VwGH vom 08.10.2010, 2006/04/0173
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates Wien vom , Zlen. VKS-1861/06, VKS-1862/06, VKS-1863/06, VKS-1864/06, VKS- 1865/06, betreffend Zurückweisung von Anträgen nach dem Wiener Vergaberechtsschutzgesetz (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien, Magistratsabteilung 33, 1110 Wien, Senngasse 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchteil 2., soweit mit diesem der Nachprüfungsantrag gegen die Zuschlagsentscheidungen zurückgewiesen wird, und in seinem Spruchteil 4. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hat sich aufgrund der Bekanntmachung der mitbeteiligten Partei (in der Folge: Auftraggeberin) vom betreffend die Vergabe von Rahmenverträgen zur Wartung von Straßenbeleuchtungen in insgesamt fünf offenen Verfahren als Bieter beteiligt. Mit Schreiben vom hat die Auftraggeberin die Beschwerdeführerin verständigt, dass sie deren Angebote in den fünf Verfahren ausgeschieden habe, und darauf hingewiesen, dass die Bekanntgabe des Bestbieters gemäß § 131 BVergG 2006 nur mehr den verbleibenden Bietern bekannt gegeben werde. Die am gleichen Tag getroffenen Zuschlagsentscheidungen wurden der Beschwerdeführerin nicht bekannt gegeben.
Mit Nachprüfungsanträgen vom 7. und , begehrte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde, soweit hier wesentlich, die Nichtigerklärung einerseits der genannten Ausscheidungsentscheidung und andererseits der Zuschlagsentscheidungen, von denen sie dem Vernehmen nach Kenntnis erlangt habe (wobei sie gegen die letztgenannte Entscheidung zusammengefasst ins Treffen führte, dass das Angebot der beiden Mitbieter unter einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises leide und daher einer vertieften Angebotsprüfung hätte unterzogen werden müssen). Gleichzeitig beantragte die Beschwerdeführerin den Ersatz der von ihr für diese Anträge entrichteten Gebühren in Höhe von jeweils EUR 3.200,--.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden, soweit hier bekämpft, die genannten Anträge der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung sowohl der Ausscheidungsentscheidung als auch der Zuschlagsentscheidungen zurückgewiesen (Spruchpunkt 2.) und ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin die entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe (Spruchpunkt 4.).
Die Zurückweisung des Nachprüfungsantrages betreffend die Ausscheidung der Beschwerdeführerin begründete die belangte Behörde zusammengefasst damit, dass für die Frage, welche Entscheidung des Auftraggebers gesondert anfechtbar sei, zufolge der Übergangsbestimmung des § 345 Abs. 3 Z 5 BVergG 2006 gegenständlich noch § 20 Z 13 BVergG 2002 Maßgebend sei. Nach der letztgenannten Bestimmung könne die Ausscheidung nicht gesondert, sondern nur mit der nächsten gesondert anfechtbaren Entscheidung bekämpft werden. Als solche käme gegenständlich die Zuschlagsentscheidung in Betracht.
Eine Anfechtung der Zuschlagsentscheidungen komme im vorliegenden Fall aber deshalb nicht in Betracht, weil - so die auf das Wesentliche zusammengefasste Begründung des angefochtenen Bescheides - Zuschlagsentscheidungen nach Ansicht der belangten Behörde infolge eines Verstoßes gegen § 131 BVergG 2006 nicht vorlägen. Dazu wird festgestellt, dass die Auftraggeberin in den Zuschlagsentscheidungen vom (die sie den verbliebenen Bietern, aber nicht der Beschwerdeführerin bekannt gegeben habe) jeweils bloß den zivilrechtlichen Preis und die Stillhaltefrist mitgeteilt habe. Damit hätten die Zuschlagsentscheidungen nicht den Anforderungen des § 131 (vierter Satz) BVergG 2006
entsprochen, wonach den "verbliebenen Bietern ... die Gründe für
die Ablehnung des Angebotes, die Vergabesumme sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt zu geben sind". Dazu komme, so die belangte Behörde weiter, dass die in Rede stehenden Zuschlagsentscheidungen vom "nicht allen Bietern" gleichzeitig, unverzüglich und nachweislich zugegangen seien, wie dies die "noch anzuwendende Bestimmung des § 100 Abs. 1 BVergG 2002" verlange. Da somit die Zuschlagsentscheidungen der fünf Vergabeverfahren der Beschwerdeführerin "nicht gemäß § 131 BVergG 2006 bzw. § 100 Abs. 1 BVergG 2002 nachweislich mitgeteilt wurden", seien diese nicht anfechtbar und daher die Nachprüfungsanträge, auch soweit sie sich gegen die Zuschlagsentscheidungen richteten, zurückzuweisen. Mangels Obsiegens der Beschwerdeführerin im Nachprüfungsverfahren habe diese gemäß § 30 Abs. 5 WVRG keinen Anspruch auf Erstattung der Pauschalgebühren.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Auftraggeberin, eine Gegenschrift erstattet hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgebenden Bestimmungen des BVergG 2006 lauten:
"§ 131. Der Auftraggeber hat den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern unverzüglich und nachweislich mitzuteilen, welchem Bieter der Zuschlag erteilt werden soll. Die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung hat elektronisch oder mittels Telefax zu erfolgen. Sofern eine nachweisliche Übermittlung elektronisch oder mittels Telefax nicht möglich ist, ist die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung brieflich zu übermitteln. In dieser Mitteilung sind den verbliebenen Bietern das jeweilige Ende der Stillhaltefrist gemäß § 132, die Gründe für die Ablehnung ihres Angebotes, die Vergabesumme sowie die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebotes bekannt zu geben, sofern nicht die Bekanntgabe dieser Informationen öffentlichen Interessen oder den berechtigten Geschäftsinteressen von Unternehmern widersprechen oder dem freien und lauteren Wettbewerb schaden würde. Eine Verpflichtung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung besteht nicht, falls ...
