VwGH vom 11.10.2007, 2006/04/0119
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des Landes Niederösterreich, vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwaltspartnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-05/0250, betreffend Feststellung einer Vergaberechtswidrigkeit (mitbeteiligte Partei: S GmbH in S, vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Haunspergstraße 33), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid vom hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich im Vergabeverfahren der beschwerdeführenden Partei betreffend "Lieferung von Auftausalz für den Straßenwinterdienst: Sommereinlagerung 2005 und Nachlieferung im Winter 2005/2006 für die Straßenmeistereien im Bereich der NÖ Straßenbauabteilung 8 Waidhofen/Thaya" gemäß §§ 4, 5, 7, 8, 15, 16, 17 und 19 Niederösterreichisches Vergabe-Nachprüfungsgesetz - NÖVNG, LGBl. 7200-0, über Antrag der Mitbeteiligten festgestellt, dass das Ausscheiden des Angebots der Mitbeteiligten und die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der S. AG rechtswidrig gewesen seien sowie die beschwerdeführende Partei verpflichtet, der Mitbeteiligten die für den Nachprüfungsantrag entrichtete Pauschalgebühr von EUR 3.200,-- zu ersetzen.
In der Begründung dieses Bescheides hat die belangte Behörde - soweit für die vorliegende Entscheidung wesentlich - ausgeführt, die Mitbeteiligte habe mit Schriftsatz vom einen Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung der beschwerdeführenden Partei als Auftraggeber im gegenständlichen Vergabeverfahren, den Zuschlag der S. AG erteilen zu wollen, und damit verbunden den Antrag auf Nichtigerklärung der Ausscheidung des Angebots der Mitbeteiligten eingebracht. Diesen Antrag habe sie damit begründet, dass die von ihr angegebenen Referenzlieferungen entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Partei ausreichend gewesen wären. Nach der Angebotsbewertung auf Grund der Zuschlagskriterien sei das Angebot der Mitbeteiligten an erster Stelle gereiht worden. In diesem Angebot seien zehn Referenzlieferungen angegeben gewesen, von denen zumindest zwei die in den Ausschreibungsunterlagen geforderten Anforderungen erfüllt hätten. Schon damit seien die geforderten Mindestkriterien hinsichtlich der anzugebenden Referenzlieferungen erfüllt worden. Die beschwerdeführende Partei habe unzulässigerweise nachträglich einen Nachweis dafür verlangt, dass die Referenzleistungen gegenüber dem jeweiligen Auftraggeber ordnungsgemäß erbracht worden seien. Die Nichterbringung derartiger Nachweise sei unzulässigerweise als Grund für das Ausscheiden herangezogen worden. Es sei zu berücksichtigen, dass zwischenzeitig der Zuschlag an die S. AG erteilt worden sei. § 16 Abs. 1 NÖVNG normiere, dass nach erfolgtem Zuschlag oder nach erfolgtem Widerruf einer Ausschreibung der unabhängige Verwaltungssenat unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 leg. cit. auf Antrag festzustellen habe, ob der behauptete Rechtsverstoß vorliege oder nicht. Dies bedeute, dass der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung in einen Feststellungsantrag umzudeuten sei. Demgemäß sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof trat die Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 327/06, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt die beschwerdeführende Partei die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder Rechtswidrigkeit des Inhalts.
Dazu führt die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen aus, dass die gegenständliche Feststellung durch die belangte Behörde ohne entsprechenden Antrag ergangen sei. Eine amtswegige Umdeutung eines Nichtigerklärungsantrages in einen Feststellungsantrag sei unzulässig. Bei der Vorgangsweise der belangten Behörde werde dem Auftraggeber die von § 4 Abs. 3 Z. 2 NÖVNG eingeräumte Möglichkeit der Beantragung einer "Gegenfeststellung" genommen. Da der Zuschlag erteilt und kein Feststellungsantrag gestellt worden sei, hätte die belangte Behörde den Antrag auf Nichtigerklärung zurückweisen müssen. Darüber hinaus sei festzuhalten, dass der belangten Behörde nur die Kompetenz zukomme, festzustellen, ob wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt worden sei. Zur spruchgemäß getroffenen Feststellung fehle der belangten Behörde jedoch die Zuständigkeit.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Darin führte sie im Wesentlichen aus, dass die Feststellung gemäß § 16 Abs. 1 NÖVNG in einem Fall wie dem vorliegenden von Amts wegen vorgenommen werden könne. Der nach dem Wortlaut dieser Bestimmung erforderliche Antrag sei nur in Fällen notwendig, in denen die erstmalige Antragseinbringung erst nach Zuschlagserteilung bzw. Widerruf erfolge. Sei hingegen im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung oder des Widerrufs bereits ein Nachprüfungsverfahren anhängig, sei keine gesonderte Antragstellung mehr erforderlich. Die gegenteilige Ansicht würde zu dem Ergebnis führten, dass nach Zuschlagserteilung der ursprüngliche Antrag jedenfalls zurückgewiesen werden müsste. Ein Kostenzuspruch an den Nachprüfungswerber wäre in solchen Fällen nie möglich.
