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VwGH vom 22.12.2011, 2008/16/0012

VwGH vom 22.12.2011, 2008/16/0012

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch die Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , GZ. FA7A-483-853/2007-1, betreffend Wiederaufnahme i.A. des Verfahrens über Getränkeabgabe sowie Vorschreibung von Getränkeabgabe (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betrieb im Abgabenzeitraum einen Gastgewerbebetrieb im Bereich der mitbeteiligten Stadtgemeinde.

Mit Bescheid vom setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde für diesen Gastgewerbebetrieb die Getränke- und Speiseeisabgabe für 1999 mit insgesamt S 10.489,-- fest und wies einen Antrag auf Rückzahlung der entrichteten, aber nicht mehr festzusetzenden Getränkeabgabe mangels eines im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Guthabens ab.

Mit Bescheid vom wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde die dagegen erhobene Berufung sowie die Berufung gegen die Abweisung eines "Rückzahlungs- /Gegenverrechnungs-/

Gutschriftsantrages" mangels eines im Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Guthabens als unbegründet ab.

Mit Bescheid vom erklärte die belangte Behörde die dagegen erhobene Vorstellung für gegenstandslos und stellte das Verfahren darüber ein.

Mit Schreiben vom übermittelte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde dem Beschwerdeführer einen Fragebogen über dessen Gastgewerbebetrieb.

Mit Bescheid vom sprach der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Wiederaufnahme des mit Getränkeabgabenbescheid vom abgeschlossenen Getränkeabgabeverfahrens aus. Weiters entschied er über die gegen den Bescheid vom erhobene Berufung, indem er die Getränkesteuer mit EUR 3.185,40 festsetzte und die Abweisung des Rückzahlungsantrages mangels eines bestehenden Guthabens bestätigte. Darüber hinaus setzte er einen Säumniszuschlag in Höhe von EUR 146,81 fest. Begründend führte er zur Wiederaufnahme des Verfahrens - zusammengefasst - aus, dass einerseits der Wiederaufnahmsgrund des "§ 224 Abs. 3 dritter Tatbestand LAO" ("neue Tatsachen oder Beweismittel") und andererseits der Wiederaufnahmsgrund des "§ 224 Abs. 3 zweiter Tatbestand LAO" ("nachträglich abweichende Vorfragenbeurteilung") vorliege. Die zuständigen Abgabenbehörden seien im Berufungsverfahren zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Besteuerung alkoholischer Getränke nicht zulässig sei. Der EuGH habe in seinem Urteil vom , Rs C-491/03, entschieden, dass eine auf Dienstleistungen erhobene Getränkesteuer nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße. Durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , 2005/16/0217, sei klargestellt worden, dass nach diesem EuGH-Urteil auch eine Besteuerung in österreichischen Rechtsbehelfsfällen bei Gastronomiebetrieben zulässig sei. Nachdem damit die Getränkeabgabe auf alkoholische Getränke im Bereich der Gastronomie als gemeinschaftsrechtskonform anzusehen sei, erübrige sich die weitere Anwendung der als "Rückerstattungsverhinderungsbestimmungen" ausgestalteten "Bereicherungsverbote".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung gegen den Bescheid vom auf Wiederaufnahme und Festsetzung der Getränkeabgabe für 1999 keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Verfahrensvorschriften - zusammengefasst - aus, der Vorfragentatbestand sei erfüllt, weil das ("Hermann"), für die Deutung der Rechtslage in Bezug auf Getränkesteuer maßgebend sei. Durch die ausdrückliche Bezugnahme in diesem Urteil auf das , ergebe sich, dass die beiden Urteile einander ergänzten und daher die Getränkesteuer auf Restaurationsumsätze schon ursprünglich EUkonform gewesen seien. Dieser Umstand sei erst durch das Urteil "Hermann" hervorgekommen. Daher seien die Voraussetzungen für die Erlassung der "Nullbescheide" nachträglich und rückwirkend weggefallen. Da der Grund für diese Ungültigkeit bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide bestanden habe, sei die Wiederaufnahme auch wegen Hervorkommens neuer Tatsachen (Neuerungstatbestand) zulässig gewesen.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei bereits Bemessungsverjährung eingetreten, werde auf das Schreiben vom verwiesen, welches eine Unterbrechungshandlung darstelle.

Da es sich im Beschwerdefall um den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde handle, habe der Instanzenzug beim Gemeinderat geendet, welcher gemäß § 226 LAO für die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens zuständig gewesen sei. Die verfahrensrechtliche Erledigung der Landesregierung als Vorstellungsbehörde stelle im konkreten Fall keine (inhaltliche) Entscheidung iSd § 226 Abs. 1 LAO dar. Das bedeute, dass der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Abgabenbescheid in letzter Instanz erlassen habe und für die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens zuständig gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich u.a. in dem Recht verletzt, dass die belangte Behörde den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde betreffend Wiederaufnahme und Abgabenneufestsetzung (Getränkeabgabe) hätte aufheben müssen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Beschwerdeführer replizierte auf die Gegenschrift.

Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 224 Abs. 1 und 3 der (im Beschwerdefall noch anzuwendenden) Steiermärkischen Landesabgabenordnung (LAO) lauteten:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 224. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines

durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig

ist und

a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde,

falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat

herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die

im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht

geltend gemacht werden konnten, oder

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und

nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

...

(3) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde hat seine Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens auf den Neuerungs- und den Vorfragentatbestand des § 224 Abs. 1 lit. b und c LAO gestützt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2008/16/0148, zur gleichlautenden Wiener Abgabenordnung näher ausgeführt hat, dient die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht dazu, die Folgen einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung eines offen gelegten Sachverhaltes zu beseitigen. Das Hervorkommen einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vermittelt keine Berechtigung zur Wiederaufnahme von (rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahren nach dem Neuerungstatbestand. Bezugnehmend auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 5/09, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiter ausgeführt, dass das Hervorkommen eines Urteils des EuGH zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht auch nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund eines Vorfragentatbestandes berechtigt.

Im "Hermann") kann daher kein Wiederaufnahmegrund nach § 224 Abs. 3 der Stmk. LAO erblickt werden. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde konnte somit den Wiederaufnahmebescheid nicht auf diese Wiederaufnahmetatbestände stützen. Diesen Umstand hat die belangte Behörde aber in Verkennung der Rechtslage nicht aufgegriffen und somit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher aus den angeführten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am