VwGH vom 08.06.2010, 2010/18/0063
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der SD, geboren am , vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 695/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die Beschwerdeführerin sei am mit einem bis gültigen Visum C nach Österreich gereist und habe am den österreichischen Staatsbürger W. geehelicht. Unter ausdrücklicher Berufung auf diese Ehe habe sie am einen (Erst )Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht.
Bei seiner am erfolgten niederschriftlichen Vernehmung habe W. gestanden, mit der Beschwerdeführerin eine "Scheinehe" eingegangen zu sein. Er habe angegeben, hohe Schulden zu haben und von der Bank kein Geld mehr zu bekommen. Somit habe er sich etwas einfallen lassen müssen, um seine Familie, seine Lebensgefährtin und seine (beiden) Kinder, mit welchen er ein gemeinsames Familienleben führe, versorgen zu können. Er habe die Beschwerdeführerin und eine Freundin von ihr in der Diskothek "N." kennen gelernt und die beiden in weiterer Folge dort öfters getroffen; meist sei er nur am Mittwoch und am Samstag dort gewesen. Ein Paar bzw. Liebespaar seien sie aber nicht gewesen. Es sei einfach eine freundschaftliche Beziehung zur Beschwerdeführerin entstanden. Da die Beschwerdeführerin der deutschen Sprache nicht gut mächtig sei, müsse man mit ihr langsam sprechen. Eines Tages habe sie auf seine Frage, ob sie Jugoslawin oder Österreicherin sei, gemeint, dass sie schon längere Zeit in W sei, obwohl sie gar nicht hier sein dürfte, weil sie kein Visum habe. Er habe kein Geld gehabt, damals bei seiner Mutter gewohnt und etwas unternehmen müssen, um an Geld zu kommen. So habe er die Beschwerdeführerin gefragt, ob sie ihn nicht heiraten möchte, könne sie doch dann hier in Österreich bleiben. Er habe aber auch gesagt, dass dies EUR 5.000,-- kosten würde, weil er das Geld brauche. Er sei nämlich delogiert worden und habe noch sehr hohe Mietrückstände gehabt. Die Beschwerdeführerin habe eingewilligt und er, W., habe den Betrag von EUR 5.000,-- durch zwei Zahlungen bekommen, EUR 2.500,-- beim Einreichen am Standesamt, die restlichen EUR 2.500,--, bevor sie zur Trauung gegangen seien. Er lebe mit der Beschwerdeführerin nicht zusammen bzw. habe niemals mit ihr zusammengelebt, er wohne in S bei seiner Lebensgefährtin und seinen Kindern. Jene wisse über die Scheinehe Bescheid, sei aber nicht sehr glücklich mit dieser Situation. Er habe auch nicht die Absicht, mit der Beschwerdeführerin jemals zusammenzuleben, geschweige eine Familie mit ihr zu haben. Sie sei eigentlich seit der "Scheineheeingehung" eine "fremde Person". Nach der Trauung hätten sich ihre Wege getrennt. Die Beschwerdeführerin wohne seines Wissens in W, G.-Straße. Er sei froh, jetzt alles ausgesagt zu haben.
Beweiswürdigend hielt die belangte Behörde fest, keinen Grund zu sehen, an der Richtigkeit der Zeugenaussage des W. zu zweifeln. Nachvollziehbar habe er begründet, dass er sich wegen seiner hohen Schulden in die "Scheinehe" eingelassen habe. Er sei mit seiner Familie delogiert worden und habe diese nicht mehr versorgen können. Aus diesem Grund sei ihm die Idee gekommen, die Beschwerdeführerin gegen einen Vermögensvorteil zu heiraten. Nach Ansicht der belangten Behörde sei daher kein Grund ersichtlich, warum W. das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bloß "vortäuschen" sollte. Im Gegensatz dazu habe die Beschwerdeführerin, die das Eingehen einer Aufenthaltsehe bestreite, ihrerseits größtes Interesse an der Aufrechterhaltung der Ehe, weil ihr weiterer Verbleib im Bundesgebiet und darüber hinaus ihr Zugang zum Arbeitsmarkt davon abhingen. Die Angaben ihres Ehegatten habe die Beschwerdeführerin lediglich mit "Eifersucht" erklärt. Zur Untermauerung ihrer Ansicht habe sie nur ihre eigene Vernehmung angeboten. Der Erklärungsversuch der Beschwerdeführerin stehe im krassen Widerspruch zu der schlüssigen und glaubwürdigen Aussage des Zeugen W. und könne daher nur als Schutzbehauptung gewertet werden.
