VwGH vom 22.12.2011, 2008/16/0001
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2008/16/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerden der L GmbH in M, vertreten durch die Fusseis Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH. in 4910 Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 63, gegen die Bescheide des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, 1.) vom , Zl. ZRV/0030-Z2L/07, und 2.) vom , Zl. ZRV/0031- Z 2L/07, betreffend Festsetzung von Eingangsabgaben und "Nebengebühren", zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 2.572,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Zollamt Wels (im Folgenden: Zollamt) teilte der Beschwerdeführerin im Gefolge einer nachträglichen Prüfung der Anmeldungen mit Bescheiden vom und vom jeweils mit, dass von der gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs. 1 Zollrechtsdurchführungsgesetz (ZollR-DG) entstandenen Eingangsabgabenschuld in Höhe von EUR 14.257,60 (Zoll) und EUR 24.319,52 (EUSt) sowie von EUR 2.627,17 (Zoll) und EUR 6.320,43 (EUSt) die bislang nicht buchmäßig erfassten Beträge von EUR 4.469,61 und EUR 312,77 nachträglich buchmäßig erfasst worden seien und forderte die Beschwerdeführerin zur Zahlung dieser Differenzbeträge auf. Weiters setzte das Zollamt jeweils eine Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG von EUR 380,24 (Bescheid vom ) und EUR 25,61 (Bescheid vom ) fest. Begründend führte das Zollamt aus, die von der Beschwerdeführerin mit Anmeldungen vom und eingeführten Waren, Sandalen "San05" sowie "San06" seien aufgrund eines Tarifierungsvorschlages der Steuer- und Zollkoordination/Technische Untersuchungsanstalt (TUA) nicht wie angemeldet in die Unterposition 6403 9933 (Schuhe … mit Oberteil aus Leder), sondern in die Unterposition 6404 1990 (Schuhe … mit Oberteil aus Spinnstoffen) eingereiht worden.
In ihren dagegen erhobenen Berufungen beantragte die Beschwerdeführerin die genannten Sandalen in die Unterposition 6403 9933 (Schuhe … mit Oberteil aus Leder) einzureihen, weil das Obermaterial aus einer tragenden, beschichteten Lederkonstruktion bestehe. Das elastische Textil mit Schaumstofffüllung diene lediglich als Futter. Dieses weise bei einer Entfernung der Lederoberteile jedenfalls nicht die charakteristischen Merkmale eines Oberteiles auf. Schneide man das Leder auf, so erkenne man, dass dahinter bereits das Futter zum Vorschein komme. Daher könne das Leder weder als Verzierung noch als Verstärkerteil betrachtet werden.
Die Beschwerdeführerin verwies überdies auf eine Untersuchung und Einstufung der Sandalen durch die TUA im Jahre 2003, welche dieselbe Sandale betroffen habe. Eine andere Einstufung als im Jahre 2003 verletze daher den Vertrauensschutz.
Die Beschwerdeführerin übermittelte in der Folge dem Zollamt ein "Gutachten" des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Sachgebiet Schuhe R. Darin wird ausgeführt, dass das Futtermaterial der ihm übergebenen Sandale elastisch und ein Tragen mit dem Futtermaterial alleine unmöglich sei. Der Fuß bekomme durch dieses Material keinen Halt. Hinzu komme, dass die Sohle durch die Dicke zu schwer sei, sodass das Futtermaterial alleine zum Tragen der Sandale nicht geeignet sei und daher die textilen Teile alleine die charakteristischen Merkmale eines Schuhoberteiles nicht aufwiesen.
