VwGH vom 28.06.2011, 2010/17/0254

VwGH vom 28.06.2011, 2010/17/0254

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde 1. des H J und 2. der E J, beide in K und vertreten durch Hirtzberger Sacha Katzensteiner Rechtsanwälte GmbH in 3500 Krems, Gartenaugasse 3, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems an der Donau vom , Zl. MD-J-2/2010/Mag.H/R, betreffend Ergänzungsabgabe nach § 39 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Krems an der Donau hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer zeigten der Baubehörde am die Vereinigung der ihnen jeweils zur Hälfte gehörigen Grundstücke Nr. 69 und 37/2 einer näher angeführten Katastralgemeinde an. Diese bestätigte am , dass die angezeigte Änderung der Grundstücksgrenzen im Bauland gemäß § 10 Abs. 5 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (idF: NÖ BauO 1996) nicht untersagt werde.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Krems vom wurde den Beschwerdeführern eine Ergänzungsabgabe gemäß § 39 Abs. 1 NÖ BauO 1996 in der Höhe von EUR 7.056,05 vorgeschrieben. Die Verpflichtung zur Erbringung der Ergänzungsabgabe stütze sich ebenso wie die näher berechnete Höhe auf die bezogene Gesetzesstelle.

Mit ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde über Berufung der Beschwerdeführer den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, dass die Beschwerdeführer als Liegenschaftseigentümer zu einer Ergänzungsabgabe in der Höhe von EUR 5.827,01 verpflichtet wurden.

Die belangte Behörde ging dabei davon aus, dass die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführer am die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf der Bauparzelle Nr. 37/2 der näher angeführten Katastralgemeinde beantragt habe, welche ihr mit Bescheid vom auch erteilt worden sei. Eine Aufschließungsabgabe sei weder im damaligen Bescheid noch in einem späteren, das gegenständliche Grundstück betreffenden Bescheid je vorgeschrieben worden. Nach den mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer übereinstimmenden Feststellungen der belangten Behörde habe im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung an die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführer nur die Grundparzelle Nr. 37/2 bestanden und sei das Wohnhaus nur auf dieser Parzelle errichtet worden. Ohne das Zutun der Liegenschaftseigentümer sei (im Jahr 1952) durch das Einschreiten des Vermessungsamtes die Grundparzelle Nr. 69 geschaffen worden. Grund dafür sei das Einmessen von Gebäuden zum Zweck der Steuerbemessung gewesen. Erst durch die von den Beschwerdeführern vorgenommene Bauführung (auf der danach verbliebenen Parzelle Nr. 37/2 alt) sei eine Parzellenvereinigung (der Parzellen .69 und 37/2 alt zu 37/2 neu) nötig geworden.

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde mit näherer Begründung davon aus, dass durch die Vereinigung der bebauten Parzelle .69 mit der unbebauten Parzelle 37/2 alt zur neuen Parzelle 37/2 die Voraussetzungen für die Vorschreibung der Ergänzungsabgabe nach § 39 NÖ BauO 1996 gegeben seien. Der erstinstanzliche Bescheid sei jedoch infolge der Heranziehung eines zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes nicht in Geltung befindlichen Einheitssatzes zu berichtigen gewesen.

Die Beschwerdeführer bekämpfen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 11 und 39 NÖ BauO 1996 in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 8200-11, lauten (auszugsweise):

"§ 11

Bauplatz, Bauverbot

(1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland, das


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1.
hiezu erklärt wurde oder
2.
durch eine vor dem baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
3.
durch eine nach dem baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
4.
am bereits als Bauland gewidmet und mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach § 15 Abs. 1 Z. 1 und § 23 Abs. 3 letzter Satz, bebaut war.

(2) Auf Antrag des Eigentümers ist ein Grundstück im Bauland mit Bescheid zum Bauplatz zu erklären, wenn es …

§ 39

Ergänzungsabgabe

(1) Bei der Änderung der Grenzen von Bauplätzen (§ 10) ist für jeden der neu geformten Bauplätze eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben, wenn


