VwGH vom 17.09.2010, 2006/04/0149

VwGH vom 17.09.2010, 2006/04/0149

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der X in P, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Dr. Wolfram Proksch und Dr. Thomas Fritzsche, Rechtsanwälte in 1130 Wien, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. WST1-B-240/001-2006, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Verwaltungsakt befindet sich ein Schreiben (augenscheinlich der Wirtschaftskammer Niederösterreich) vom , mit dem der Beschwerdeführerin bestätigt wird, dass diese die Ausübung ihres Gewerbes ("Kleinhandel mit Textilwaren und einschlägigen Kurzwaren") ab ruhend gemeldet habe. In diesem Schreiben, das in Abschrift an die zuständige Bezirkshauptmannschaft gerichtet war, wurde die Beschwerdeführerin weiters darauf hingewiesen, dass trotz der Ruhendmeldung der Gewerbeberechtigung die Kammermitgliedschaft weiterhin gegeben und daher die Grundumlage zu entrichten sei. Außerdem sei der Kammer ein "Wiederbetrieb" des Gewerbes gemäß § 93 GewO 1994 binnen drei Wochen anzuzeigen.

Mit Schreiben vom teilte die Wirtschaftskammer Niederösterreich der Bezirkshauptmannschaft M mit, dass die Beschwerdeführerin hinsichtlich des ruhenden Gewerbes mit der Grundumlage für den Zeitraum 2000 bis 2005 im Rückstand sei (aushaftender Betrag: EUR 87,46). Es werde daher beantragt, die Gewerbeberechtigung der Beschwerdeführerin gemäß § 88 Abs. 2 GewO 1994 zu entziehen. Nachdem der Beschwerdeführerin dieser Umstand zur Kenntnis gebracht worden war, entzog die Bezirkshauptmannschaft M mit Bescheid vom die genannte Gewerbeberechtigung der Beschwerdeführerin gemäß § 88 Abs. 2 GewO 1994. Sie wies in der Begründung darauf hin, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Gesetzesbestimmung erfüllt seien, weil die Beschwerdeführerin das Gewerbe während der letzten drei Jahre nicht ausgeübt habe und mit der Entrichtung der Umlage an die Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft mehr als drei Jahre im Rückstand sei.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung und erläuterte, warum sie mit der Bezahlung der Kammerumlage im Rückstand sei. Gleichzeitig bestritt sie die Annahme, dass sie das Gewerbe in den letzten Jahren nicht ausgeübt habe. Vielmehr habe sie dieses Gewerbe gemeinsam mit ihrem Gatten "in der Rechtsform Gesellschaft nach bürgerlichem Recht", an der sie zu 50 % beteiligt sei, ausgeübt. Die Ruhendmeldung des Gewerbes sei deshalb erfolgt, weil

sie ansonsten ihre "wohlverdiente Pension ... nicht hätte antreten

können". Zum Beweis ihrer gewerblichen Tätigkeit führte die Beschwerdeführerin die Namen zweier Zeugen an. Da somit die Feststellung, dass sie das Gewerbe nicht ausgeübt habe, unrichtig sei und der Tatbestand des § 88 Abs. 2 GewO 1994 nicht erfüllt sei, sei der erstinstanzliche Entziehungsbescheid aufzuheben.

Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab der Landeshauptmann von Niederösterreich der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und bestätigte den Bescheid vom . Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und der maßgebenden Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde in der Begründung aus, im gegenständlichen Fall sei unstrittig, dass die Beschwerdeführerin während der letzten drei Jahre die Grundumlage an die Landeskammer nicht entrichtet habe. Was die Frage der tatsächlichen Ausübung des Gewerbes durch die Beschwerdeführerin während der letzten drei Jahre betreffe, so sei jedenfalls davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ihr Gewerbe seit dem "ruhend gemeldet" habe. Das Ruhen eines Gewerbes bedeute ein längeres Nichtausüben der Gewerbeberechtigung. Wenn die Beschwerdeführerin dagegen einwende, sie habe das Gewerbe in der Rechtsform einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht gemeinsam mit ihrem Ehemann ausgeübt, so sei dem entgegen zu halten, dass Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die weder juristische Personen noch Personengesellschaften des Handelsrechts seien, nicht Träger einer Gewerbeberechtigung sein könnten. Bei einer gemeinsamen Tätigkeit von mehreren Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bedürfe daher jeder Gesellschafter einer eigenen Gewerbeberechtigung. Insgesamt habe daher die erstinstanzliche Behörde die Erfüllung der Voraussetzungen des § 88 Abs. 2 GewO 1994 zutreffend bejaht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat. Die Beschwerdeführerin hat dazu repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Fall sind folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 48/2003 maßgebend:

"§ 88. (1) ...

