VwGH vom 21.03.2013, 2013/06/0035
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofrätinnen Dr. Bayjones sowie Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde 1. des H L, 2. des C M, 3. der A S 4. des T B, 5. der A M, 6. des S Ö, 7. des M P, 8. der D A und 9. des M A, alle in H, alle vertreten durch Mag. Martin Steinlechner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 17/P, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. RoBau-8-1/800/1-2012, betreffend die Abweisung eines Bauansuchens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde und des vorgelegten, angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:
Mit Eingabe vom zeigte die beschwerdeführende Miteigentümerin des Baugrundstückes den Neubau eines Carports und die Herstellung einer Überdachung im Bereich des Müll- und Fahrradabstellplatzes im Ausmaß von insgesamt 116,3 m2 bei einem näher genannten Bestandsobjekt in der Gemeinde H. an.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde H. vom wurde das Bauansuchen wegen Widerspruchs zu raumordnungsrechtlichen Vorschriften abgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass für das gegenständliche Grundstück ein ergänzender Bebauungsplan erlassen worden sei, der eine maximale Bebauungsdichte von 0,29 festlege. Diese sei bereits mit dem Bestandsobjekt erreicht worden. Unter Berücksichtigung der angezeigten Überdachungen werde eine Bebauungsdichte von 0,43 erreicht, was im Widerspruch zu dem ergänzenden Bebauungsplan Nr. 10/2010 stehe.
Die dagegen eingebrachte Berufung der beschwerdeführenden Parteien wurde mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde H. vom als unbegründet abgewiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der beschwerdeführenden Parteien vom als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, mit Baubescheid vom sei die baubehördliche Bewilligung unter anderem für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit sechs Wohneinheiten (nunmehr als Bestandsobjekt bezeichnet) samt oberirdischen Parkplätzen nach Maßgabe der einen Bestandteil des Bescheides bildenden Pläne unter Auflagen erteilt worden. Aus der Baubeschreibung gehe hervor, dass im Norden neben einem neugeplanten Müllhaus sowie einem Fahrradabstellplatz auch ein Kinderspielplatz errichtet werden solle. Im Lageplan sei in diesem Bereich ein Flugdach angeführt, im Einreichplan "Erdgeschoss" sei eine Fläche "Müll" kenntlich gemacht. Es fehlten jedoch im Grundriss, in den Ansichten und Schnitten diesbezügliche Angaben bzw. Bemaßungen.
Gegenstand der baubehördlichen Entscheidung sei ausschließlich das durch die Baubeschreibung und die erforderlichen Pläne konkretisierte Bauansuchen. Aus der Baubeschreibung ("im Norden wird neben einem neugeplanten Müllhaus …") könne noch nicht auf eine Baubewilligung für die Errichtung eines "Müllhauses" geschlossen werden. Für den Inhalt der Bewilligung seien auch die genehmigten Pläne maßgeblich; darin sei ein Gebäude oder eine überdachte bauliche Anlage nicht ausgeführt oder bemaßt worden, weshalb eine solches von der Bewilligung nicht mitumfasst sei. Auch die beschwerdeführenden Parteien seien offensichtlich nicht davon ausgegangen, dass eine Überdachung mitgenehmigt worden sei, andernfalls hätten sie eine Bauanzeige für den Neubau eines Carports bzw. einer Überdachung im Bereich der Fahrräder/Müll wohl nicht eingebracht.