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-
für die bisherigen Bauplätze bereits der Höhe nach bestimmte Aufschließungsbeiträge oder -abgaben vorgeschrieben und entrichtet wurden oder
-
sie Bauplätze nach § 11 Abs. 1 Z. 2 bis 4 sind und
das Gesamtausmaß oder die Anzahl der Bauplätze vergrößert wird.
Eine Vorschreibung hat bei der Vereinigung eines nach § 11 Abs. 1 Z. 4 bebauten Grundstücks mit unbebauten Grundstücken nicht zu erfolgen, wenn das bebaute Grundstück erst mit den an einer oder mehreren Seiten anschließenden unbebauten Grundstücken einen Bauplatz nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und des Bebauungsplans bildet.
…"
Die Beschwerdeführer rügen vor dem Verwaltungsgerichtshof unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides zunächst, im Beschwerdefall sei nur jener Zustand wieder hergestellt worden, der 1950 zum Zeitpunkt der Errichtung des Einfamilienhauses durch die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführer ohnehin bereits gegeben gewesen sei; schon deshalb sei auf den vorliegenden Sachverhalt die Bestimmung des § 39 NÖ BauO 1996 nicht anzuwenden.
Angesichts des unbestrittenen Umstandes, wonach das auf dem (späteren) Grundstück Nr. 69 errichtete Haus auf Grund der Baubewilligung aus dem Jahre 1950 errichtet wurde, bestehen gegen die Annahme der belangten Behörde, das (spätere) Grundstück Nr. 69 habe vor der "Wiedervereinigung" einen Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z. 4 NÖ BauO gebildet, keine Bedenken, zumal nicht hervorgekommen ist, dass dieses Grundstück am nach dem Flächenwidmungsplan nicht als Bauland gewidmet gewesen wäre.
Zu prüfen ist noch eine allfällige Bauplatzqualität des Grundstückes Nr. 37/2 alt. Geht man hier - zu Gunsten der von den Beschwerdeführern vertretenen These der "Wiedervereinigung" - davon aus, dass dieses Grundstück gleichfalls Bauland war, käme - sachverhaltsmäßig allein - die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Z. 2 NÖ BauO für die Beurteilung als Bauplatz in Betracht. Hier aber fehlen jegliche Hinweise darauf, dass die vor dem vorgenommene Änderung von Grundstücksgrenzen baubehördlich bewilligt wurde. Derartiges wird auch von den Beschwerdeführern nicht vorgebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher der Ansicht der belangten Behörde nicht entgegen zu treten, dass der Bauplatz (Grundstück Nr. 69) durch die Vereinigung mit dem Grundstück Nr. 37/2 alt zum neuen Grundstück Nr. 37/2 im Gesamtausmaß um das Grundstück Nr. 37/2 alt vergrößert wurde (vgl. etwa auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/17/0139).
Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch aus einem anderen vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Grunde als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet. Mit der Ausnahmebestimmung des § 39 Abs. 1 zweiter Satz NÖ BauO sollte ein Anreiz geschaffen werden, Bauplätze nach § 11 Abs. 1 Z. 4 leg. cit., deren Bebauung nicht den Anforderungen der geltenden NÖ BauO 1996 bzw. den Bebauungsplänen der Gemeinden entspricht (z.B. wegen der nunmehr einzuhaltenden Abstandsbestimmungen), mit angrenzenden unbebauten Grundstücken zu vereinigen und derart einen den genannten Bestimmungen entsprechenden Zustand herzustellen. Auch aus dem in den Materialien genannten Beispielsfall der fehlenden Brandwände an den Grundstücksgrenzen wird deutlich, dass der Ausnahmetatbestand dazu dient, eine Bebauung von Grundstücken, die nach der geltenden Rechtslage nicht in dieser Form hätte erfolgen dürfen, durch die Vereinigung dieser Grundstücke mit unbebauten Grundstücken zu "sanieren". Demzufolge hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2000/17/0052 (auf dessen Begründung auch hinsichtlich der dort näher zitierten Materialien gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann), die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung bei der Vereinigung einer Punktparzelle, die mit einem Gebäude ohne Brandschutzwände bebaut ist, mit einem unbebauten Grundstück bejaht.
Die belangte Behörde hat - offenbar unter Zugrundelegung einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht - es unterlassen, diesbezüglich nähere Feststellungen zu treffen, obwohl sich die Beschwerdeführer vor den Verwaltungsbehörden auch auf das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes - wenngleich ohne näheres Tatsachenvorbringen - berufen haben. Aus den dargelegten Erwägungen war daher der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 MRK erforderlich, da Abgabenangelegenheiten wie die vorliegende nicht zu den "civil rights" gehören.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im Pauschalbetrag enthalten ist und überdies kein Streitgenossenzuschlag gebührt (vgl. § 53 Abs. 1 erster Satz VwGG).
Wien, am