VwGH vom 24.06.2014, 2013/05/0199
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Beschwerde des Ing. R S in W, vertreten durch Dr. Madeleine Zingher, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Bösendorferstraße 7, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 226788/2013, betreffend Versagung einer Baubewilligung (weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: U T in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bauansuchen vom beantragte der Beschwerdeführer beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Vordaches im Erdgeschoß des auf der Liegenschaft P.-Straße 16 bestehenden Wohnhauses. Der Beschwerdeführer ist daselbst Mieter.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom wurde die beantragte Baubewilligung gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO) erteilt.
Mit Schreiben vom erhoben T., die Haus- und Liegenschaftseigentümerin, und Ing. T., der Vermieter der Räumlichkeiten im Erdgeschoss sowie Fruchtgenussberechtigte, gegen diesen Bescheid Berufung.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der erstinstanzliche Bescheid dahingehend geändert, dass die Bewilligung für das Vordach versagt wurde. Die Berufung des Ing. T. wurde als unzulässig zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, dass die Zustimmung von Frau T. als Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft zum gegenständlichen Bauvorhaben nie vorgelegen sei. Zwar liege im Akt die Entscheidung der Schlichtungsstelle vom , mit der die Ersetzung der Zustimmung des Vermieters, Ing. T., erfolgt sei, nicht jedoch die der Grundeigentümerin. Auch sei eine Zustimmung der Grundeigentümerin weder durch Unterfertigung des Einreichplanes noch in einer sonstigen Form im Bauakt vorhanden. Im Berufungsvorbringen komme implizit zum Ausdruck, dass auch weiterhin von dieser keine Zustimmung zum Bauvorhaben erteilt werde. Ing. T. als Fruchtgenussberechtigtem komme keine Parteistellung zu, weshalb seine Berufung als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine "Gegenschrift" (in der inhaltlich bloß auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen wurde) mit dem Antrag, die Beschwerde unter Zuerkennung des Vorlageaufwandes abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde irre, wenn sie meine, dass im gegenständlichen Fall nur auf die Zustimmung durch den Grundeigentümer abzustellen und die im ordentlichen Gerichtsverfahren erwirkte substituierte Zustimmung durch den fruchtgenussberechtigten Vermieter völlig auszuklammern sei. Es sei gerade nicht Aufgabe der Baubehörde, selbständig zu beurteilen, ob der Miteigentümer verpflichtet sei, bauliche Maßnahmen zu dulden oder nicht. Das Gesetz sehe vielmehr als Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung der Baubewilligung das tatsächliche Vorliegen der Zustimmung vor, welche - soweit ein Zustimmungserfordernis zu bejahen sei - nur durch eine rechtskräftige Entscheidung eines Zivilgerichtes ersetzt werden könne. Ein Bauwerber, der nicht (alleiniger) Grundeigentümer der zu bebauenden Fläche sei, müsse die Möglichkeit haben, die Zustimmung zum Bauvorhaben in einem ordentlichen Gerichtsverfahren durchsetzen zu können. Nach ständiger Judikatur sei es dem Mieter bei Bestehen eines Fruchtgenussrechtes jedoch nicht möglich, seinen Anspruch nach § 9 MRG gegen den Eigentümer geltend zu machen, sondern könne dieser nur gegen den Vermieter als Fruchtgenussberechtigten durchgesetzt werden. Der Bauwerber befinde sich somit in einer "Doppel-Mühle", da er zum einen seinen vertraglichen Anspruch nur gegen den Fruchtgenussberechtigten als Vermieter durchsetzen könne und keine Möglichkeit habe, gegen den Eigentümer gerichtlich vorzugehen, und zum anderen gemäß der Entscheidung der belangten Behörde die im ordentlichen Gerichtsverfahren bewirkte substituierte Zustimmung des fruchtgenussberechtigten Vermieters völlig wertlos erscheine. Es müsse davon ausgegangen werden, dass es sowohl im Sinne der Bauordnung als auch der Rechtsprechung zwingend notwendig sei, dass dem Bauwerber ein Instrument in die Hand gegeben werde, mit welchem er die nach der Bauordnung erforderliche Zustimmung gerichtlich erwirken könne. Da nach den zivilrechtlichen Bestimmungen nur der Vermieter und nicht der Eigentümer durch den Mieter zur Zustimmung verpflichtet werden könne, sei darauf auch bei der Auslegung der Bauordnung Bedacht zu nehmen. Überdies spreche auch die Rechtsnatur des Fruchtgenusses dafür, dass § 63 Abs. 1 lit. c BO in der vorliegenden Fallkonstellation so interpretiert werden müsse, dass fallbezogen unter den Begriff "Grundeigentümer" auch der Fruchtgenussberechtigte subsumiert werden müsse und somit eine Zustimmung durch letzteren bereits die Voraussetzung des § 63 Abs. 1 lit. c BO erfülle. Bei Anwendung des § 63 Abs. 1 lit. c BO übersehe die belangte Behörde somit, dass es geradezu denkunmöglich erscheine, dem Bauwerber in diesem speziellen Fall zwar eine Möglichkeit einzuräumen, die Zustimmung zum Bauvorhaben durch den Vermieter substituieren zu lassen, diese gerichtliche Durchsetzung der Ersetzung der Zustimmung im Bauverfahren jedoch nicht anzuerkennen, sodass es sich folglich um ein zahnloses Rechtsdurchsetzungsinstrument handle. Bei verfassungskonformer und somit den Prinzipien des Gleichheitssatzes Rechnung tragender Interpretation müsse daher in jenem Falle, in dem der Vermieter nicht gleichzeitig auch zustimmungsberechtigter Grundeigentümer sondern lediglich Fruchtgenussberechtigter sei, der - auf gerichtlichem Wege erwirkten - ersetzten Zustimmung durch den Vermieter als Fruchtgenussberechtigten dieselbe Wertigkeit zukommen wie der Zustimmung durch den Grundeigentümer.