§ 132. (1) Der Zuschlag darf bei sonstiger absoluter Nichtigkeit nicht innerhalb einer Stillhaltefrist von 14 Tagen erteilt werden. ...
(2) Ein unter Verstoß gegen die gemäß § 131 erster Satz bestehende Verpflichtung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung erfolgter Zuschlag ist absolut nichtig.
...
In-Kraft-Tretens-, Außer-Kraft-Tretens- und Übergangsvorschriften
§ 345. (1) Für das In-Kraft-Treten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 17/2006 neu gefassten Bestimmungen und für das Außer-Kraft-Treten der durch dasselbe Bundesgesetz aufgehobenen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gilt unbeschadet der Abs. 2 bis 5 Folgendes:
1. Dieses Bundesgesetz tritt mit in Kraft.
...
3. Zugleich mit dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes tritt das Bundesvergabegesetz 2002, BGBl. I Nr. 99/2002 außer Kraft.
...
(3) Für das In-Kraft-Treten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 17/2006 neu gefassten Bestimmungen und für das Außer-Kraft-Treten der durch dasselbe Bundesgesetz aufgehobenen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in jenen Angelegenheiten, in denen die Vollziehung nach Art. 14b Abs. 2 Z 2 B-VG Landessache ist, gelten die Abs. 1 und 2 mit folgenden Maßgaben:
...
5. § 2 Z 16 tritt, mit Ausnahme der Festlegung der Widerrufsentscheidung als gesondert anfechtbare Entscheidung, mit in Kraft. § 20 Z 13 des Bundesvergabegesetzes 2002 bleibt bis zum Ablauf des in Kraft."
Soweit sich zunächst aus der Beschwerde und der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei entnehmen lässt, dass nach Erlassung des angefochtenen Bescheides seitens der mitbeteiligten Auftraggeberin neuerlich gleichlautende Zuschlagsentscheidungen ergangen seien und diese von der Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde wiederum angefochten worden seien, so ist von einer Gegenstandslosigkeit der vorliegenden Beschwerde schon deshalb nicht auszugehen, weil die hier zu beurteilende Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Nachprüfungsanträge der Beschwerdeführerin zufolge des Spruchpunktes 4. des angefochtenen Bescheides auch entscheidend für die Frage des Ersatzes der von der Beschwerdeführerin entrichteten Pauschalgebühren ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/04/0024).
Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid zusammengefasst vor, dass ihr nach dem Unionsrecht, insbesondere der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (Hinweis auf das Urteil vom , Rs C- 249/01, "Hackermüller"), ein Anspruch auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausscheidungsentscheidung zukomme, sodass die belangte Behörde aufgrund des Anwendungsvorranges des Unionsrechts § 20 Z 13 BVergG 2002, der eine gesonderte Anfechtung der Ausscheidungsentscheidung noch nicht vorgesehen habe, unangewendet hätte lassen müssen. Davon sei auch der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2003/04/0134, ausgegangen.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Kern die Rechtsauffassung vertreten, dass die von der Beschwerdeführerin angefochtenen Zuschlagsentscheidungen rechtlich nicht existent und damit nicht anfechtbar seien. Eine Überprüfung der Ausscheidungsentscheidung sei gemäß § 20 Z 13 BVergG 2002 nur gemeinsam mit den Zuschlagsentscheidungen möglich.