(2) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde zu entziehen, wenn das Gewerbe während der letzten drei Jahre nicht ausgeübt worden ist und der Gewerbeinhaber mit der Entrichtung der Umlage an die Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft mehr als drei Jahre im Rückstand ist. Vor der Erlassung des Entziehungsbescheides ist der Gewerbeinhaber auf die Rechtsfolge der Entziehung nachweislich aufmerksam zu machen. Von der Entziehung ist abzusehen, wenn spätestens zugleich mit der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem die Entziehung verfügt worden ist, die Bezahlung des gesamten Umlagenrückstandes nachgewiesen wird.

(3) ...

...

§ 93. Der Gewerbetreibende muss das Ruhen und die Wiederaufnahme der Gewerbeausübung binnen drei Wochen der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft anzeigen."

Die Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 88 Abs. 2 GewO 1994 ist nur bei Erfüllung zweier Tatbestandselemente zulässig: Einerseits verlangt diese Bestimmung, dass das Gewerbe während der letzten drei Jahre "nicht ausgeübt worden ist" und andererseits muss der Gewerbeinhaber mit der Entrichtung der Umlage an die Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft mehr als drei Jahre im Rückstand sein. Fehlt es an einer dieser beiden Voraussetzungen, so darf die Gewerbeberechtigung nicht entzogen werden (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 93/04/0089, und vom , Zl. 99/04/0037).

Im vorliegenden Fall ist der Rückstand der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Entrichtung der Umlage an die Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft unstrittig. Die Beschwerde bekämpft vielmehr die Annahme der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin das genannte Gewerbe während der letzten drei Jahre vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht ausgeübt habe. Die Beschwerdeführerin habe schon in der Berufung darauf hingewiesen, dass sie den Gewerbebetrieb in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit ihrem Ehemann führe. Da sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Ehemann die Gewerbeberechtigung für dieses Gewerbe besäßen, werde das Gewerbe auch von der Beschwerdeführerin tatsächlich ausgeübt. Wenn sich die belangte Behörde demgegenüber auf die Ruhendmeldung der Gewerbeberechtigung berufe, so verkenne sie, dass diese nicht entscheidend sei, weil es gemäß § 88 Abs. 2 GewO 1994 auf die tatsächliche Ausübung des Gewerbes ankomme.

Dieses Vorbringen ist zielführend:

Mit der Anzeige des Ruhens des Gewerbes hat die Beschwerdeführerin gemäß § 93 GewO 1994 der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft lediglich die Absicht bekannt gegeben, das Gewerbe eine längere Zeit nicht ausüben zu wollen. Dieser Anzeige kommt lediglich deklarativer Charakter zu (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur Gewerbeordnung, Rz 2 zu § 93 GewO). Die Anzeige des Ruhens der Gewerbeberechtigung kann daher lediglich ein Indiz dafür sein, dass das Gewerbe im Sinne des § 88 Abs. 2 GewO 1994 nicht ausgeübt wurde.

Da die Beschwerdeführerin bereits in der Berufung vorgebracht hat, sie habe das Gewerbe (trotz ihrer seinerzeitigen Bekanntgabe über das Ruhen der Gewerbeausübung) im maßgebenden Zeitraum tatsächlich ausgeübt, hätte die belangte Behörde im Hinblick auf das Beweisanbot der Beschwerdeführerin Ermittlungen zur Frage der tatsächlichen Gewerbeausübung tätigen müssen. Im Übrigen unterstützt das Argument der belangten Behörde, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts könne nicht Träger einer Gewerbeberechtigung sein, das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sie (ebenso wie ihr Ehemann) das Gewerbe selbst ausgeübt habe.

Da es gegenständlich somit, abgesehen vom hier unstrittigen Rückstand der Kammerumlage, ausschließlich darauf ankommt, ob die Beschwerdeführerin das Gewerbe während des genannten Dreijahreszeitraumes tatsächlich ausgeübt hat, ist es (entgegen der Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift) unerheblich, ob die Beschwerdeführerin die Wiederaufnahme der Gewerbeausübung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft gemäß § 93 GewO 1994 hätte anzeigen müssen (vgl. zum Verstoß gegen diese Verpflichtung etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/04/0020) bzw. wie weit sie durch die unterlassene Anzeige der Wiederaufnahme der Gewerbeausübung von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung ausgenommen war (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0091).

Da die belangte Behörde somit ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht Feststellungen über die tatsächliche Ausübung des Gewerbes durch die Beschwerdeführerin im maßgebenden Zeitraum unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am