VwGH vom 07.11.2012, 2010/18/0122
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des D M, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1139/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und 2 iVm § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Nach dem Verweis auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen begründend aus, der Beschwerdeführer sei nach eigenen Angaben im Jahr 1998 nach Österreich gereist und habe anschließend Aufenthaltstitel ab erhalten, der letzte sei vom bis gültig gewesen und für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" ausgestellt worden.
Am sei der Beschwerdeführer erstmals vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß §§ 33 Abs. 2a, 33 Abs. 2b Finanzstrafgesetz, §§ 156 Abs. 1 und 2 (161 Abs. 1), 223 Abs. 2, 224 StGB, § 114 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer vor allem im Jahr 2002 Abgabenverkürzungen an Umsatzsteuervorauszahlungen in Höhe von EUR 87.946,56, Lohnsteuer in Höhe von EUR 32.706,38 und Dienstgeberbeiträge für Familienbeihilfe in Höhe von EUR 10.002,-- bewirkt habe, durch verdeckte Gewinnausschüttungen der GmbH einen Schaden anderer Gläubiger in Höhe von zumindest EUR 70.000,-- herbeigeführt habe, durch Lichtbildaustausch verfälschte, auf den Namen einer anderen Person lautende Urkunden im Rechtsverkehr gebraucht habe und als Geschäftsführer der GmbH Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung in der Höhe von EUR 26.913,84 zwar einbehalten, dem berechtigten Sozialversicherungsträger jedoch vorsätzlich vorenthalten habe.
Zuletzt sei der Beschwerdeführer abermals vom Landesgericht für Strafsachen Wien am gemäß § 28 Abs. 2 und 3 SMG, § 15 StGB, § 27 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon 14 Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Dem liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer gewerbsmäßig Cannabisharz in einer großen Menge, und zwar am über 1 kg brutto an einen anderen verkauft und am über 2 kg brutto zu verkaufen versucht habe sowie seit Ende Sommer 2002 Cannabisprodukte, zuletzt einen "Joint" täglich zum Eigenverbrauch erworben und besessen habe.
Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne die dafür erforderliche Lenkberechtigung gemäß § 1 Abs. 3 FSG an datumsmäßig genannten Tagen sowie wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gemäß § 5 Abs. 1 StVO, ebenfalls an konkret genannten Tagen, bzw. gemäß § 14 Abs. 8 FSG am rechtskräftig bestraft worden.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, es könne sohin kein Zweifel bestehen, dass die in § 60 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FPG normierten Tatbestände verwirklicht seien. Das dargestellte Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit - hier: das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Betrugshandlungen und der Suchtgiftkriminalität sowie der Einhaltung der verwaltungsrechtlichen Vorschriften - in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der §§ 61 und 66 leg. cit. - (auch) im Grunde des § 60 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien.
Der Beschwerdeführer lebe seit dem Jahr 1998 durchgehend im Bundesgebiet und verfüge im Inland über familiäre Bindungen zu seiner Mutter und seinem Bruder, die beide über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügten, sowie zu einer Tante und zwei Onkeln. Es sei daher von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens - dringend geboten und im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zulässig. Das wiederkehrende (großteils gleichgelagerte) strafbare Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche augenfällig, dass er nicht gewillt sei, die für ihn maßgeblichen Rechtsvorschriften seines Gastlandes einzuhalten, weshalb eine Verhaltensprognose keinesfalls zu seinen Gunsten gestellt werden könne, dies umso weniger, als er seine Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz gewerbsmäßig begangen habe und Suchtmitteldelikten eine immanente Wiederholungsgefahr zugrunde liege.
Im Rahmen der Interessenabwägung sei auf den knapp 12- jährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet Bedacht zu nehmen. Eine daraus ableitbare relevante Integration sei jedoch durch den Umstand, dass die dafür erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert werde, wesentlich relativiert. Der Beschwerdeführer sei zwar regelmäßig, aber mit ständigen Unterbrechungen und Arbeitgeberwechseln einer Beschäftigung nachgegangen und seit Ende Dezember 2008 arbeitslos, sodass von einer beruflichen Integration nicht ausgegangen werden könne. Die familiären Bindungen seien durch die eingetretene Volljährigkeit des Beschwerdeführers ebenfalls zu relativieren. Da der Beschwerdeführer seine gesamte Schulausbildung in seiner Heimat absolviert und dort auch eine Lehre als Autospengler begonnen, jedoch nicht abgeschlossen habe, sei davon auszugehen, dass er seine Muttersprache perfekt beherrsche, in seinem Heimatland eine Arbeitsstelle finden und bestehende soziale oder familiäre Bindungen erneuern und neue soziale Kontakte knüpfen könne. Die belangte Behörde sei somit zum Ergebnis gelangt, dass die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen an der Einhaltung der (verwaltungs-)strafrechtlichen Vorschriften und Normen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Angesichts der Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten könne sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet auch unter Berücksichtigung seiner familiären Situation im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens nicht in Kauf genommen werden. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes sei dadurch gerechtfertigt, dass der Beschwerdeführer mit Suchtmitteln gehandelt und sich beharrlich den verwaltungsrechtlichen Strafnormen widersetzt habe, was eine offenbare Negierung maßgeblicher, zum Rechtsgüterschutz aufgestellter Vorschriften erkennen lasse. Vor dem Hintergrund des dargestellten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall der von ihm ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer gesteht ausdrücklich die strafgerichtlichen Verurteilungen zu und bekämpft auch nicht die Feststellungen über das den Strafurteilen zugrunde liegende Fehlverhalten.