Die Vernehmung der Beschwerdeführerin erweise sich schon deshalb als entbehrlich, weil diese ausreichend Gelegenheit gehabt habe, ihren Standpunkt ausführlich schriftlich darzulegen.
Die belangte Behörde habe daher als erwiesen angenommen, dass die Beschwerdeführerin die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit ihrem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Damit seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt.
Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwer wiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG rechtfertige. Diese Gefährdung der öffentlichen Ordnung stelle einen Rechtsmissbrauch dar, der zweifellos ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, komme doch gerade der Verhinderung bzw. Bekämpfung solcher Ehen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu.
Die Beschwerdeführerin sei seit mehr als sechs Jahren in Österreich aufhältig und verfüge im Inland aber über keine familiären Bindungen. Es sei daher lediglich von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privatleben auszugehen, der zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten sei. Wer, wie die Beschwerdeführerin, rechtsmissbräuchlich vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung als notwendig erscheinen ließen.
Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Nur auf Grund der durch ihre Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe die Beschwerdeführerin am eine unselbständige Beschäftigung als Arbeiterin annehmen können, weshalb auch die durch den mehr als sechsjährigen Aufenthalt erzielte Integration wesentlich geschmälert werde, zumal sie rechtens eigentlich keiner Arbeitstätigkeit nachgehen dürfte. Ihre privaten und familiären Interessen hätten gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund treten müssen. Die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme.
Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.
Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommene Befristung auch nach Ansicht der belangten Behörde als gerechtfertigt.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerdeführerin führt aus, bereits in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vorgebracht zu haben, dass die Angaben ihres (zwischenzeitig geschiedenen) Ehegatten unrichtig seien. Durch das Unterlassen ihrer - von ihr ausdrücklich beantragten - Vernehmung sei das Verfahren jedenfalls mangelhaft geblieben.
1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Zunächst ist der Behauptung eines Verfahrensmangels zu entgegnen, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0087, mwN) und die Beschwerdeführerin darüber hinaus bereits im erstinstanzlichen Verfahren und in ihrer Berufung ausreichend Gelegenheit hatte, sich Parteiengehör zu verschaffen. Dessen ungeachtet zeigt die Beschwerde schon deshalb keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, weil sie nicht ausführt, welche konkreten Tatsachen durch die beantragte Vernehmung hätten bewiesen werden sollen, sodass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan wurde.
Die belangte Behörde hat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie die Aussage des Zeugen W. als glaubwürdig beurteilt und es als erwiesen angenommen hat, dass die Beschwerdeführerin die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen hat, ohne mit ihrem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Das unsubstantiierte Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach die Angaben ihres (zwischenzeitig geschiedenen) Ehegatten unrichtig seien, ist nicht geeignet, eine Unschlüssigkeit oder Unrichtigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde darzulegen, nennt es doch keine konkreten Beweisergebnisse, die den Standpunkt der Beschwerdeführerin stützen könnten. Auf die die Beweiswürdigung der belangten Behörde tragenden Gründe geht die Beschwerde inhaltlich nicht ein.
In Anbetracht der im angefochtenen Bescheid dargestellten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und des dazu von der Beschwerdeführerin erstatteten Vorbringens begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde somit keinen Bedenken.
1.3. Im Hinblick darauf, dass der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0434, mwN), ist auch die Ansicht der belangten Behörde, dass das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin eine Gefährdung im Sinn des - im Beschwerdefall gemäß § 87 FPG anzuwendenden - § 86 Abs. 1 leg. cit. darstelle, nicht zu beanstanden.
1.4. Nach der zum Fremdengesetz 1997 - FrG ergangenen hg. Judikatur war eine allein aus dem besagten Rechtsmissbrauch durch Eingehen einer Scheinehe resultierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung als weggefallen zu betrachten, wenn - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - die erstmalige Erfüllung des in § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG normierten Tatbestandes bereits mehr als fünf Jahre zurücklag. Diese Rechtsprechung wurde für den Anwendungsbereich des FPG im Hinblick darauf, dass nunmehr § 63 Abs. 1 FPG im Fall des § 60 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot zulässt, nicht übernommen (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0434, mwN).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist auch das Beschwerdevorbringen, auf Grund der bereits vor fünf Jahren erfolgten Eheschließung erscheine die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht mehr als gerechtfertigt, nicht in der Lage, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
2. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am
Fundstelle(n):
FAAAE-79993