VwGH vom 22.11.2011, 2006/04/0024
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Dr. Greisberger, über die Beschwerde der X GmbH in Y, vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Wien vom , Zl. VKS - 3497/05, betreffend Nachprüfung eines Vergabeverfahrens (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadt Wien - Wiener Wohnen für den 3., 4. und 11. Bezirk in Wien, vertreten durch Heid Schiefer Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 88/3+4, 2. ARGE W GmbH in F und N GmbH in W, beide vertreten durch Kosch Partner Rechtsanwälte GmbH in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 32; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 553,20, das heißt gemeinsam EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Die erstmitbeteiligte Auftraggeberin hat im Rahmen eines offenen Verfahrens im Unterschwellenbereich die Generalunternehmerleistung zur Durchführung von Dacharbeiten für die Instandsetzung einer näher genannten städtischen Wohnhausanlage ausgeschrieben. Es handelt sich um die Vergabe eines Bauauftrages, bei der Alternativangebote nicht zugelassen waren. Nach den Angebotsbedingungen sollte der Zuschlag auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erfolgen. Das Angebot der Beschwerdeführerin wurde im Zuge der Angebotsöffnung an zweiter Stelle gereiht. Mit der am selben Tag zugekommenen Zuschlagsentscheidung vom setzte die erstmitbeteiligte Auftraggeberin die Beschwerdeführerin in Kenntnis, die ausgeschriebenen Leistungen an die an erster Stelle gereihte Arbeitsgemeinschaft, die zweitmitbeteiligte Partei, erteilen zu wollen.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung und brachte im Wesentlichen vor, das für die Zuschlagserteilung in Aussicht genommene Angebot der zweitmitbeteiligten Partei entspreche nicht den Ausschreibungsbedingungen. Aus dem bei der Angebotsöffnung verlesenen Begleitschreiben der zweitmitbeteiligten Partei gehe hervor, dass diese die ausschreibungsgemäße Ausführung der Schneefanggitter abgeändert habe. Diese entsprächen nicht der Ausschreibung, seien preislich wesentlich günstiger, wodurch sich die zweitmitbeteiligte Partei einen ungerechtfertigten Kalkulationsvorteil verschafft hätte. Alternativangebote seien jedoch nicht zugelassen gewesen, weshalb das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei auszuscheiden gewesen wäre. Es werde nicht die nach der Ausschreibung geforderte Qualität angeboten, sondern eine "schlechtere und erheblich billigere". Im Zuge des Verfahrens ergänzte die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen dahingehend, dass die von der zweitmitbeteiligten Partei angebotene Ausführung der Schneefanggitter nicht zur ausgeschriebenen Dacheindeckung passen würde (wird näher ausgeführt) und daher im Widerspruch zu den Ausschreibungsbedingungen stehe. Selbst unter der Annahme, das Schneefanggitter sei ausschreibungskonform angeboten worden, zeigten Vergleiche mit den übrigen Angeboten, dass die Preisgestaltung der zweitmitbeteiligten Partei spekulativ erfolgt sei. Dies stelle gleichfalls einen Ausscheidungsgrund dar.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung - den Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung abgewiesen, den Antrag der Beschwerdeführerin, der mitbeteiligten Auftraggeberin den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren aufzuerlegen, zurückgewiesen und die Beschwerdeführerin zum Ersatz der Pauschalgebühren an die zweitmitbeteiligte Partei verpflichtet.
In der Begründung traf die belangte Behörde Feststellungen zu der von der zweitmitbeteiligten Partei angebotenen Ausführung des Schneefanggitters. In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, dass das von der Beschwerdeführerin angebotene System (für die Ausführung des Schneefanggitters) den Ausschreibungsbedingungen entspreche. Zu prüfen sei gewesen, ob das von der für die Zuschlagserteilung in Aussicht genommenen zweitmitbeteiligten Partei angebotene System diesem System gleichwertig sei und den Ausschreibungsbedingungen entspreche. Die belangte Behörde vertrat diesbezüglich mit näherer Begründung die Ansicht, das Angebot entspreche der Bestimmung des § 75 Abs. 4 BVergG 2002. Entgegen dem Standpunkt der Beschwerdeführerin liege ein Alternativangebot nicht vor, weil das angebotene System der Ausschreibung entspreche. Einziges Zuschlagskriterium sei der Billigstpreis. Nach den Ergebnissen der Angebotseröffnung liege die zweitmitbeteiligte Partei mit ihrem Angebot unstrittig an erster Stelle. Die Zuschlagsentscheidung der erstmitbeteiligten Auftraggeberin erweise sich daher als zutreffend, weshalb der Antrag auf Nichtigerklärung abzuweisen gewesen sei. Die Entscheidung über die Kostenersatzpflicht der Beschwerdeführerin gründe sich auf § 74 AVG iVm § 30 Abs. 5 WVRG.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die mitbeteiligten Parteien beantragen in ihren Gegenschriften die Zurückweisung bzw. Abweisung der Beschwerde.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4.1. § 13 Abs. 1 des im Beschwerdefall maßgeblichen Wiener Vergaberechtsschutzgesetzes (WVRG), LGBl. Nr. 25/2003, lautet (auszugsweise):
"(1) (Nichtigerklärungsverfahren) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Bundesvergabegesetz 2002 unterliegenden Vertrages behauptet, kann die Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung (§ 20 Z. 13 lit. a des Bundesvergabegesetzes 2002 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 99/2002) des Auftraggebers im Verfahren zur Vergabe von Aufträgen wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch eine behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. …"
§ 98 des Bundesvergabegesetzes 2002 - BVergG, BGBl. I Nr. 99/2002, lautet (auszugsweise):
"Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat die vergebende Stelle auf Grund des Ergebnisses der Prüfung die folgenden Angebote auszuscheiden:
…
8. den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote sowie nicht gleichwertige Alternativangebote, fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn die Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, ferner Teil- und Alternativangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden;
…"
4.2. Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, das Angebot der in Aussicht genommenen Zuschlagsempfängerin habe den Ausschreibungsbedingungen entsprochen.
Dem hält die Beschwerdeführerin nur mehr entgegen, dass es sich bei den angebotenen Leistungen der Zuschlagsempfängerin nicht um die ausgeschriebenen Dachdeckerarbeiten, sondern um Spenglerarbeiten handle, und außerdem weiche das Produkt der Zuschlagsempfängerin farblich von den Dachziegeln ab.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf:
Zunächst ist festzuhalten, dass Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen sind (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/04/0087, mwN).
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid Feststellungen zum Inhalt der ausgeschriebenen Leistung getroffen und ist in einer vor dem Hintergrund der Akten des Vergabeverfahrens nicht als unschlüssig zu wertenden Beurteilung zum Ergebnis gelangt, es liege hinsichtlich der Ausführung der Schneefanggitter ein den Ausschreibungsbedingungen entsprechendes Angebot vor (vgl. zur Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichthofes hinsichtlich der Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung z.B. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053). Zum Beschwerdevorbringen ist zu bemerken, dass in der Ausschreibung nicht darauf abgestellt wurde, ob es sich konkret um Arbeiten des Dachdeckergewerbes oder des Spenglergewerbes handelt. Auch ist nicht festgelegt, in welcher Farbe die gelieferten Produkte auszuführen sind.
Da die belangte Behörde die Ausschreibungsbedingungen in einer nicht zu beanstandenden Weise ausgelegt hat, ist die Abweisung des Nachprüfungsantrages nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 49 Abs. 6 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am