Mit Berufungsvorentscheidungen des Zollamtes vom wies das Zollamt die Berufungen der Beschwerdeführerin als unbegründet ab und führte jeweils begründend aus, dass es sich nach einem erweiterten Gutachten der TUA beim Oberteil der Sandale San05 und der San06 um elastische Bänder handle, welche vollständig mit einer feinen Wirkware überzogen seien. Auf diese Bänder seien Lederteile so aufgenäht, dass sie im Besonderen im Rist- und Fersenbereich die Wirkware nicht vollständig bedeckten und somit die auf der Außenseite des Oberteiles freiliegende Wirkware im zolltarifischen Sinne als Obermaterial zu betrachten sei. Die aufgenähten Lederteile seien als Verstärkungs- und Zubehörteile anzusehen.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen (Administrativ )Beschwerden.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies die belangte Behörde mit den angefochtenen Bescheiden die (Administrativ )Beschwerden als unbegründet ab. Dabei führte sie aus, dass es sich bei den zu tarifierenden Waren um schwarze (San06: weiß-graue) Sandalen mit speziell geformter, mehrlagiger, leicht profilierter nicht gespritzter Sohle aus Kautschuk handle. Auf das riemenartige, mit einer schwarzen (San06: grauen) Wirkware überzogene, elastische Oberteil seien schwarze (San06: weiße) Lederteile aufgenäht. Das Oberteil sei mittels Klettverschlüssen verstellbar.
Anlässlich der Abfertigung einer Sandale mit der gleichen Beschaffenheit beim Zollamt Salzburg am sei der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, dass die betreffende Ware in die Unterposition 6403 9933 einzureihen sei.
Das elastische Textil mit Schaumstofffüllung sei nach den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur nicht als Futter im zolltarifarischen Sinn zu betrachten, weil es (teilweise) an der Außenfläche (Rist und Fersenbereich) sichtbar sei.
Das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten, welches das elastische Textil mit Schaumstofffüllung als Futter betrachte, habe offensichtlich nicht die einschlägigen Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur zur Grundlage. Das Gutachten folge der branchenüblichen Interpretation und sei nicht zur Einreihung in den Zolltarif heranzuziehen.
Nach den Erläuterungen (zur Kombinierten Nomenklatur) seien Verstärkungsteile an der Außenseite des Oberteiles befestigt und hätten eine beschützende oder verstärkende Funktion. Dies treffe auf die Lederteile im vorliegenden Fall zu. Diese seien auf dem textilen riemenartigen Oberteil durch eine Naht befestigt und dienten der Verstärkung. Das behaupte dem Grunde nach auch die Beschwerdeführerin, wenn sie gestützt auf das Gutachten vorbringe, dass mit den elastischen textilen Riemen der Fuß nicht den nötigen Halt hätte und erst durch die Lederteile eine bestimmungsgemäße Verwendung möglich wäre. Die Lederteile seien als Verstärkungsteile bei der Berechnung des größten Teiles der Außenfläche außer Betracht zu lassen. Als Obermaterial im zolltarifarischen Sinn bleibe daher nur mehr das textile Material übrig. Dieses weise auch die charakteristischen Merkmale eines Oberteiles auf, weil es die Seiten und den oberen Teil des Fußes bedecke, bis zur Sohle reiche und an ihr befestigt sei. Daher sei die Einreihung in die Unterposition 6404 1990 zu Recht erfolgt.
Das Schreiben des Zollamtes Salzburg könne keine andere Einreihung bewirken, weil nur ein Irrtum einer konkret zuständigen Behörde zu berücksichtigen sei. Ein möglicher Irrtum des Zollamtes Salzburg bei der Einreihung im Jahre 2003 habe daher keinen Einfluss auf das Unterbleiben der Erhebung des gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrages aufgrund der Annahme der Zollanmeldung im Jahre 2004.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich erkennbar in ihrem Recht, dass die Sandalen "San05 black" und "San06" nicht in die TARIC-Unterposition 6404 1990 eingeordnet werden und dies der Bemessung der Eingangsabgaben und Nebengebühren zugrunde gelegt werde, verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, unterließ es aber, Gegenschriften zu erstatten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:
Die Kombinierte Nomenklatur (KN) beruht auf dem am in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen, mit dem das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren eingeführt wurde (HS). Sie übernimmt die Positionen und sechsstelligen Unterpositionen des HS, nur die siebte und die achte Stelle bilden spezielle Unterteilungen der KN.
Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates in der durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2658/87) veröffentlicht die Europäische Kommission jährlich in Form einer Verordnung die vollständige Fassung der KN zusammen mit den Zollsätzen, wie sie sich aus den vom Rat der Europäischen Union oder von der Kommission beschlossenen Maßnahmen ergeben. Diese Verordnung gilt jeweils ab 1. Januar des folgenden Jahres.
Im Beschwerdefall sind die verfahrensgegenständlichen Einfuhren am und erfolgt. Es ist daher die Verordnung (EG) Nr. 1789/2003 der Kommission vom zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. L 281 vom , anzuwenden.
Die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN sind in deren Teil I Titel I Buchstabe A enthalten. Nach deren Nr. 1 sind die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln.
Teil II - Zolltarif der KN enthält den Abschnitt XII, der das Kapitel 64 (Schuhe, Gamaschen und ähnliche Waren; Teile dieser Waren) enthält.
Anmerkung 4 zu Kapitel 64 lautet auszugsweise:
"Vorbehaltlich der Anmerkung 3 zu Kapitel 64 gelten als:
a) Stoff des Oberteils der Stoff, der den größten Teil
der Außenfläche bildet, unabhängig von Zubehör- oder Verstärkungsteilen wie Randeinfassungen, Knöchelschützer, Verzierungen, Schnallen, Laschen, Ösen oder ähnliche Vorrichtungen;
…"
Die zusätzliche Anmerkung 1 zu Kapitel 64 lautet auszugsweise:
"1. Im Sinne der Anmerkung 4 Buchstabe a) gelten als 'Verstärkungsteile' alle Teile (z.B. aus Kunststoff oder Leder), die die Außenfläche des Oberteils bedecken, ihm eine höhere Festigkeit verleihen und mit der Sohle verbunden sein können. Nach Entfernung der Verstärkungsteile muss der sichtbare Teil die charakteristischen Merkmale eines Oberteils und nicht die eines Futters aufweisen.
Bei der Bestimmung des Stoffes, aus dem das Oberteil besteht, sind die Flächen des Oberteils zu berücksichtigen, die von Zubehör- oder Verstärkungsteilen bedeckt sind.
…"
Das Kapitel 64 umfasst u.a. folgende Positionen:
"Kapitel 64
...
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... | |||
6403 | Schuhe mit Laufsohlen aus Kautschuk, Kunststoff, Leder oder rekonstituiertem Leder und Oberteil aus Leder: | ||
... | |||
6404 | Schuhe mit Laufsohlen aus Kautschuk, Kunststoff, Leder oder rekonstituiertem Leder und Oberteil aus Spinnstoffen: - Schuhe mit Laufsohlen aus Kautschuk oder Kunststoff: | ||
6404 11 00 | - - Sportschuhe; Tennisschuhe, Basketballschuhe, Turnschuhe, Trainingsschuhe und ähnliche Schuhe .................................................................... ..... | ||
6404 19 | - - andere: | ||
6404 19 10 | - - - Pantoffeln und andere Hausschuhe .................... | ||
6404 19 90 | - - - andere ................................................................ | ||
6404 20 | - Schuhe mit Laufsohlen aus Leder oder rekonstituiertem Leder: | ||
6404 20 10 | - - Pantoffeln und andere Hausschuhe ...................... | ||
6404 20 90 | - - andere .................................................................. | ||
..." |
In Kapitel 64 ist für die Unterposition 6403 99 33 ein vertragsmäßiger Zollsatz von 8 %, für die Unterposition 6404 19 90 ein solcher von 17 % vorgesehen.
Nach den Erläuterungen des Ausschusses nach Art. 6 des HS-Übereinkommens kommt es bei der Einreihung der Schuhe in die Positionen des Kapitel 64 u.a. auf den Stoff des Oberteils an. Als Oberteil gelten die über der Sohle angebrachten Schuhteile (Oberschuh, Schaft). Besteht das Oberteil aus verschiedenen Stoffen, so ist für die Einreihung der Stoff maßgebend, der den größten Teil der Außenfläche bildet, unabhängig von Zubehör oder Verstärkungsteilen. Der Stoff eines beliebigen Futters hat keinen Einfluss auf die Einreihung (vgl. die Erläuterungen zu Kapitel 64 des HS, Abschnitt "Allgemeines", Buchstabe D).