Die mitbeteiligte Partei erstattete ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Sie brachte u.a. vor, dass die Zuschlagserteilung erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt sei und sie daher gar keine Gelegenheit gehabt hätte, einen Antrag gemäß § 16 Abs. 1 NÖVNG einzubringen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 NÖVNG hat der Unabhängige Verwaltungssenat nach erfolgtem Zuschlag oder nach erfolgtem Widerruf einer Ausschreibung unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 leg. cit. auf Antrag festzustellen, ob der behauptete Rechtsverstoß vorliegt oder nicht.
Im vorliegenden Fall hat die Mitbeteiligte unstrittig zunächst einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung eingebracht. Während dieses Nachprüfungsverfahrens wurde der Zuschlag erteilt. Die belangte Behörde hat ohne gesonderte Antragstellung durch die mitbeteiligte Partei die angefochtene Feststellung gemäß § 16 Abs. 1 NÖVNG getroffen.
Zunächst sei darauf hingewiesen, dass eine amtswegige Umdeutung des Begehrens auf Nichtigerklärung einer Entscheidung des Auftraggebers in ein Feststellungsbegehren entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht in Betracht kommt (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2000/04/0033).
Die belangte Behörde vertrat jedoch auch die Ansicht, dass eine Feststellung gemäß § 16 Abs. 1 NÖVNG auch ohne diesbezüglichen Antrag möglich sei. Die Worte "auf Antrag" im Wortlaut dieser Bestimmung bezögen sich nur auf den Fall der erstmaligen Antragseinbringung nach Zuschlagserteilung bzw. Widerruf des Vergabeverfahrens.
Eine solche Auslegung verbietet sich schon deshalb, weil § 16 Abs. 1 NÖVNG nur den Fall regelt, dass während eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen wird (vgl. zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 175 Abs. 1 Bundesvergabegesetz 2002 etwa Mecenovic/Ozimic, Praxiskommentar zu den Neuerungen des Bundesvergabegesetzes 2002, RPA 2003, 190; Reisner in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2002, Rz 8 zu § 175). Ist hingegen bei Zuschlagserteilung oder Widerruf des Vergabeverfahrens noch kein Nachprüfungsverfahren anhängig, kommt nur die Einbringung eines Feststellungsantrages gemäß § 6 NÖVNG in Betracht.
Dem weiteren Argument der belangten Behörde, dass bei Erforderlichkeit einer gesonderten Antragstellung gemäß § 16 Abs. 1 NÖVNG der ursprüngliche, auf Nichtigerklärung einer Auftraggeberentscheidung gerichtete Nachprüfungsantrag zurückzuweisen wäre und daher dem Antragsteller dafür nie Gebührenersatz zugesprochen werden könnte, ist mit Thienel (Feststellungsbescheide nach § 175 Bundesvergabegesetz 2002 in ÖZW 2004, 45 (47)) entgegen zu halten, dass § 16 Abs. 1 NÖVNG gerade den Sinn hat, das ursprüngliche Nachprüfungsverfahren auf gesonderten Antrag als Feststellungsverfahren zu Ende zu führen. Der Nachprüfungsantrag ist weiterhin aufrecht, wird aber durch den späteren Antrag zu einem Feststellungsantrag modifiziert und ist demnach nicht zurückzuweisen, sondern durch den abschließenden Feststellungsbescheid zu erledigen (vgl. in diesem Sinn ausdrücklich § 331 Abs. 4 des im vorliegenden Fall noch nicht anzuwendenden Bundesvergabegesetzes 2006). Dabei ist dem obsiegenden Antragsteller gemäß § 19 Abs. 5 NÖVNG Gebührenersatz zuzusprechen. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass § 19 Abs. 1 NÖVNG - anders als § 177 Abs. 1 Bundesvergabegesetz 2002 für Anträge gemäß § 175 Abs. 1 leg. cit. - keine gesonderte Vergebührung von Feststellungsanträgen gemäß § 16 Abs. 1 NÖVNG vorsieht.
Der von der mitbeteiligten Partei ins Treffen geführte Umstand, sie habe auf Grund der Zuschlagserteilung erst nach Schluss der Verhandlung keine Gelegenheit zur Stellung eines Feststellungsantrages gemäß § 16 Abs. 1 NÖVNG gehabt, ändert nichts an der Antragsbedürftigkeit einer Feststellung nach dieser Bestimmung.
Die Ansicht der belangten Behörde, die Feststellung gemäß § 16 Abs. 1 NÖVNG bedürfe keiner gesonderten Antragstellung, beruht nach dem Gesagten auf einer Verkennung der Rechtslage. Infolge dessen war der angefochtene Bescheid - auch im akzessorischen Abspruch über den Gebührenersatz - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Wien, am