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VwGH vom 23.03.2010, 2010/18/0034

VwGH vom 23.03.2010, 2010/18/0034

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Jäger, über die Beschwerde des R A in W, geboren 1970, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/29A, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/535.392/2007, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am im Kosovo eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und am bei der österreichischen Botschaft in Skopje einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" eingebracht habe. Nach Erlangung eines Aufenthaltstitels sei der Beschwerdeführer am nach Österreich eingereist. Er habe Verlängerungen seines Aufenthaltstitels bis zuletzt am erhalten. (Am wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" erteilt.) Mit Beschluss vom sei die Ehe des Beschwerdeführers geschieden worden.

Auf Grund der im angefochtenen Bescheid näher dargestellten Ergebnisse der Erhebungen im Hinblick auf das Bestehen einer Scheinehe - insbesondere habe die Ehefrau des Beschwerdeführers zweimal, nämlich am und am das Vorliegen einer Scheinehe bestätigt - habe es die belangte Behörde als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Eheleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Damit seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt. Die Niederlassungsbehörde sei von der Erstbehörde weder über die Scheineheermittlungen noch über die Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbots informiert worden.

Der Missbrauch des Rechtsinstituts der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige und zweifellos ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, komme doch gerade der Verhinderung bzw. Bekämpfung solcher Ehen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass vorliegend die Voraussetzung des § 60 Abs. 2 Z. 9 (gemeint wohl: § 60 Abs. 1 FPG) gegeben sei.

Der Beschwerdeführer sei seit mehr als fünf Jahren in Österreich aufhältig und verfüge angeblich im Bundesgebiet über familiäre Bindungen zu einer Lebensgefährtin, ohne jedoch deren Namen mitgeteilt zu haben, und möglicherweise zu einem Bruder. Er gehe seit dem Jahr 2004 einer Beschäftigung nach. Daher sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei dieser Eingriff zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, dringend geboten. Wer, wie der Beschwerdeführer, insofern rechtsmissbräuchlich vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig erscheinen ließen.

Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe der Beschwerdeführer eine unselbständige Beschäftigung als Arbeiter annehmen können, weshalb auch seine durch den mehr als fünfjährigen Aufenthalt erzielte Integration wesentlich geschmälert werde. Dies umso mehr, als letztlich auch die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes auf dem besagten rechtsmissbräuchlichen Verhalten basiere. Von daher gesehen hätten seine privaten und familiären Interessen gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund zu treten. Bei einer Abwägung dieser Interessenlagen ergebe sich somit, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wögen als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände vorlägen, habe die belangte Behörde angesichts des gegebenen Sachverhaltes von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde rügt zunächst ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, weil die belangte Behörde keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob auf Grund der Ehenichtigkeitsanzeige vom die Ehe des Beschwerdeführers für nichtig erklärt worden sei, ob die Staatsanwaltschaft Wien die Anzeige vom gemäß § 104 FPG aufgegriffen habe und die geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers deswegen verurteilt worden sei. Weiters rügt die Beschwerde, dem Beschwerdeführer sei keine Möglichkeit gegeben worden, zur neuerlichen Vernehmung seiner geschiedenen Ehefrau vom (durch die erstinstanzliche Behörde) Stellung zu beziehen.

Damit gelingt es der Beschwerde jedoch nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Beschwerde nicht gegen die Feststellungen im angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe wendet. Entgegen der Beschwerdeansicht setzt die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe sei nur zum Schein geschlossen worden, nicht voraus, dass die Ehe für nichtig erklärt (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0291, mwN) oder die Scheinehepartnerin gemäß § 117 FPG bestraft worden ist. Auch die Rüge des mangelnden Parteiengehörs ist nicht zielführend, weil der Beschwerdeführer im Rahmen der gegen den erstinstanzlichen Bescheid eingebrachten Berufung ausreichend Gelegenheit hatte, zu der Vernehmung seiner geschiedenen Ehefrau vom Stellung zu nehmen. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen somit nicht vor.

2. Auf Basis der im angefochtenen Bescheid getroffenen unbedenklichen Sachverhaltsfeststellungen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit der Ehefrau ein gemeinsames Familienleben nie geführt hat. Daher begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG verwirklicht sei, keinem Einwand.

3. Angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, begegnet auch die weitere Beurteilung, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, keinen Bedenken. Der - nicht gerügten - Tatsache, dass auf Grund des dem Beschwerdeführer erteilten Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG" der erhöhte Gefährdungsmaßstab des § 56 Abs. 1 FPG anzuwenden gewesen wäre, kommt für den Ausgang des Verfahrens keine Bedeutung zu, zumal gemäß § 56 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. das Eingehen einer Aufenthaltsehe eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

4. Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach er Verlängerungen seines Aufenthaltstitels bis zuletzt am erhalten habe. Vielmehr sei er im Besitz einer "Daueraufenthaltskarte - EG" mit Gültigkeitsdauer bis und freiem Zugang zum Arbeitsmarkt. Die belangte Behörde habe auf Grund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens den aktuellen Sachverhalt nicht festgestellt.

Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg.

In der Berufung hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er letztmalig im Februar 2006 vernommen worden sei und ihm nach diesem Datum ein Aufenthaltstitel mit dem Zweck "unbeschränkt" für die Dauer von zwei Jahren erteilt worden sei. Da für die Erteilung eines Aufenthaltstitels jedenfalls Voraussetzung sei, dass kein fremdenpolizeiliches Verfahren anhängig sei, sei der Beschwerdeführer davon ausgegangen, dass das fremdenpolizeiliche Verfahren eingestellt worden sei.

Dazu stellte die belangte Behörde lediglich fest, die Niederlassungsbehörde sei von der Erstbehörde weder über die Scheineheermittlungen noch über die Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotes informiert worden.

Aus einer im Verwaltungsakt befindlichen Abfrage aus dem zentralen Fremdenregister vom geht jedoch hervor, dass dem Beschwerdeführer nach Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides vom nicht nur eine "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" mit Ausstellungsdatum , sondern am auch ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" mit Gültigkeitsdauer bis erteilt wurde.

Darüber, ob die Behörde bei Erteilung des Aufenthaltstitels am in Kenntnis des anhängigen Verfahrens zur Erlassung einer Aufenthaltsbeendigung war, hätte die belangte Behörde Ermittlungen anstellen müssen. Gemäß § 61 Z. 2 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 FPG wegen des maßgeblichen Sachverhaltes unzulässig wäre. Gemäß § 54 Abs. 1 Z. 1 FPG können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid (nur) ausgewiesen werden, wenn nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre. Somit stünde die Erteilung eines Aufenthaltstitels, die in Kenntnis der in Frage kommenden Versagungsgründe für einen Aufenthaltstitel - hier: des Eingehens einer Scheinehe - erfolgte, der Erlassung eines auf diese Versagungsgründe gestützten Aufenthaltsverbotes entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0255, mwN).

5. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am