zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 10.12.2013, 2013/05/0162

VwGH vom 10.12.2013, 2013/05/0162

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde des J S in B, vertreten durch Haslinger/Nagele Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-210599/9/Bm/MG/TK, betreffend Übertretungen der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 (weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinen Spruchpunkten I. und III. 1. Satz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grießkirchen vom wurde dem Beschwerdeführer angelastet, er habe zumindest im Zeitraum vom 2. Mai bis auf der Parzelle Nr. Y, KG S, Gemeinde B.,

1. als zur Anzeige Verpflichteter eine bauliche Anlage, die gemäß § 25 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 (BO) anzeigepflichtig sei, nämlich einen Schwimmteich mit einer Tiefe bis zu 1,8 m sowie einer Wasserfläche von mehr als 200 m2, ausgeführt, obwohl anzeigepflichtige Bauten nur nach einer Bauanzeige errichtet werden dürften, sowie

2. als zur Anzeige Verpflichteter eine bauliche Anlage, die gemäß § 25 BO anzeigepflichtig sei, nämlich ein Mauerwerk für eine Kompostierstelle mit einer Höhe von 2,2 m, ausgeführt, obwohl anzeigepflichtige Bauten nur nach einer Bauanzeige errichtet werden dürften.

Unter Punkt 3. wurde dem Beschwerdeführer ein weiteres Delikt angelastet.

Der Beschwerdeführer habe zu Punkt 1. § 57 Abs. 1 Z 3 iVm § 25 Abs. 1 Z 6 BO und zu Punkt 2. § 57 Abs. 1 Z 3 iVm § 25 Abs. 1 Z 14 BO verletzt.

Gemäß § 57 Abs. 2 BO wurde über den Beschwerdeführer zu den Punkten 1. und 2. eine Geldstrafe von jeweils 900 EUR verhängt.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gegen die Punkte 1. und 2. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom abgewiesen (Spruchpunkt I.). Der Berufung gegen Punkt 3 dieses Straferkenntnisses wurde stattgegeben, das Straferkenntnis insoweit behoben und das Strafverfahren eingestellt (Spruchpunkt II.). Ferner wurde dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Punkte 1. und 2. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ein Kostenbeitrag auferlegt (Spruchpunkt III. 1. Satz).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe nicht bestritten, dass vor Beginn der Bauausführung der gegenständlichen Bauten keine Bauanzeige erfolgt sei. Zu den Punkten 1. und 2. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lägen bauanzeigepflichtige bauliche Anlagen vor (wurde näher ausgeführt). Verfolgungsverjährung sei nicht eingetreten (wurde näher ausgeführt). Eine Mangelhaftigkeit der Fassung des Spruches und der Anlastung der Tat liege nicht vor (wurde näher ausgeführt). Dem Beschwerdeführer sei dahin zu folgen, dass ein rechtskräftiger Bescheid, mit dem die Ausführung des Bauvorhabens untersagt worden sei, zum Tatzeitpunkt jedenfalls nicht vorgelegen sei. Daher sei die zweite Alternative des § 57 Abs. 1 Z 3 BO zu untersuchen, nämlich ob eine Ausführung entgegen der Vorschrift des § 25a Abs. 2 BO erfolgt sei. Gemäß dieser Bestimmung dürfe mit der Bauausführung begonnen werden, wenn innerhalb der in § 25 Abs. 1 BO genannten Fristen die Ausführung des Bauvorhabens nicht untersagt werde oder die Baubehörde dem Anzeigenden schon vorher schriftlich mitgeteilt habe, dass eine Untersagung der Bauausführung nicht beabsichtigt sei. Damit umfasse § 25a Abs. 2 BO iVm § 57 Abs. 1 Z 3 BO aber jedenfalls auch jene Konstellationen, in denen eine Anzeige rechtswidrigerweise unterlassen worden sei, und nicht bloß Sachverhalte, in denen zwar eine Bauanzeige eingebracht, in der Folge aber vor Verstreichen der achtwöchigen Frist oder trotz ausdrücklicher Untersagung mit der Bauausführung begonnen worden sei. Diese Auslegung stützten auch die Materialien zur BO-Novelle 2006, LGBl. Nr. 96 (wurde näher ausgeführt). Würde man der Auffassung des Beschwerdeführers folgen, wäre nach der gesetzlichen Systematik das Unterlassen einer Bauanzeige trotz bestehender Anzeigepflicht generell nicht strafbar, da auch nicht unter einen anderen Straftatbestand subsumierbar. Ein sanktionsloses Unterlassen der Anzeigepflicht könne dem Gesetzgeber, vor allem unter Beachtung des Ausschussberichtes, aber nicht unterstellt werden. Somit bestünden keine Bedenken hinsichtlich der Verwirklichung des zweiten alternativen Tatbestandes des § 57 Abs. 1 Z 3 BO.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst geltend gemacht, der Spruch des angefochtenen Bescheides sei im Hinblick auf § 44a VStG mangelhaft (wird näher ausgeführt). Die belangte Behörde habe verkannt, dass nach der maßgebenden Rechtslage ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht nicht mit Verwaltungsstrafe sanktioniert gewesen sei. Die Materialien könnten zur Stützung der Argumentation der belangten Behörde nicht herangezogen werden. Erst mit der BO-Novelle 2013 sei die "Lücke" hinsichtlich der Strafbarkeit der Nichterstattung einer Anzeige geschlossen worden. Im Übrigen sei das Unterlassen der Anzeige nicht sanktionslos gewesen, sondern baupolizeiliche Aufträge seien möglich gewesen, allerdings keine Verwaltungsstrafen. Ferner werden in der Beschwerde die unrichtige Anwendung des Kumulationsprinzips, Rechtswidrigkeit infolge mangelnden Absehens von der Strafe gemäß § 21 VStG und Rechtswidrigkeit von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Bis zur Novelle LGBl. Nr. 96/2006 lautete § 57 der Bauordnung für Oberösterreich 1994, LGBl. Nr. 66 (BO), auszugsweise wie folgt:

"§ 57

Strafbestimmungen

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht, wer

3. als Anzeigender oder Bauführer eine bauliche Anlage, die gemäß § 25 anzeigepflichtig ist, ohne Bauanzeige oder vor Ablauf der im § 25a Abs. 1 angegebenen Frist oder vor der Mitteilung, daß eine Untersagung der Bauausführung nicht beabsichtigt ist (§ 25a Abs. 2), oder trotz Untersagung der Bauausführung ausführt oder ausgeführt hat;

…"

Die Z 3 des § 57 Abs. 1 BO wurde mit der Novelle

LGBl. Nr. 96/2006 wie folgt gefasst:

"3. als Bauherr oder Bauherrin oder Bauführer oder Bauführerin eine bauliche Anlage, die gemäß § 25 anzeigepflichtig ist, entgegen einem rechtskräftigen Bescheid, mit dem die Ausführung des Bauvorhabens untersagt wurde, oder entgegen der Vorschrift des § 25a Abs. 2 ausführt;"

Mit der Novelle LGBl. Nr. 34/2013 wurde in § 57 Abs. 1 Z 3 BO vor dem Wort "entgegen" die Wortfolge "ohne Bauanzeige oder" eingefügt, wobei diese Novelle gemäß ihrem Artikel II Abs. 1 mit in Kraft trat.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 6 BO ist die Herstellung von Schwimmteichen, Schwimm- und sonstigen Wasserbecken mit einer Tiefe von mehr 1,50 m oder mit einer Wasserfläche von mehr 35 m2 der Baubehörde vor Beginn der Bauausführung anzuzeigen. Eine Anzeige ist gemäß § 25 Abs. 1 Z 14 BO auch erforderlich für Stützmauern und freistehende Mauern mit einer Höhe von mehr als 1,5 m über dem jeweils tiefer gelegenen Gelände sowie Stützmauern mit einer aufgesetzten Einfriedung mit einer Gesamthöhe von mehr als 2,5 m über dem jeweils tiefer gelegenen Gelände.

§ 25a BO idF LGBl. Nr. 36/2008 lautet auszugsweise:

"§ 25a

Anzeigeverfahren

(1) Die Baubehörde hat innerhalb von acht Wochen ab Einlangen der vollständigen und ordnungsgemäß belegten Bauanzeige die Ausführung des Bauvorhabens zu untersagen, wenn

1. Abweisungsgründe im Sinn des § 30 Abs. 6 Z 1 oder des § 35 Abs. 1 Z 3 vorliegen oder

2. offensichtliche Abweisungsgründe im Sinn des § 30 Abs. 6 Z 2 festgestellt werden oder

3. das angezeigte Bauvorhaben einer Bewilligung nach § 24 Abs. 1 bedarf.

Die Untersagungsfrist ist gewahrt, wenn die Baubehörde den Bescheid am letzten Tag der achtwöchigen Frist nachweisbar abfertigt, z.B. der Post zur Zustellung übergibt.

(2) Wird innerhalb der im Abs. 1 genannten Frist die Ausführung des Bauvorhabens nicht untersagt oder teilt die Baubehörde dem Anzeigenden schon vorher schriftlich mit, daß eine Untersagung der Bauausführung nicht beabsichtigt ist, darf mit der Bauausführung begonnen werden. Im Fall der Vorschreibung von Auflagen oder Bedingungen nach Abs. 1a darf mit der Bauausführung jedoch erst nach Rechtskraft des diesbezüglichen Bescheids begonnen werden.

…"

Die belangte Behörde hat sich darauf gestützt, dass der Straftatbestand des § 57 Abs. 1 Z 3 BO insofern erfüllt sei, als das Bauvorhaben "entgegen der Vorschrift des § 25a Abs. 2" BO ausgeführt worden sei.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde betrifft § 25a Abs. 2 BO aber nicht den Fall, dass überhaupt keine Bauanzeige erstattet worden ist. Voraussetzung für die Heranziehung des § 25a Abs. 2 BO ist vielmehr jedenfalls die Auslösung der Frist gemäß § 25a Abs. 1 BO, die das Einlangen einer Bauanzeige voraussetzt.

Entsprechend den im Strafrecht allgemein geltenden Grundsätzen "nullum crimen sine lege" und "nulla poena sine lege praevia " ist Voraussetzung für die Verhängung einer Strafe, dass die Tat zur Zeit ihrer Begehung ausdrücklich durch ein Gesetz für strafbar erklärt war (vgl. die bei Walter/Thienel , Verwaltungsverfahren II, 2. Auflage, S. 15 f unter E 2 ff zitierte hg. Rechtsprechung). Wie sich aus dem Wortlaut des § 57 Abs. 1 Z 3 BO in der zur Tatzeit geltenden Fassung eindeutig ergibt, wie aber auch die Novelle LGBl. Nr. 34/2013 zeigt, war zur Tatzeit die Ausführung eines bauanzeigepflichtigen Bauvorhabens ohne vorherige Erstattung einer Bauanzeige nicht unter Strafe gestellt. Auch die Gesetzesmaterialien können nicht zu einem anderen Ergebnis führen, hat doch der Gesetzgeber die Elemente eines strafbaren Tatbestandes genau zu umschreiben und darf es nicht der individuellen Vollziehung und ihrer Interpretation überlassen, eine Strafnorm ergänzend auszulegen (vgl. die bei Walter/Thienel , aaO, S 16 f unter E 10 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei es sich erübrigt, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am