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VwGH vom 30.04.2010, 2010/18/0092

VwGH vom 30.04.2010, 2010/18/0092

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des AB in Wien, geboren am , vertreten durch Dr. Guido Kollmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Elisabethstraße 24, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/135.792/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, dessen Name im Spruch des angefochtenen Bescheides mit "AB" bezeichnet wurde, gemäß § 60 Abs. 2 Z. 9 (iVm § 60 Abs. 1) des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am mit einem von der österreichischen Botschaft in Kairo ausgestellten und vom 6. Februar bis gültigen Visum D in das Bundesgebiet gelangt. Er habe am in Wien die österreichische Staatsbürgerin S.Z. geehelicht und anschließend einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für Familienangehörige eines Österreichers eingebracht, wobei er sich auf die Ehe mit seiner österreichischen Gattin berufen habe.

Laut einem Bericht der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) vom sei der Beschwerdeführer bis im Besitz eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Studierender" gewesen. Bei einer Befragung habe er zugegeben, dass er aktuell nicht studiere und auch kaum Deutsch könne.

Am habe die österreichische Gattin des Beschwerdeführers niederschriftlich angegeben, dass man derzeit kein gemeinsames Familienleben führe, dass sie mit ihrem Ehegatten nie zusammengewohnt und mit ihm auch nie Geschlechtsverkehr gehabt habe.

Der Beschwerdeführer habe dazu am angegeben, dass seine Gattin "das nicht so gemeint" haben könne. Man verbringe die Nacht immer gemeinsam.

Die Ehegattin des Beschwerdeführers - so die belangte Behörde weiter - sei am vom Bezirksgericht Leopoldstadt wegen § 117 Abs. 2 FPG zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Wochen verurteilt worden. Im Zuge dieses Gerichtsverfahrens habe die Ehegattin angegeben, dass sie den Beschwerdeführer gegen Entgelt geheiratet habe, damit er in Österreich weiter studieren könne. Von einem Vermittler habe sie Geld bekommen. Der Beschwerdeführer habe hingegen vor Gericht angegeben, dass er nicht wisse, weshalb seine Ehegattin das Vorliegen einer Scheinehe behaupte. Aufgrund dieser Aussage sei der Beschwerdeführer am vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten bedingt rechtskräftig verurteilt worden. Einer dagegen eingebrachten Berufung sei vom Oberlandesgericht Wien keine Folge gegeben worden.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom sei die zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin geschlossene Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden. Den Entscheidungsgründen des am in Rechtskraft erwachsenen Urteiles sei unter anderem zu entnehmen, dass die Ehe deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer eine Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- oder Aufenthaltsbewilligung für Österreich zu bekommen und auch eine Anwartschaft auf den späteren Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft sei von den Ehepartnern nie beabsichtigt gewesen und auch nicht erfolgt. Der Beschwerdeführer habe nach der Eheschließung für einen Monat bei seiner Gattin gewohnt und sei an dieser Adresse hauptgemeldet gewesen. Sie habe ihn deswegen an ihrer Adresse angemeldet, weil ihr gesagt worden sei, sie solle die Anmeldung vornehmen, damit es nicht auffalle, dass die Ehe nur wegen der leichteren Aufenthaltsmöglichkeit erfolgt sei. Geschlechtsverkehr hätten beide keinen gehabt. Die Ehegattin habe den Beschwerdeführer nicht versorgt, er habe sich selbst um seine Belange gekümmert. Sie hätten zwar in der Wohnung im Doppelbett, jedoch nicht zur gleichen Zeit geschlafen. Vor der Eheschließung habe auch die Zeugin C.S., die bei der Vermittlung der Eheschließung geholfen habe, bei der Ehegattin gewohnt. Den Beschwerdeführer habe die Ehegattin durch einen Vermittler kennen gelernt. Für die Eheschließung seien ihr EUR 600,-- versprochen worden. Sie habe ihren Fehler erkannt und ein Geständnis abgelegt.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, unter Bedachtnahme auf die Feststellungen des Gerichtes sei das Vorbringen des Beschwerdeführers nur als Schutzbehauptung zu werten. Es bestehe kein Anlass, an der Richtigkeit der Zeugenaussage seiner früheren österreichischen Ehegattin zu zweifeln. Angesichts der nachvollziehbaren und glaubwürdigen Aussagen seiner ehemaligen Gattin und im Hinblick darauf, dass ihre Aussagen auch im Gerichtsverfahren zur Nichtigerklärung der Ehe ihre Deckung fänden, stehe fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben, und - was jedoch seit dem Inkrafttreten des FPG keine Tatbestandsvoraussetzung mehr für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstelle - für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet habe. Damit seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt.

Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 60 Abs. 1 FPG rechtfertige.

In Anbetracht aller Umstände sei zwar von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, doch sei dieser Eingriff zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - dringend geboten. Wer, wie der Beschwerdeführer, rechtsmissbräuchlich vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig erscheinen ließen.

Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 FPG gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe der Beschwerdeführer eine unselbständige Beschäftigung eingehen können. Die durch den Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration des Beschwerdeführers werde durch die bewirkte Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens auf Grund seines Eingehens einer Scheinehe wesentlich gemindert. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme.

Mangels sonstiger besonderer zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde angesichts des vorliegenden Sachverhaltes von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Die belangte Behörde verwies auf die - im Hinblick auf die erforderliche Bekämpfung der "im stetigen Ansteigen begriffenen Aufenthaltsehen" wegen des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und der Verhinderung des Eingehens von Aufenthaltsehen - vom Gesetzgeber im FPG vorgenommenen Anpassungen und führte schließlich aus, dass aus den angeführten Gründen in § 63 Abs. 1 FPG die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes im Falle des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG mit zehn Jahren (gegenüber fünf Jahren nach dem Fremdengesetz 1997) limitiert worden sei. Ausgehend von dieser Rechtslage stehe die vorgenommene Befristung des Aufenthaltsverbotes mit § 63 FPG im Einklang. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne - selbst unter Bedachtnahme auf dessen private Situation - ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die vom Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Ehe mit dem - am in Rechtskraft erwachsenen - Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom mit der (tragenden) Begründung gemäß § 23 Ehegesetz rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist, dass die Ehe deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer problemlos eine Arbeits- oder Aufenthaltsbewilligung für Österreich und auch eine Anwartschaft auf den späteren Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Auf Grund dieses Urteils steht in bindender Weise fest, dass er die Ehe ausschließlich zu den genannten Zwecken geschlossen hat, ohne dass eine eheliche Lebensgemeinschaft hätte begründet werden sollen (vgl. zu dieser Bindungswirkung etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0395, mwN). Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei, begegnet daher keinen Bedenken.

Das Eingehen einer Ehe zu dem Zweck, fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen, stellt eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom ). Angesichts des genannten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

Die Argumentation des Beschwerdeführers, die "Scheinehe" sei für ihn immer eine richtige Ehe gewesen, in die er "hineingeschlittert" sei, er hätte als Studierender jedenfalls auch ohne Ehe eine Aufenthaltsbewilligung in Österreich erhalten, er habe den Vorstudienlehrgang mit Erfolg abgeschlossen und sei heute als ordentlicher Hörer des Doktoratsstudiums der Philosophie an der Universität Wien inskribiert, zeigt aus den dargelegten Erwägungen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

2. Die - von der Beschwerde nicht bekämpfte - im angefochtenen Bescheid durchgeführte Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG erweist sich auf dem Boden der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen als unbedenklich, sodass es genügt, auf die insoweit zutreffenden Bescheidausführungen zu verweisen.

3. Die Beschwerde behauptet das Vorliegen eines Verfahrensmangels, weil die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Frage seines aufrechten Studiums ergänzend hätte vernehmen müssen, damit er klarstellen hätte können, dass er auch ohne Ehe als Studierender an einer österreichischen Universität, dessen Lebensunterhalt durchaus gesichert sei, eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer seines Studiums bekommen hätte. Er habe auch aktuelle Inskriptionsbestätigungen der Universität Wien vorgelegt.

Im Hinblick auf die dargelegte unstrittige Erfüllung des Tatbestandes gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 FPG zeigt dieses Vorbringen jedoch keinen der Beschwerde zum Erfolg verhelfenden Verfahrensmangel auf. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes werden ungeachtet der Frage erfüllt, ob dem Beschwerdeführer allenfalls andere Möglichkeiten zur Erlangung eines Aufenthaltstitels offenstünden.

4. Schließlich kann der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, im Hinblick auf seine aufrechte Inskription als Hörer der Universität Wien hätte die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes in der Dauer von einem Jahr völlig ausgereicht, kann - auch unter Verweis auf die im angefochtenen Bescheid dargestellten Intentionen des Gesetzgebers zur Bekämpfung von Aufenthaltsehen ("Scheinehen") - nicht gefolgt werden. Entgegen den Beschwerdeausführungen hat die belangte Behörde ausführlich begründet, weshalb die bereits in erster Instanz verhängte Dauer des Aufenthaltsverbotes im Ausmaß von zehn Jahren im vorliegenden Fall mit den gesetzlichen Vorgaben im Einklang steht.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-80035