Mit Eingabe vom brachte der Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof zudem die Entscheidung der Schlichtungsstelle vom zur Kenntnis (Berichtigung deren Entscheidung vom ). Zusammengefasst habe die Schlichtungsstelle ausgeführt, dass laut § 2 Abs. 1 MRG Hauptmiete unter anderem dann vorliege, wenn der Mietvertrag mit dem dinglich oder obligatorisch berechtigten Fruchtnießer geschlossen werde. Aus der ständigen Judikatur ergebe sich, dass im Falle der Einräumung eines Fruchtgenussrechtes der Eigentümer der Liegenschaft während dieser Dauer nicht als Bestandgeber anzusehen sei. Entweder trete der Fruchtnießer in den bestehenden Mietvertrag ein oder er sei aufgrund eines mit ihm abgeschlossenen Mietvertrages auf die Dauer des Fruchtgenussrechtes der Vermieter. Es sei nach der ständigen Judikatur dem Mieter bei Bestehen eines Fruchtgenussrechtes nicht möglich, einen Anspruch gegen den Eigentümer geltend zu machen. Der Anspruch sei daher gegen den Fruchtgenussberechtigten Ing. T. gestellt worden und die Entscheidung auch gegen ihn ergangen.
§ 63 BO in der Fassung LGBl. Nr. 64/2012 lautet auszugsweise:
"§ 63. (1) Für das Baubewilligungsverfahren hat der Bauwerber folgende Einreichunterlagen vorzulegen:
(...)
c) die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer), wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist; sie kann auch durch Unterfertigung der Baupläne nachgewiesen werden;
(...)"
Nach dieser Bestimmung stellt der Gesetzgeber auf die Zustimmung des Liegenschaftseigentümers oder - im Fall von Miteigentum - auf jene aller Miteigentümer ab. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dieser Zustimmung sei die (allenfalls ersetzte) Zustimmung des (nur) fruchtgenussberechtigten Vermieters gleichzuhalten.
Dieser Auffassung steht zunächst der eindeutige Wortlaut des § 63 Abs. 1 lit. c BO entgegen, durch den die Grenzen der Interpretation der Bestimmung abgesteckt werden (vgl. in diesem Zusammenhang zur gegenständlichen Unterscheidung in baurechtlichen Bestimmungen betreffend den Nachbarn die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 90/06/0177, vom , Zl. 2003/05/0073, und vom , Zl. 2006/05/0170).
Abgesehen davon spricht aber auch die ratio und sachliche Rechtfertigung des Zustimmungserfordernisses zu Baubewilligungen nach den Bauordnungen der Länder überhaupt, dass nämlich mit der Bauführung ein aus dem Eigentumsrecht erfließendes Recht in Anspruch genommen werden soll, dass mit der Baubewilligung grundsätzlich auch Pflichten des Eigentümers verbunden sind und dass Baubewilligungsverfahren, die zu Baubewilligungen führen, die privatrechtlich mangels Eigentümerzustimmung nicht realisiert werden können, möglichst zu vermeiden sind (vgl. dazu Moritz , Bauordnung für Wien, 4. Auflage, S. 179), dagegen, dass auf die Zustimmung des Grundeigentümers verzichtet werden kann, wenn eine solche eines Fruchtgenussberechtigten vorliegt.
Im Übrigen hat auch der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom , Zl. 8 Ob 678/90, ausgesprochen, dass zwar der Fruchtnießer mit Einräumung des Fruchtgenussrechtes in bestehende Mietverträge eintrete und alle Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse erhalte. Davon blieben aber (vertragliche) Pflichten des bisherigen Vermieters gegenüber dem Mieter unberührt, die sich aus seiner Rechtsstellung als Hauseigentümer ergäben und nicht die dem Fruchtnießer zustehende Nutzung und Verwaltung der Sache beträfen (vgl. dazu auch ), so etwa auch Verpflichtungen zur Zustimmung zu Baubewilligungsansuchen des Mieters nach der jeweiligen Bauordnung.
Der belangten Behörde kann somit nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie auf das Vorliegen der Zustimmung ausschließlich der Liegenschaftseigentümerin abgestellt hat. Das Nichtvorliegen dieser Zustimmung wird in der Beschwerde nicht bestritten.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Bemerkt wird, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 weiter anzuwenden sind.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am