Mit Hinweis auf § 61 Abs. 4 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 (TROG 2011) sowie § 2 Abs. 16 und Abs. 20 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) führte die belangte Behörde weiter aus, bei den gegenständlich beantragten Carports bzw. Überdachungen für KFZ-Stellplätze und im Bereich des Müll- und Fahrradabstellplatzes handle es sich nicht um untergeordnete Bauteile sondern um Nebenanlagen im Sinn des § 2 Abs. 10 TBO 2011, die bei der Berechnung der Bebauungsdichte auch dann zu berücksichtigen seien, wenn von einer (überwiegend) offenen, freistehenden Überdachung auszugehen sei. Auch aus dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien, dass nicht die gänzliche Neuerrichtung von Carports, sondern nur die Bewilligung der Überdachung von bereits bestehenden Stellplätzen auf bereits versiegelten Flächen beantragt werde, was zu keiner Ausweitung der tatsächlich bereits bebauten Fläche führe, sei nichts zu gewinnen, weil die angezeigten Überdachungen im Ausmaß von insgesamt 116,3 m2 im Widerspruch zu den Festlegungen des ergänzenden Bebauungsplanes Nr. 10/2010 stünden, wobei es nicht von Relevanz sei, ob es sich bei den bereits errichteten Stellplätzen um befestigte und somit bebaute Flächen handle. Die höchstzulässige Bebauungsdichte von 0,29 werde bereits durch das Bestandsobjekt erreicht, wobei nicht überdachte Abstellplätze in dieser Berechnung unberücksichtigt blieben.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 61 Abs. 4 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 (TROG 2011), LGBl. Nr. 56/2011, lautet wie folgt:
"§ 61
Baudichten
(1) …
(4) Die Bebauungsdichte ist das zahlenmäßige Verhältnis zwischen der bebauten Fläche und der Fläche des Bauplatzes mit Ausnahme jener Teile, die Verkehrsflächen im Sinn des § 2 Abs. 20 der Tiroler Bauordnung 2011 sind. Bei der Berechnung bleiben untergeordnete Bauteile außer Betracht.
(5) …"
§ 2 Abs. 1, 10, 14 sowie 16 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011), LGBl. Nr. 57/2011, lauten wie folgt:
"§ 2
Begriffsbestimmungen
(1) Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.
(2) …
(10) Nebengebäude sind Gebäude, die aufgrund ihres Verwendungszweckes einem auf demselben Grundstück befindlichen Gebäude funktionell untergeordnet und nicht für Wohnzwecke bestimmt sind, wie Garagen, Geräteschuppen, Gartenhäuschen und dergleichen. Nebenanlagen sind sonstige bauliche Anlagen, die aufgrund ihres Verwendungszweckes einem auf demselben Grundstück befindlichen Gebäude funktionell untergeordnet sind, wie Überdachungen, Stellplätze, Zufahrten und dergleichen.
(11) …
(14) Stellplätze sind außerhalb von Gebäuden liegende Flächen, die zum Abstellen von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern bestimmt sind.
(15) …
(16) Untergeordnete Bauteile sind Vordächer, Dachkapfer, Fänge, Windfänge, Freitreppen, offene Balkone, Sonnenschutzeinrichtungen und dergleichen, fassadengestaltende Bauteile wie Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen, unmittelbar über dem Erdgeschoß angebrachte offene Schutzdächer sowie an baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen, Sonnenkollektoren und Photovoltaikanlagen.
(17) …"
Die beschwerdeführenden Parteien wiederholen ihr bisheriges Vorbringen, dass die Überdachung der KFZ-Abstellplätze bei der Berechnung der Bebauungsdichte nicht zu berücksichtigen sei, weil die überdachten Bereiche überwiegend offen und als "untergeordnete Bauteile" im Sinn des TROG 2011 anzusehen seien. Das TROG 2011 unterscheide in seiner Begriffsbestimmung und - verwendung nicht zwischen untergeordneten Bauteilen und baulichen Nebenanlagen. Unter dem Begriff "untergeordnete Bauteile" in § 61 Abs. 4 TROG 2011 würden die differenzierten Begriffe der TBO wie "Nebenanlage" und "untergeordnete Bauteile" subsumiert; diese würden weder bei der Berechnung der Baumasse noch bei jener der Bebauungsdichte berücksichtigt. Die geplante bauliche Maßnahme entspreche der Intention des Gesetzgebers, der in den erläuternden Bemerkungen zur TBO 2011 ausgeführt habe: "Um eine bessere bauliche Benutzung der Grundstücke zu ermöglichen, sollen oberirdische bauliche Anlagen, die zumindest überwiegend offen sind, in den Mindestabstandsflächen ebenso zulässig sein, wie Stellplätze einschließlich der Zufahrten (vgl. Wolf , Tiroler Baurecht, Stand , Seite 83 ff)".
