 4 Z 34a);

2. …

§ 40

Rechtmäßiger Bestand

(1) ...

(2) Weiters gelten solche bauliche Anlagen und Feuerstätten als rechtmäßig, die zwischen dem und errichtet wurden und zum Zeitpunkt ihrer Errichtung bewilligungsfähig gewesen wären.

(3) Die Rechtmäßigkeit nach Abs. 2 ist über Antrag des Bauwerbers oder von Amts wegen zu beurteilen. Dabei ist die zum Zeitpunkt der Errichtung des Baues maßgebliche Rechtslage zu berücksichtigen. Liegen die Voraussetzungen nach Abs. 2 vor, hat die Behörde die Rechtmäßigkeit festzustellen. Der Feststellungsbescheid gilt als Bau- und Benützungsbewilligung.

(4) ..."

§ 41 Abs. 3 Stmk. BauG 1995 lautet (auszugsweise):

"§ 41

Baueinstellung und Beseitigungsauftrag

(1) …

(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.

(4) …"

Der Verwaltungsgerichtshof sprach - wie im angefochtenen Bescheid auch zutreffend ausgeführt wird - wiederholt aus, dass die Erteilung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG 1995 nur dann in Betracht kommt, wenn die Errichtung eines bestimmten Baues sowohl zum Zeitpunkt der Bauausführung als auch zum Zeitpunkt der Erteilung des Beseitigungsauftrages bewilligungspflichtig bzw. anzeigepflichtig bzw. zwar bewilligungsfrei, aber gegen Bestimmungen des Stmk. BauG 1995 verstoßend war (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/06/0001, und vom , Zl. 98/06/0177).

Dazu macht der Beschwerdeführer geltend, aufgrund der mangelhaften Begründung des angefochtenen Bescheides sei nicht erkennbar, ob der im Jahr 1981 erfolgte Einbau der drei weißen Fenster sowohl zu diesem Zeitpunkt als auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Beseitigungsauftrages einer Bewilligungspflicht unterlegen sei. Es sei daher nicht ersichtlich, ob diese wesentliche Voraussetzung für die Erteilung des verfahrensgegenständlichen Beseitigungsauftrages erfüllt sei.

Mit diesen Ausführungen behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht, dass der verfahrensgegenständliche Einbau der drei weißen Fenster nicht sowohl nach der Stmk. BauO 1968 als auch nach dem Stmk. BauG 1995, jeweils in den hier anzuwendenden Fassungen, bewilligungspflichtig gewesen wäre. § 19 Z 1 i.V.m. § 4 Z 58 Stmk. BauG 1995 sieht eine Bewilligungspflicht für Umbauten vor, die geeignet sind, das äußere Erscheinungsbild einer baulichen Anlage zu verändern. Der Austausch von braunen durch weiße Fenster kann zweifelsohne auf die äußere Gestaltung eines Gebäudes von Einfluss sein (§ 57 Abs. 1 lit. c Stmk. BauO 1968). Im Ergebnis kann daher die Ansicht der belangten Behörde, dass der Austausch der verfahrensgegenständlichen Fenster sowohl zum Zeitpunkt des Einbaus im Jahr 1981 als auch bei Erlassen des Beseitigungsauftrages grundsätzlich einer baubehördlichen Bewilligung bedurft hätte, eine solche jedoch nicht vorliege, trotz mangelhafter Begründung (siehe dazu die bei Walter/Thienel , Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) zu § 60 AVG E 145 ff dargestellte hg. Judikatur) nicht als rechtswidrig erkannt werden.

In der Berufung brachte der Beschwerdeführer auch vor, es liege ein rechtmäßiger Bestand (§ 40 Abs. 2 Stmk. BauG 1995) vor, weil die bauliche Anlage zwischen und - nämlich im Jahr 1981 - errichtet worden sei und daher als bewilligt zu gelten habe. Damit setzte sich die belangte Behörde überhaupt nicht auseinander und traf auch keine entsprechenden Feststellungen. § 40 Abs. 2 Stmk. BauG kommt nämlich - bei gleichheitskonformer Auslegung - nicht nur zur Anwendung, wenn im angegebenen Zeitraum eine bauliche Anlage "errichtet" im engeren Wortsinn wird, sondern auch bei konsensbedürftigen Nutzungsänderungen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/06/0011, und vom , Zl. 2010/06/0109) oder - wie im vorliegenden Fall - bei konsensbedürftigen Umbauten. Eine diesbezügliche Prüfung wäre jedoch erforderlich gewesen, weil die Frage der Rechtmäßigkeit einer baulichen Anlage als Vorfrage vor dem Erlassen eines Beseitigungsauftrages gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG 1995 zu klären ist (vgl. dazu die Ausführungen in Hauer/Trippl , Steiermärkisches Baurecht4, Anm. 7 zu § 40 Stmk. BauG 1995).

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die Rechtmäßigkeit der gegenständlichen baulichen Maßnahme nicht ausreichend prüfte, war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Auf das übrige Beschwerdevorbringen, insbesondere zu der von der belangten Behörde erstmals - ohne vorher ein Parteiengehör durchgeführt zu haben - herangezogenen Rechtsgrundlage des GAEG, war dabei nicht mehr einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am