VwGH vom 24.02.2010, 2006/04/0148

VwGH vom 24.02.2010, 2006/04/0148

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der S Gesellschaft mbH in G, vertreten durch Dr. Frank Riel, Dr. Wolfgang Grohmann und Dr. Josef Cudlin, Rechtsanwälte in 3500 Krems, Gartenaugasse 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-06-3033, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: L Gesellschaft m.b.H. in H), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde - soweit im Beschwerdefall wesentlich - auf Antrag der mitbeteiligten Partei die im Vergabeverfahren betreffend die Abwasserbeseitigungsanlage M (Erd-, Baumeister- und Installationsarbeiten;

Straßenwiederherstellungen und Gesamtdeckeninstandsetzungen) ergangene Zuschlagsentscheidung der Stadtgemeinde M als öffentliche Auftraggeberin (im Folgenden: öffentliche Auftraggeberin) zu Gunsten des Angebotes der Beschwerdeführerin für nichtig erklärt und der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ersatz ihrer entrichteten Pauschalgebühren abgewiesen. Als Rechtsgrundlagen führte die belangte Behörde die § 19 Abs. 1, § 69 Z 1 und § 129 Abs. 1 Z 2 Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006), die §§ 32, 99 und 110 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) und die §§ 4, 8, 15 und 19 NÖ Vergabe-Nachprüfungsgesetz an.

Begründend gab die belangte Behörde zunächst den Nachprüfungsantrag der mitbeteiligten Partei wieder, wonach die öffentliche Auftraggeberin mit Vergabebekanntmachung vom Erd-, Baumeister- und Installationsarbeiten, Straßenwiederherstellungen und Gesamtdeckeninstandsetzungen ausgeschrieben habe (Bauauftrag im Unterschwellenbereich). Dieses Bauvorhaben umfasse unter anderem in der Leistungsgruppe 20 09 die Errichtung von Abwasserdruckleitungen (PE-HD Druckleitungen) in der Länge von 6.255 m, bei denen es zu einem Abwasserdruck bis zu 10 bar komme, worin ein wesentlicher Unterscheid zu einem normalen Abwasserkanal liege. Für die Verbindung der vorliegenden Leitungen seien schwierige Schweißarbeiten durchzuführen, welche einen Kernbereich der Ausbildung zum Gas- und Sanitärtechniker darstellten. Wertmäßig mache dieser Auftragsteil ca. 5,8 % des Gesamtauftrages aus. Zudem müssten 25 Spülschächte und drei Entlüftungsventile installiert werden. In der Leistungsgruppe 21 müssten 520 m PE-Wasserleitungsrohre verlegt werden, was 1 % des Gesamtauftrages ausmache. In der Leistungsgruppe 18 08 seien Pflasterungen aus Natursteinen vorgeschrieben. Zusammenfassend habe die mitbeteiligte Partei in ihrem Nachprüfungsantrag geltend gemacht, die Beschwerdeführerin verfüge über keine Gewerbeberechtigung betreffend das Installationsgewerbe und dürfe daher die Leistungen der Leistungsgruppe 20 09 und 21 nicht ausführen, weil dazu besondere Fachkenntnisse des reglementierten Gewerbes Gas- und Saniertechnik erforderlich seien. Die Nachnennung einer näher bezeichneten Firma als Subunternehmer mit der erforderlichen Gewerbeberechtigung stelle einen nicht behebbaren Mangel dar.

Weiters führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe fristgerecht einen Teilnahmeantrag gestellt und darin im Wesentlichen vorgebracht, das Bauvorhaben umfasse nur zu einem ganz geringfügigen Teil Installationsarbeiten. Die in Frage gezogenen Nebenarbeiten, nämlich die Installation der Druckleistungsschächte und die Verlegung von Rohrleitungen fielen in den Befugnisumfang eines Baumeisters. Der Leistungsteil der Leistungsgruppe 21 (Wasserversorgung gesamt) umfasse nur einen Anteil von 0,93 % im Gesamtauftrag und sei daher durch § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 durch das Baumeistergewerbe gedeckt.

Weiters führte die belangte Behörde aus, die öffentliche Auftraggeberin habe (im Schlichtungsverfahren) darauf hingewiesen, dass Leistungen der Leistungsgruppe 20 (Kanalrohre und angeformte Schachtteile) nicht dem Gewerbe "Gas- und Sanitärtechnik" zugerechnet worden seien, da im § 110 GewO 1994 lediglich die Ausführung von Rohrleitungen für Trink- und Nutzwasser, jedoch nicht für Abwasser angeführt seien. Auch die Arbeiten der Leistungsgruppe 21 (Wasserleitungsrohre) könnten von einem Baumeister ausgeführt werden. Der wertmäßige Anteil der Leistungsgruppe 18 08 (Pflasterungen) mache 0,45 % aus und sei als Leistung geringen Umfangs angesehen worden. Dabei handle es sich um Wiederherstellungsarbeiten, die von einem Baumeister ausgeführt werden könnten.