Die auf der Grundlage des Artikels 10 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2658/87 veröffentlichten Erläuterungen der Kommission zu Kapitel 64 der KN (ABl. (EU) C 50 vom , S. 1) lauten auszugsweise:
"1. Wegen der Auslegung der Begriffe 'Laufsohlen' und 'Oberteil' siehe die Erläuterungen zu Kapitel 64 des HS, Abschnitt 'Allgemeines' Buchstaben C und D.
Ferner gilt für 'Oberteile' aus zwei oder mehr Materialien (Anmerkung 4 Buchstabe a und Zusätzliche Anmerkung 1 zu Kapitel 64) Folgendes:
a) Das 'Oberteil' ist der Teil des Schuhs, der die Seiten und den oberen Teil des Fußes, ggf. auch das Bein, bedeckt. Es reicht bis zur Sohle und ist an ihr befestigt. Es kann auch in die Sohle hineinreichen.
Als Materialien des Oberteils gelten diejenigen Materialien, deren Oberfläche sich vollständig oder teilweise an der Außenfläche (äußeren Oberfläche) des Schuhs befindet. Aus diesem Grund ist ein Futter kein Oberteil. Die Materialien des Oberteils müssen miteinander verbunden sein.
Nach Entfernung der Zubehör- und Verstärkungsteile wird die Gesamtoberfläche der Materialien des Oberteils ermittelt. Dabei werden die Bereiche, die an den Verbindungsstellen der Materialien unterhalb überlappender Teile liegen, nicht berücksichtigt.
…
b) Das 'Futter' kann aus jedem beliebigen Material bestehen. Es kann aus einem oder mehreren Materialien bestehen. Das Futter berührt den Fuß und dient als Polster, Schutz oder auch nur als dekoratives Element. Das Futter ist an der Außenfläche des Schuhs nicht sichtbar, mit Ausnahme möglicher Polsterungen z.B. am Schaft.
c) 'Zubehör-' und 'Verstärkungsteile' werden in der Anmerkung 4 Buchstabe a) zu Kapitel 64 und in der Zusätzlichen Anmerkung 1 zu Kapitel 64 sowie in den HS-Erläuterungen zu diesem Kapitel, Allgemeines, Buchstabe D), letzter Absatz definiert.
Die Zubehörteile dienen der Verzierung, die Verstärkungsteile haben eine schützende oder verstärkende Funktion. Sie sind an der Außenfläche des Oberteils befestigt, und nicht nur am Futter. Sie können in die Sohle übergehen. Da Verstärkungsteile am Oberteil befestigte Vorrichtungen sind, die dem Oberteil eine höhere Festigkeit verleihen sollen, darf beim Entfernen kein (selbst noch so kleines Stück) Futterstoff und auch keine Polsterung darunter zum Vorschein kommen. Sollte dies der Fall sein, werden diese Teile als Teile des Oberteils betrachtet.Ein Material ist nicht als Zubehör- oder Verstärkungsteil zu betrachten, sondern als Teil des Oberteils, wenn die Art des Zusammenfügens der darunter liegenden Materialien nicht dauerhaft ist (eine Naht ist beispielsweise eine dauerhafte Art des Zusammenfügens).
…"
Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Tarifpositionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN festgelegt sind (vgl. beispielsweise das (" Heuschen Schrouff OriEntal Foods Trading BV "), Randnr. 43, mwN).
Außerdem sind die bezüglich der Kombinierten Nomenklatur von der Kommission und bezüglich des Harmonisierten Systems zur Bezeichnung und Kodierung der Waren vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens (jetzt: Weltzollorganisation) ausgearbeiteten Erläuterungen ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen (vgl. etwa das , " Mövenpick Deutschland GmbH ", Randnr. 18).
