VwGH vom 25.02.2010, 2010/18/0010
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der D in Wien, geboren am , vertreten durch Dr. Aleksa Paunovic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntnerring 17/20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/459.329/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass die Beschwerdeführerin erstmals am mit einem bis gültigen Visum C nach Österreich eingereist sei und sich hier anschließend als "begünstigte Drittstaatsangehörige" ihrer Tochter, die über die österreichische Staatsbürgerschaft verfüge, aufgehalten habe. Ihr sei eine vom bis gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden. Ein von der Beschwerdeführerin verspätet eingebrachter Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels sei wegen des nicht gesicherten Lebensunterhaltes der Beschwerdeführerin (ihre Tochter habe keine Haftungserklärung abgegeben) am rechtskräftig zurückgewiesen worden.
Am habe die Beschwerdeführerin einen österreichischen Staatsbürger geheiratet, der jedoch bereits am verstorben sei.
Die Beschwerdeführerin habe zuletzt bis über einen Aufenthaltstitel verfügt, sei jedoch auch nach rechtskräftiger Zurückweisung ihres Verlängerungsantrages in Österreich verblieben, weshalb sie sich seit unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG lägen daher vor. In einem solchen Fall könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 leg. cit. entgegenstehe.
Die Beschwerdeführerin verfüge im Inland über familiäre Bindungen zu ihrer Tochter und ihren Enkelkindern, die alle über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügten, sowie zu einem Neffen. Es sei daher davon auszugehen, dass mit der vorliegenden Maßnahme ein Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin verbunden sei. Dessen ungeachtet sei die gegen die Beschwerdeführerin gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - dringend geboten.
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den mehr als sechsjährigen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei zu berücksichtigen, dass der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin zumindest seit nicht mehr gesichert sei und ihr Aufenthalt im Bundesgebiet bis nur auf Grund der Bestimmung des § 24 Abs. 2 erster Satz FPG (gemeint wohl: NAG, i. d.F. BGBl. I Nr. 157/2005) als rechtmäßig gelte. Auch von einer beruflichen Integration der Beschwerdeführerin sei nicht auszugehen, weil die Beschwerdeführerin lediglich von 1. bis einer Beschäftigung als geringfügig beschäftigte Arbeiterin nachgegangen sei, aber über keine Beschäftigungsbewilligung verfügt habe. Vor diesem Hintergrund hätten ihre privaten und familiären Interessen gegenüber dem - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund zu treten. Unter diesem Blickwinkel sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Die Beschwerdeführerin verfüge - wie sie selbst zugebe - über mangelnde Deutschkenntnisse und sei erst im März 2009 bereit gewesen, zur Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse einen Deutschkurs zu belegen. Auf Grund ihres erst ca. sechs Jahre dauernden Aufenthaltes in Österreich sei jedenfalls davon auszugehen, dass sie in der Lage sein werde, in ihrer Heimat neue soziale Kontakte zu knüpfen bzw. vorhandene wieder aufzufrischen.
Die Beschwerdeführerin halte sich seit mehr als einem Jahr unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und könne die Legalisierung ihres Aufenthaltes grundsätzlich nicht mehr im Inland erwirken. Diese Tatsache habe der Beschwerdeführerin auf Grund einer rechtskräftigen Bestrafung wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich bewusst sein müssen. Sie habe sich offensichtlich völlig bewusst über die für sie maßgebenden fremdenrechtlichen Normen hinweggesetzt. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei daher von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände könne ein weiterer Aufenthalt ihrer Person auch unter Berücksichtigung ihrer familiären Bindungen im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens nicht in Kauf genommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass sich die Beschwerdeführerin seit Zurückweisung ihres verspätet eingebrachten Antrages auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels am unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Im Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2. Soweit die Beschwerde vorbringt, dass durch eine Abschiebung nach einer Aufenthaltsdauer von sieben Jahren "die Eu Normen, die besagen, dass ein Ausländer, der sich über 5 Jahre im Staats befindet nicht ausgewiesen werden darf", verletzt würden, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde ein Hinweis dafür ergibt, dass das Gemeinschaftsrecht auf den gegenständlichen Sachverhalt anzuwenden wäre. Einerseits ist die Beschwerdeführerin nicht Familienangehörige iSd Art. 2 lit. e der Richtlinie 2003/109/EG iVm Art. 4 der Richtlinie 2003/86/EG, andererseits wurde auch nicht vorgebracht, dass die Angehörigen der Beschwerdeführerin ihr gemeinschaftsrechtliches Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen hätten.
3. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, die Beschwerdeführerin habe familiäre Beziehungen zu ihrer Tochter und ihren Enkelkindern, die alle die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen. Sie sei unbescholten, verfüge über eine Wohnung und beziehe eine Pension von ihrem verstorbenen Ehemann.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 FPG den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet seit mehr als sechs Jahren (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 1 FPG) und ihre familiären Bindungen zu ihrer Tochter, ihren Enkelkindern und einem Neffen (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 2 FPG) berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Dass die Beschwerdeführerin mit einer oder einem ihrer Verwandten im gemeinsamen Haushalt lebe, wurde in der Beschwerde nicht vorgebracht und ist auch dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Weiters hat die belangte Behörde berücksichtigt, dass keine berufliche Integration der Beschwerdeführerin vorliegt, weil sie zu keiner Zeit über eine Beschäftigungsbewilligung verfügt hat und überdies während ihres gesamten Aufenthaltes nur ein Monat lang geringfügig beschäftigt war. Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, dass die Beschwerdeführerin nur über mangelnde Deutschkenntnisse verfüge, blieben in der Beschwerde unbestritten. Der Grad der Integration (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 4 FPG) der Beschwerdeführerin kann somit nicht als besonders ausgeprägt beurteilt werden. Die Tatsache der strafgerichtlichen Unbescholtenheit (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 6 FPG) wiegt dem gegenüber nicht besonders schwer.
Hingegen hat die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin bereits rechtskräftig wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich bestraft wurde (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 7 FPG), was die Beschwerde auch nicht bestreitet. Auch wenn das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin während ihres rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, zuerst auf Grund eines Visums, anschließend auf Grund einer Niederlassungsbewilligung als begünstigte Drittstaatsangehörige ihrer Tochter, entstanden sein sollte (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 8 FPG), stellen ihre persönlichen Bindungen in Österreich dennoch keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK dar, die es ihr unzumutbar machen würden, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels von Österreich auszureisen. Im Hinblick darauf ist die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig.
4. Soweit die Beschwerdeführerin auf ein "Unrecht, welches mir und meiner Tochter und meinen Enkelkindern angetan wird", hinweist und vorbringt, dass sie sich "verfolgt fühle so dass letztlich die Polizeistaatlichen Methoden eines als Rechtsstaat bezeichneten Staat nicht mehr daran berufen dürfte da dies praktisch alles andere als ein Rechtsstaat ist sondern eher als Polizeistaat zu bezeichnen wäre", ist dieses Vorbringen im Rahmen des verfahrensgegenständlichen Ausweisungsverfahrens nicht nachvollziehbar. Sofern damit eine der Beschwerdeführerin drohende Verfolgung in ihrem Heimatstaat gemeint sein sollte, ist sie auf ein Feststellungsverfahren nach § 51 FPG zu verweisen.
5. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels - der offenbar durch die Kopie der Einreichbestätigung des Landeshauptmannes von Wien vom belegt werden soll - nach ständiger hg. Rechtsprechung an der Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes und damit der Zulässigkeit einer Ausweisung im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG nichts ändert (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0135, mwN).
6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
7. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am
Fundstelle(n):
HAAAE-79894