Die belangte Behörde habe eine Stellungnahme der Wirtschaftskammer Österreich, Geschäftsstelle Bau, Bundesinnung Bau- und Fachverband der Bauindustrie, eingeholt, wonach das Verlegen von Leitungen für Trink- und Nutzwasser dem Gewerbe Gas- und Sanitärtechnik vorbehalten sei, während andere Leitungen auch von Baumeistern verlegt werden dürften. Pflasterungsarbeiten seien dem Gewerbe Pflasterer vorbehalten, die Herstellung des Untergrundes jedoch als Tiefbauwerk dem Baumeistergewerbe. Nach § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 stehe jedem Gewerbetreibenden das Recht zu, "Vor- und Vollendungsarbeiten" auf den Gebieten anderer Gewerbe zu erbringen, soweit diese das eigene Gewerk sinnvoll ergänzten, wobei die Literatur eine Grenze von 3 bis 10 % nenne.

Weiters hat die belangte Behörde eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit eingeholt, die im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegeben wird und zum Ergebnis kommt, das Verlegen von Druckrohren und die Installation von Wasserleitungsrohren sowie die Montage von sonstigen sanitärtechnischen Einrichtungen in Abwasserbeseitigungsanlagen stünden dem Gewerbe der Gas- und Sanitärtechnik zu. Baumeister könnten daher die Errichtung einer Abwasserbeseitigungsanlage im Wege eines Gesamtauftrages übernehmen, wenn sie die sanitärtechnischen Einrichtungen der Anlage von einem zur Ausübung des Gewerbes der Gas- und Sanitärtechnik befugten Gewerbetreibenden ausführen ließen (Verweis auf § 32 Abs. 1 Z 9 GewO 1994). Weiters fielen die Tätigkeit der Pflasterer nicht unter die in § 99 Abs. 2 GewO 1994 angeführten Arbeiten, welche der Baumeister im Rahmen seiner Bauführung selbst ausführen dürfe. Der Baumeister habe sich daher zur Ausführung von Pflastererarbeiten eines hiezu befugten Gewerbetreibenden zu bedienen. Dem Baumeister stehe - wie auch allen anderen Gewerbetreibenden - das Recht zu, in geringem Umfang Leistungen anderer Gewerbe zu erbringen, die eigene Leistungen wirtschaftlich sinnvoll ergänzten (Verweis auf § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994). Die Leistungen anderer Gewerbe überschritten dann nicht einen geringen Umfang, wenn nicht mehr als 10 % des Gesamtentgeltes für die Errichtung der Abwasserbeseitigungsanlage auf das Verlegen von Druckrohren, die Installation von Wasserleitungsrohren, die Montage der sonstigen sanitärtechnischen Einrichtungen und Pflastererarbeiten entfielen. Soweit dies aus Gründen der Sicherheit notwendig sei, habe sich der Baumeister entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte zu bedienen (Verweis auf § 32 Abs. 2 GewO 1994).

Nach Wiedergabe der Zeugenaussagen bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung am führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der angewendeten Rechtsgrundlagen in rechtlicher Hinsicht aus, die Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit könne als "authentische Interpretation" (gemeint: der maßgeblichen Bestimmungen der GewO 1994) angesehen werden und komme zum Ergebnis, dass das Verlegen von Druckrohren und die Installation von Wasserleitungsrohren sowie die Montage von sonstigen sanitärtechnischen Einrichtungen in Abwasserbeseitigungsanlagen dem Gewerbe der Gas- und Sanitärtechnik zustehe, weiters die gegenständlichen Pflasterungsarbeiten dem Gewerbe des Pflasterers. Die belangte Behörde gehe in Einklang mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit davon aus, dass das Verlegen von Druckrohren inklusive Verbindungen mit Elektroschweißmuffen und umso mehr die Installationsarbeiten für Spülschächte und Entlüftungsventile (die belangte Behörde verweist auf näherbezeichnete Positionen der bestandsfesten Ausschreibung) dem Gewerbe der Gas- und Sanitärtechnik vorbehalten seien, zumal es sich bei letzteren eindeutig um sanitärtechnische Einrichtungen handle. Es wäre der Beschwerdeführerin frei gestanden, ihre in dieser Hinsicht fehlende Befugnis für die Leistungsposition 20 09 durch Subunternehmer zu substituieren, jedoch seien in ihrem Angebot keinerlei Subunternehmer benannt worden. Ein Subunternehmen müsse bereits im Zeitpunkt der Angebotsöffnung namentlich feststehen, ein "Nachschieben" eines Subunternehmers nach Angebotseröffnung sei unzulässig.

