VwGH vom 29.07.2010, 2008/15/0291

VwGH vom 29.07.2010, 2008/15/0291

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Senatspräsidenten Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des FW in P, vertreten durch Mag. Andreas Berchtold und Dr. Norbert Kollerics, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Raubergasse 16/I, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0235- G/08, betreffend Umsatzsteuer 2004 bis 2006 sowie Festsetzung der Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für Jänner bis April 2007,

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde betreffend Festsetzung der Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für Jänner bis April 2007 wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt;

2. zu Recht erkannt:

Im Übrigen - betreffend Umsatzsteuer 2004 bis 2006 - wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Bescheide des Finanzamtes betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2006 sowie Festsetzung der Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für Jänner bis April 2007 als unbegründet ab. In der Begründung führte sie aus, das Finanzamt habe unter Bedachtnahme auf die Feststellungen der Außenprüfung die Entgelte für die unter Anwendung von Hypnose und mentaler Suggestion durchgeführten "therapeutischen Einzelsitzungen" dem Normalsteuersatz unterworfen.

Die Berufung des Beschwerdeführers habe sich dagegen gewendet, dass die Abgabenbehörde die Umsätze aus einer psychologischen Tätigkeit nicht als solche im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 19 UStG 1994 anerkannt habe. Die Form der von ihm ausgeübten Hypnose und der mentalen Suggestion in Einzelsitzungen entspräche nach einem vorgelegten Gutachten anerkannten Elementen einer psychologischen Behandlung.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung sei das Finanzamt davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer eine Berufsbefugnis im Sinne des Psychotherapiegesetzes oder des Psychologengesetzes nicht aufweise. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als "Mental-Suggesteur" könne nicht unter die Befreiungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 19 UStG 1994 fallen.

Im Vorlageantrag habe der Beschwerdeführer wiederholt, dass die Form der von ihm ausgeübten Hypnose und der mentalen Suggestion anerkannten Elementen einer psychologischen Behandlung entspreche. Die UStR 2000 (Rz 956) umschrieben die "Umsätze als Psychologe" so, dass es sich um eine Tätigkeit im Sinne des Psychologengesetzes und um therapeutische Tätigkeiten handeln müsse, um zur gewünschten Umsatzsteuerbefreiung zu gelangen. Aus der Formulierung "im Sinne des" lasse sich ableiten, dass es sich nur faktisch um eine entsprechende Tätigkeit handeln müsse. Wer "im Sinne" einer anderen Person handle, handle entsprechend, jedoch nicht gleich.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, Österreich habe von der Möglichkeit, die ärztlichen und arztähnlichen Berufe, deren Leistungen von der Umsatzsteuer befreit seien, zu definieren, dadurch Gebrauch gemacht, dass die einzelnen steuerbefreiten Heilberufe taxativ aufgezählt worden seien. Darüber hinaus seien auch die therapeutischen Tätigkeiten von Psychologen der Befreiungsbestimmung subsumierbar.

Unbestritten sei, dass der Beschwerdeführer weder nach den Vorschriften des Psychotherapiegesetzes zur selbständigen Ausübung der Psychotherapie, noch nach den Vorschriften des Psychologengesetzes zur selbständigen Ausübung der Tätigkeit eines Psychologen berechtigt sei. Da der Beschwerdeführer mangels entsprechender berufsrechtlicher Befugnis keiner dieser Berufsgruppen zugeordnet werden könne, seien die strittigen Leistungen - Heilbehandlung in Einzelsitzungen durch Hypnose und mentale Suggestion - nicht der Befreiungsbestimmung zu subsumieren.