Die belangte Behörde hat die verfahrensgegenständlichen Sandalen in die Unterposition 6404 19 90 (Schuhe … mit Oberteil aus Spinnstoffen) eingereiht. Sie begründet dies im Wesentlichen damit, dass die Wirkware, mit welcher die riemenartigen Teile des Oberteils überzogen seien, den oberen Teil des Fußes sowie die Seiten bedecke, an der Sohle befestigt und teilweise an der Außenfläche der Sandale sichtbar sei. Das darauf aufgenähte Leder diene nur der Verstärkung und sei daher außer Betracht zu lassen. Daraus ergebe sich, dass das Oberteil aus dem textilen Material bestehe und unter mit der Unterposition 6404 19 90 falle.
Die Beschwerdeführerin wendet sich dagegen mit dem Vorbringen, dass das Leder die tragende Konstruktion der Sandale bilde und das "elastische Textil", welches nicht die charakteristischen Merkmale eines Oberteils besitze, lediglich als Futter diene.
Sachverhaltsmäßig gehen die Parteien des Verfahrens übereinstimmend davon aus, dass bei den gegenständlichen Sandalen die Lederteile (im Wesentlichen) die Außenfläche des Oberteils bedecken, diesem Festigkeit verleihen und mit der Sohle verbunden sind. Nach der Zusätzlichen Anmerkung 1 des Kapitel 64 der KN erfordert die Beurteilung als Verstärkungsteil überdies, dass nach dessen Entfernung der sichtbare Teil die charakteristischen Merkmale eines Oberteils und nicht die eines Futters aufweist.
Wenn die belangte Behörde ihre Auffassung, dass die Wirkware die charakteristischen Merkmale eines Oberteils aufweist, ausschließlich mit dessen räumlicher Ausdehnung begründet, so verkennt sie, dass auch das Futter eines Schuhes die Seiten und den oberen Teil des Fußes bedecken, bis zur Sohle reichen und an dieser befestigt sein kann.
Der (" Ecco Sko A/S "), zur zolltarifarischen Einreihung einer Sandale, deren Oberteil (ebenso wie im Beschwerdefall) überwiegend aus Leder und Spinnstoffen besteht, ausgeführt, dass geprüft werden müsse, ob das Leder, das den größten Teil der Oberfläche ausmacht, als Oberteil oder als Verstärkung iSd Anmerkung 4 Buchst. a zu Kapitel 64 der KN anzusehen ist und sohin ob das Textilmaterial nach Entfernung des Leders die Merkmale eines Oberteils aufweise. Dies sei der Fall, wenn das Textilmaterial ohne die Lederteile die Funktion eines Oberteils erfülle, d. h., wenn es dem Fuß des Benutzers einen gewissen Halt gebe, so dass dieser den Schuh zum Laufen verwenden könne. Das Textilmaterial könne nicht schon deswegen als Oberteil eingestuft werden, weil es bei Entfernung des Leders die Form eines Oberteils beibehalte. Da ein Futter dazu bestimmt sei, das darüberliegende Material auszufüttern, sei es durchaus möglich, dass es die Form eines Oberteils aufweise.
Der EuGH hat in diesem Urteil weiters darauf hingewiesen, dass auch der Umstand, dass das Textilmaterial um das Leder herum und am Absatz sichtbar bleibe, dessen Einstufung als Futter nicht ausschließen könne. Dabei stützt sich der EuGH auf Buchst. D Abs. 2 des Abschnitts "Allgemeines" des Kapitels 64 der Erläuterungen zum HS, wonach der Stoff eines beliebigen Futters keinen Einfluss auf die Einreihung eines Schuhs habe, dessen Oberteil aus verschiedenen Stoffen bestehe. Damit werde nämlich implizit anerkannt, dass das Futter stellenweise sichtbar, d. h. nicht vom Material des Oberteils bedeckt, sein könne. Dafür spreche auch die Erläuterung 1 Buchst. b zu Kapitel 64 der KN in der Fassung der von der Kommission am veröffentlichten (ABl. C 50, S. 1) und am berichtigten (ABl. C 260, S. 18) Erläuterungen zur KN (obwohl diese zu dem im damaligen Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitpunkt noch nicht anwendbar gewesen sei), wonach das Futter an der Außenfläche des Schuhs nicht sichtbar sei, mit Ausnahme möglicher Polsterungen z.B. am Schaft.