Da es sich beim Verlegen von Druckrohren und bei den Installationen für die Spülschächte um Kerntätigkeiten des Gewerbes der Gas- und Sanitärtechnik handle, könne nicht die Rede davon sein, dass es sich um "einfache Tätigkeiten" gemäß § 31 Abs. 1 GewO 1994 handle, welche die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Befugnis ausüben dürfte. Bei dieser umfangreichen (6.260 m Druckleitungen) in der Ausschreibung als wesentlich gekennzeichneten Position handle es sich auch nicht um "Vorarbeiten und Vollendungsarbeiten", ebenso nicht um Leistungen in geringem Umfang, die eigene Leistungen wirtschaftlich sinnvoll ergänzten, sondern um einen wesentlichen Leistungsteil zur Funktion der Anlage, wobei der preisliche Aspekt auf Grund der soeben aufgezählten Argumente außer Betracht bleiben könne.

Da sohin die Beschwerdeführerin bereits im Hinblick auf die Leistungsposition 20 09 keine Gewerbeberechtigung besessen und auch rechtzeitig keinen befugten Subunternehmer genannt habe, erübrige sich ein Eingehen auf die Befugnis hinsichtlich der weiteren Leistungsgruppen (Wasserversorgung und Pflasterungen).

Ihr Angebot sei daher gemäß § 129 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 auszuscheiden gewesen. Nachdem gemäß § 130 Abs. 1 BVergG 2006 der Zuschlag nur unter jenen Angeboten zu erteilen sei, die nach dem Ausscheiden übrig blieben, sei die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten des Angebotes der Beschwerdeführerin rechtswidrig gewesen, weshalb sie spruchgemäß für nichtig zu erklären gewesen war.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legten die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen ein, die im Nachprüfungsverfahren vor der belangten Behörde (im Hinblick auf die Befugnis) strittigen Leistungen hätten insgesamt einen Anteil an der Gesamtnettoangebotsumme von 6,43 %. Daher handle es sich um Leistungen anderer Gewerbe in geringem Umfang, welche gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 als Nebenrecht durch die Beschwerdeführerin befugtermaßen zu erbringen gewesen wären. Hiezu verweist die Beschwerdeführerin auf die im Nachprüfungsverfahren von der belangten Behörde eingeholte Stellungnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, in welcher ausdrücklich angeführt werde, dass von Leistungen in einem geringen Umfang dann ausgegangen werden könne, wenn diese nicht mehr als 10 % des Gesamtentgeltes betrügen.

2. Gemäß § 129 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 hat der Auftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung auf Grund des Ergebnisses der Prüfung Angebote von Bietern, deren Befugnis, finanzielle, wirtschaftliche oder technische Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit nicht gegeben ist, auszuscheiden.

Im Hinblick auf das Fehlen einer Befugnis und die damit zusammenhängenden gewerberechtlichen Fragen der Befugnis des Baumeisters nach § 99 GewO 1994 bzw. den Nebenrechten von Gewerbetreibenden nach § 32 Abs. 1 GewO 1994 gleicht der vorliegende Beschwerdefall jenem, der mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/04/0250, entschieden worden ist. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

3. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem ausgeführt, § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 erlaube allen Gewerbetreibenden und damit auch dem Baumeister unter anderem, Leistungen anderer Gewerbe, die die eigene Leistung wirtschaftlich sinnvoll ergänzen, "in geringem Umfang" zu erbringen. Bei den im dortigen Beschwerdefall maßgeblichen Fliesenlegerarbeiten, welche nach dem Beschwerdevorbringen lediglich 2,8 % der Angebotssumme ausmachten, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht von vornherein ausgeschlossen, dass es sich dabei um Leistungen im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 handle.

4. Gleiches gilt auch für den vorliegenden Beschwerdefall:

Ausgehend vom Beschwerdevorbringen, demzufolge die strittigen Leistungen insgesamt 6,43 % der Angebotssumme ausmachten, kann auch im vorliegenden Beschwerdefall nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass es sich um Leistungen im geringen Umfang im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 handelt.

Die Auffassung der belangten Behörde, es reiche bereits aus, dass es sich um einen "wesentlichen Leistungsteil zur Funktion der Anlage" handle, und daher könne der preisliche Aspekt - und damit die Frage des prozentuellen Anteils am Gesamtentgelt bzw. an der Angebotssumme - außer Betracht bleiben, ist dagegen durch § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 nicht gedeckt. Diese Bestimmung spricht nämlich ausdrücklich (quantitativ) von "Leistungen anderer Gewerbe … in geringem Umfange" und stellt nicht (qualitativ) auf die Wesentlichkeit der Leistungen ab.

5. Im Beschwerdefall liegt auf der Hand, dass die strittigen Leistungen die "eigenen Leistungen" der Beschwerdeführerin iSd § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 "wirtschaftlich sinnvoll ergänzen".

Da die belangte Behörde zu den oben angeführten maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 Z 1 GewO 1994, insbesondere zur Frage, ob Leistungen in geringem Umfang vorlagen, keine Feststellungen getroffen hat, ist der angefochtene Bescheid mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet.

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob für die Erbringung der strittigen Leistungen der Leistungsgruppen 20 09 und 21 die Befugnis der Beschwerdeführerin ausgereicht hätte.

6. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am