Der Befreiungstatbestand sei nur dann erfüllt, wenn die Behandlungsleistung von einem berufsrechtlich befugten Angehörigen der im Tatbestand taxativ aufgezählten Berufsgruppen erbracht werde. Die Prüfung der Frage, ob die vom Beschwerdeführer erbrachten Leistungen in Form der Hypnose und Suggestion überhaupt als therapeutische Tätigkeiten (Heilbehandlungen) eingestuft werden könnten, könne dahingestellt bleiben. Nach der bestehenden Rechtslage sei nicht die Tätigkeit als solche für sich allein entscheidend, sondern ob diese von einem berufsrechtlich befugten Angehörigen der in der strittigen Norm taxativ aufgezählten Berufsgruppen ausgeübt werde.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Ausweis der Verwaltungsakten das Finanzamt den mit datierten Umsatzsteuerbescheid 2007 (gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufiger Bescheid) erlassen hat, welcher nach Mitteilung des Beschwerdeführers am zugestellt wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird ein Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen durch die Erlassung eines Jahresumsatzsteuerbescheides, der den betroffenen Voranmeldungszeitraum umfasst, derart außer Kraft gesetzt, dass er ab der Erlassung des Jahresumsatzsteuerbescheides keine Rechtswirkungen mehr entfalten kann. Richtet sich eine Beschwerde gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen, dann führt die nachträgliche Erlassung des Jahresumsatzsteuerbescheides, der den Zeitraum der vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Umsatzsteuervorauszahlung umfasst, zur Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zufolge Gegenstandslosigkeit der Beschwerde (vgl. den Beschluss vom , 2000/14/0117). Insoweit war die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift über die Beschwerde nach Ablehnung deren Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof und Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 1439/08-3, erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, die Aufzählung der begünstigten Heilberufe in § 6 Abs. 1 Z. 19 UStG 1994 sei nicht taxativ, weil in dieser Aufstellung die Berufsgruppe der Psychologen fehle. Sowohl vom Bundesministerium für Finanzen als auch von den Finanzämtern werde die Rechtsauffassung vertreten, dass auch die selbständig ausgeübte Tätigkeit der Psychologen dem Befreiungstatbestand zu subsumieren wäre, sofern es sich um eine therapeutische psychologische Tätigkeit handle. Wenn man davon ausgehe, dass es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen Angehörigen der Berufsgruppe der Psychologen handle, so widerspreche dies jedenfalls nicht einer Subsumtion seiner psychologischen Heiltätigkeit unter die genannte Bestimmung. Der Beschwerdeführer führe in seiner beruflichen Tätigkeit als Mental-Suggesteur psychologische Tätigkeiten im Sinne der "herausgegebenen Richtlinien" durch. Es sei demnach unrichtig, dass die berufsrechtliche Befugnis zur Ausübung der Tätigkeit für die Anwendung der Befreiungsvorschrift entscheidend sei. Aus den - im Verwaltungsverfahren vorgelegten - Gutachten gehe unzweifelhaft hervor, dass die Form der vom Beschwerdeführer ausgeübten Hypnose bzw. mentalen Suggestion in Einzelsitzungen anerkannten Elementen einer psychologischen Behandlung entspräche und den Grundsätzen einer psychologischen Behandlung bzw. therapeutischen Interventionsform nicht zuwiderlaufe.

Art. 13 Teil A Abs. 1 der - im Beschwerdefall noch anzuwendenden - Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (kurz: RL) lautet auszugsweise:

"Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

...

c) die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden;

... "

Nach § 6 Abs. 1 Z. 19 UStG 1994 sind in diesem Zusammenhang von den unter § 1 Abs. 1 Z. 1 fallenden Umsätzen die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Dentist, Psychotherapeut, Hebamme sowie als freiberuflich Tätiger im Sinne des § 52 Abs. 4 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 102/1961 in der Fassung BGBl. Nr. 872/1992 und des § 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 460/1992, steuerfrei.

Befreite Heilberufe sind demnach Ärzte, Dentisten, Psychotherapeuten, Hebammen sowie diverse freiberuflich Tätige im Bereich medizinischer Spezialdienste. Die Aufzählung ist abschließend (vgl. Ruppe, UStG3, § 6 Tz 417/1). Der Beschwerdeführer könnte sich auf eine weitergehende Befreiung berufen, wenn sich diese aus einer (unmittelbar wirksamen) Bestimmung der RL ergäbe. Für eine Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c RL kommen nur Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin in Betracht, die im Rahmen der Ausübung der ärztlichen und arztähnlichen Berufe zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose oder Therapie erbracht werden (vgl. das , Kügler, Randnr. 40). Im Urteil vom , C 443/04, C 444/04, Solleveld, van den Houtvan Eijnsbergen, Randnr. 23, führte der Gerichtshof aus, bei wörtlicher Auslegung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c RL muss der Behandelnde, um in den Genuss der Befreiung nach dieser Bestimmung zu gelangen, zwei Voraussetzungen erfüllen, nämlich 1. "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" durchführen und 2. diese im Rahmen der "Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedsstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe" erbringen.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer nicht Angehöriger eines der in § 6 Abs. 1 Z. 19 UStG 1994 abschließend aufgezählten Heilberufe ist, wird in der Beschwerde nicht bestritten. Damit ist das Schicksal der Beschwerde entschieden.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am