Die Beschwerde rügt die Verletzung des Parteiengehörs betreffend Feststellungen verwaltungsrechtlicher Bestrafungen, weil er von einigen Übertretungen erst durch den angefochtenen Bescheid Kenntnis erlangt habe und auf getilgte Verurteilungen nicht Bezug zu nehmen sei. Darüber hinaus hätte die belangte Behörde unabhängig von den Erwägungen des Gerichtes über die Strafbemessung für die Beurteilung des Aufenthaltsverbotes die Gefährlichkeitsprognose an seinem Gesamtverhalten orientieren müssen.
Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die belangte Behörde stellte das den strafgerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers ausreichend konkret fest und begründete die zu Lasten des Beschwerdeführers getroffene Gefährdungsprognose vor allem mit der gewerbsmäßigen Begehung des Suchtmittelhandels. Diesen betrieb der Beschwerdeführer zudem mit nicht unbedeutenden Mengen, was einer positiven Zukunftsprognose entgegensteht. Zwar trifft der Beschwerdevorwurf zu, dass die belangte Behörde vor Feststellung der verwaltungsrechtlichen Bestrafungen dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit zur Stellungnahme bot, doch zeigt die Beschwerde nicht auf, was bei Einräumung des Parteiengehörs dazu vorgebracht worden wäre, außer über einzelne Bestrafungen noch nicht in Kenntnis gewesen zu sein. Die Verwaltungsübertretungen nicht begangen zu haben oder sonstige für das Fehlen einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr sprechende Umstände werden auch in der Beschwerde nicht dargestellt, sodass es dieser Mängelrüge an Relevanz fehlt.
Wenn der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass seine letzte gerichtliche Verurteilung vom stamme, so ist dem entgegenzuhalten, dass bei Prüfung eines allfälligen Gesinnungswandels in erster Linie auf das in Freiheit gezeigte Wohlverhalten abzustellen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0121). Selbst angesichts der seit der genannten Verurteilung des Beschwerdeführers vergangenen Zeit begegnet es aber vor dem Hintergrund des von ihm an den Tag gelegten Verhaltens, nämlich einer erheblichen Verkürzung von Abgaben, der Beeinträchtigung von Ansprüchen anderer Gläubiger und des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen, sowie des nach der darauf Bezug nehmenden Verurteilung und während des anhängigen Aufenthaltsverbotsverfahrens betriebenen Suchtmittelhandels, keinem Einwand, wenn die belangte Behörde der Zeit des bisherigen Wohlverhaltens des Beschwerdeführers keine ausschlaggebende Bedeutung für die Verhaltensprognose beimaß.
In Anbetracht des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, das zur Folge hatte, dass Suchtgift in großem Maß in Verkehr gesetzt wurde oder in Verkehr zu setzen versucht wurde, sowie der beträchtlichen Abgaben- und Kridadelinquenz ist es sohin nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die in § 60 Abs. 1 FPG ausgedrückte Gefährdung bejahte.
Des Weiteren wendet sich der Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung und verweist auch in diesem Zusammenhang auf die Verletzung des Parteiengehörs, und zwar betreffend familiäre Bindungen, Deutschkenntnisse und bisherige Integration in Österreich. Auch hier fehlt es für die Darstellung der Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels an der Angabe, was der Beschwerdeführer vorgebracht hätte, welche für ihn günstigen Feststellungen die belangte Behörde hätte treffen und weshalb diese zu einem anderen Bescheid hätten führen können. Im Hinblick auf das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers hat er trotz der langen Aufenthaltsdauer die Trennung von seiner Mutter und seinem Bruder sowie sonstigen Verwandten in Österreich im öffentlichen Interesse hinzunehmen.
Es entspricht aber auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass angesichts der rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens (§ 55 Abs. 3 Z. 1 FPG) - wie hier vorliegend - eine auf einer Ermessensabwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinne des Gesetzes gelegen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0794, mwN).
Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am