Es trifft zwar zu, dass das TROG 2011 keine Begriffsbestimmungen enthält. Auf Grund des engen fachlichen Zusammenhanges zwischen dem Tiroler Bau- und Raumordnungsrecht ist jedoch davon auszugehen, dass die Begriffsbestimmungen des § 2 TBO 2011 grundsätzlich auch dem TROG 2011 zugrunde liegen. Im vorliegenden Fall verwendet das TROG 2011 exakt jene Begriffe, die in § 2 TBO 2011 definiert sind, und verweist teilweise auch ausdrücklich auf diese Bestimmung. Es gibt keinerlei Hinweise dafür, dass ausgerechnet der Begriff "untergeordnete Bauteile" in § 61 Abs. 4 TROG 2011 mit einer anderen Bedeutung verwendet werden sollte als mit jener, die sich aus der Definition in § 2 Abs. 16 TBO 2011 ergibt (vgl. diesbezüglich auch Schwaighofer , Tiroler Raumordnungsrecht, Rz 1 zu § 61 TROG 2006).
Die belangte Behörde beurteilte die gegenständlichen "Carports" somit zutreffend nicht als "untergeordnete Bauteile" im Sinn des § 2 Abs. 16 TBO 2011, sondern als Nebenanlagen gemäß § 2 Abs. 10 TBO 2011. Daran vermag auch der Beschwerdehinweis auf die erläuternden Bemerkungen zur TBO 2011 nichts zu ändern. "Carports" sind nämlich keine bloßen Flächen, die zum Abstellen von Kraftfahrzeugen bestimmt sind, somit keine bloßen Stellplätze im Sinn des § 2 Abs. 14 TBO 2011, die bei der Berechnung der Abstände baulicher Anlagen gemäß § 6 TBO 2011 unberücksichtigt bleiben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/06/0163).
Die Beschwerde bringt weiter vor, die Überdachung des Müllhauses sei bereits mit Bescheid vom rechtskräftig genehmigt worden; durch die "Abweisung" des gegenständlichen "Antrages" werde in unzulässiger Weise in diesen rechtskräftigen Baubescheid eingegriffen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid geht die Beschwerde nicht ein.
Dazu ist Folgendes auszuführen: Da die festgelegte Bebauungsdichte mit dem Bestandsobjekt bereits erreicht wurde, ist jede weitere Bebauung, die eine Erhöhung der Dichte bewirkt, unzulässig. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob die Überdachung des Müllhauses bereits genehmigt wurde oder nicht, weil die gegenständliche Bauführung jedenfalls auf Grund ihres Widerspruchs zu den Festlegungen des Bebauungsplanes zu untersagen war. Ein unzulässiger Eingriff in einen rechtskräftigen Bescheid kann schon deshalb nicht erkannt werden, weil im gegenständlichen Verfahren lediglich die Ausführung der mit Eingabe vom angezeigten baulichen Anlagen untersagt wurde. Auf eine allenfalls bereits genehmigte Überdachung des Müllhauses hat dies keinen Einfluss.
Gemäß § 27 Abs. 3 TBO 2011 ist das Bauansuchen ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn bereits auf Grund des Ansuchens offenkundig ist, dass das Bauvorhaben (Z 3 erster Fall) einem Bebauungsplan widerspricht. Bereits aus diesem Grund ist die Rüge des unterlassenen Parteiengehörs nicht zielführend. Im Übrigen kann Gegenstand des Parteiengehörs nur der von der Behörde festzustellende, maßgebende Sachverhalt, nicht aber dessen rechtliche Würdigung sein (vgl. etwa die in Walter/Thienel , Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 284 ff und E 413 ff zu § 45 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Die belangte Behörde ging daher zutreffend davon aus, dass die angezeigte Überdachung im Ausmaß von 116,03 m2 bei der Berechnung der Baudichte zu berücksichtigen ist. Da die Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach die gegenständlich festgelegte Bebauungsdichte von maximal 0,29 mit dem Bestandsobjekt bereits erreicht wurde, unbestritten blieb, stand einer Genehmigung des gegenständlichen Bauvorhabens somit die im Bebauungsplan festgelegte Bebauungsdichte entgegen.
Die Beschwerde war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am