Zutreffend ist zunächst, dass die gegenständliche Ausscheidungsentscheidung gemäß dem hier noch anzuwendenden § 20 Z 13 BVergG 2002 nicht gesondert anfechtbar war, sodass die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, diese Ausscheidungsentscheidung für nichtig zu erklären, zutreffend zurückgewiesen hat. Insoweit war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Hingegen ist die Rechtsansicht der belangten Behörde, es lägen gegenständlich keine anfechtbaren Zuschlagsentscheidungen vor und die Nachprüfungsanträge der Beschwerdeführerin seien auch insoweit zurückzuweisen, aus folgenden Gründen unrichtig.
Soweit die belangte Behörde nämlich zum Einen (in sich widersprüchlich) davon ausgeht, die Zuschlagsentscheidungen hätten gemäß § 131 BVergG 2006 den "verbliebenen Bietern" bzw. gemäß § 100 Abs. 1 BVergG 2002 "allen Bietern" mitgeteilt werden müssen, ist darauf hinzuweisen, dass die Zuschlagsentscheidungen vom stammen und daher (mangels diesbezüglicher Übergangsbestimmung im BVergG 2006) den Vorgaben des § 131 BVergG 2006 zu entsprechen hatten, der in seinem ersten Satz die unverzügliche und nachweisliche Mitteilung der Zuschlagsentscheidung (bloß) an die im Vergabeverfahren verbliebenen Bieter verlangt. Alleine aus dem Umstand, dass die Zuschlagsentscheidungen gegenständlich der ausgeschiedenen Beschwerdeführerin nicht mitgeteilt wurden, kann daher eine Rechtswidrigkeit dieser Zuschlagsentscheidungen (und umso weniger eine absolute Nichtigkeit derselben) nicht abgeleitet werden.
Nach Auffassung der belangten Behörde seien die Zuschlagsentscheidungen der mitbeteiligten Auftraggeberin zum Anderen auch deshalb rechtlich nicht existent und daher nicht anfechtbar, weil diese den gemäß § 131 vierter Satz BVergG 2006 erforderlichen Inhalt (Ende der Stillhaltefrist, Gründe für die Ablehnung des Angebotes, Vergabesumme und Merkmale sowie Vorteile des erfolgreichen Angebotes) nicht bzw. nicht zur Gänze aufgewiesen hätten. Damit geht die belangte Behörde aufgrund der genannten Mängel in den Begründungen der Zuschlagsentscheidungen von der absoluten Nichtigkeit dieser Zuschlagsentscheidungen aus. Demgegenüber ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2009/04/0081, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zu dem Ergebnis gelangt, dass das Fehlen einer dem § 131 vierter Satz BVergG 2006 entsprechenden Begründung der Zuschlagsentscheidung eine objektiv rechtswidrige Entscheidung bewirkt, wobei diese Rechtswidrigkeit in der Regel wesentlich ist, und hat daher im damaligen Beschwerdefall die Nichtigerklärung einer mangelhaft begründeten Zuschlagsentscheidung für rechtmäßig befunden.
Daraus folgt, dass die belangte Behörde im vorliegenden Beschwerdefall unzutreffend die Auffassung vertreten hat, dass die mit einem Begründungsmangel behafteten Zuschlagsentscheidungen der mitbeteiligten Auftraggeberin absolut nichtig seien. Vielmehr hätte die belangte Behörde die gegen die Zuschlagsentscheidungen vorgebrachten Argumente der Beschwerdeführerin inhaltlich prüfen und dabei die Rechtmäßigkeit der Ausscheidung der Beschwerdeführerin als Vorfrage (wie erwähnt war diese Entscheidung hier noch nicht gesondert anfechtbar) beurteilen müssen.
Da im vorliegenden Fall somit schon aufgrund des nationalen Rechts gesondert anfechtbare Entscheidungen (Zuschlagsentscheidungen) der mitbeteiligten Auftraggeberin vorlagen, mit deren Anfechtung auch die Überprüfung der Ausscheidung der Beschwerdeführerin auf ihre Rechtmäßigkeit begehrt werden konnte, erübrigt sich ein Eingehen auf die in der Beschwerde und im zitierten Erkenntnis, Zl. 2003/04/0134, behandelte Frage, ob die Entscheidung eines Auftraggebers, die nach nationalen Vorschriften nicht (weil nicht gesondert) anfechtbar ist, zumindest aufgrund des Anwendungsvorranges des Unionsrechts bekämpfbar sein muss.
Der angefochtene Bescheid war daher in den bezeichneten Spruchpunkten wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGG-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am