Der EuGH kommt dann zu dem Schluss, dass die KN dahin auszulegen ist, dass eine Sandale (wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende) wie folgt einzureihen sei:
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"- | in die Position 6404 der KN, wenn das Textilmaterial des Oberteils dieser Sandale ohne die Ledereinsätze die Funktion eines Oberteils erfüllt, d. h., wenn es dem Fuß genügend Halt bietet, um dem Benutzer der Sandale das Laufen zu ermöglichen; |
- | in die Position 6403 der KN, wenn das Textilmaterial des Oberteils dieser Sandale ohne die Ledereinsätze nicht die Funktion eines Oberteils erfüllt, d. h., wenn es dem Fuß nicht genügend Halt bietet, um dem Benutzer der Sandale das Laufen zu ermöglichen." |
Die belangte Behörde hat sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die gegenständlichen Sandalen ohne die Lederteile nicht verwendbar wären, nicht auseinandergesetzt. Zur Beurteilung der Frage, ob die Wirkware des Oberteils dieser Sandale auch ohne die Ledereinsätze die Funktion eines Oberteils erfüllt, wären Feststellungen dahingehend zu treffen gewesen, ob diese Wirkware dem Fuß genügend Halt bietet, um dem Benutzer der Sandale das Gehen damit zu ermöglichen. Der Umstand, dass die Wirkware "(teilweise) an der Außenfläche (Rist und Fersenbereich) sichtbar" ist, kann nach den obigen Ausführungen hingegen nicht als entscheidungswesentlich angesehen werden. | |
Daraus ergibt sich aber, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides die von der belangten Behörde vorgenommene Einreihung der gegenständlichen Sandalen in die KN Unterposition 6404 19 90 (Schuhe … mit Oberteil aus Spinnstoffen) nicht zu tragen vermag. | |
Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach bereits aufgrund der Vertrauensschutzregelung des Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b ZK von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung der Einfuhren vom und vom hätte Abstand genommen werden müssen, weil die buchmäßige Erfassung eines allenfalls gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrages jedenfalls auf einen Irrtum der Zollbehörden zurückzuführen gewesen wäre, ist auf Folgendes hinzuweisen: | |
Nach Art. 220 Abs. 2 Buchstabe b ZK haben die zuständigen Behörden von einer nachträglichen buchmäßigen Erfassung von Einfuhrabgaben abzusehen, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte, dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat. Diese drei Voraussetzungen müssen nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH kumulativ erfüllt sein (vgl. das C- 173/06, " | Agrover Srl "). |
Die belangte Behörde konnte im angefochtenen Bescheid die Anwendbarkeit des Art. 220 Abs. 2 ZK schon deswegen verneinen, weil die von der Beschwerdeführerin als (allfälligen) Irrtum geltend gemachte Auskunft des Zollamtes Salzburg im Schreiben vom nicht dem für die nachträgliche Erfassung zuständigen Zollamt zuzurechnen ist (vgl. das eben genannte sowie | Witte , Zollkodex5, Rz 22 zu Art. 220). Die Beschwerdeführerin behauptet auch nicht, für die gegenständlichen Waren eine verbindliche Zolltarifauskunft eingeholt gehabt zu haben. |
Daraus folgt, dass die Vertrauensschutzregelung des Art. 220 Abs. 2 ZK einer nachträglichen buchmäßigen Erfassung der Eingangsabgabenschuld nicht entgegengestanden ist. Eine solche Erfassung setzt allerdings auch voraus, dass die Zollbehörden die gegenständlichen Waren zu Recht in eine andere Position eingereiht haben, als dies bei der Anmeldung erfolgt ist. Dass dies der Fall gewesen wäre, hat die belangte Behörde aber nicht in einer für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Weise begründet. Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid daher mit einem Begründungsmangel belastet, bei dessen Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. | |
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben. | |
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2. | |
Wien, am |