VwGH vom 04.02.2009, 2008/15/0266

VwGH vom 04.02.2009, 2008/15/0266

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des M S in B, vertreten durch Hausberger - Moritz - Schmidt, Rechtsanwälte in 6300 Wörgl, Poststraße 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , RV/0215- I/08, betreffend Zustellung von Bescheiden, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem in Kopie vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Das Finanzamt fertigte mit datierte Erledigungen betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2003 und Anspruchszinsen 2001 bis 2003 an den Beschwerdeführer aus. Die Bescheide wurden - nach einem erfolglosen Zustellversuch - am beim Postamt B hinterlegt. Nach Ablauf der Abholfrist stellte das Postamt die Schriftstücke dem Finanzamt zurück.

Ende Dezember 2007 erlangte der Beschwerdeführer durch Einsichtnahme in den Akt des Finanzamtes Kenntnis von den angeführten Erledigungen des Finanzamtes vom .

In der Folge brachte der Beschwerdeführer am beim Finanzamt einen Antrag auf "(neuerliche) Zustellung" der in Rede stehenden "Bescheide an den Antragsteller an seinen Arbeitswohnsitz" in der Schweiz ein. Zur Begründung führte er aus, er sei in Basel als Arbeitnehmer tätig. Er pendle in unregelmäßigen Abständen zwischen seiner Arbeitsstätte in der Schweiz und seinem Hauptwohnsitz in B in Österreich. Das Finanzamt habe versucht, die Erledigungen betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen vom am zuzustellen. Der Beschwerdeführer habe sich allerdings vom bis zum "ununterbrochen nicht an seinem Hauptwohnsitz in B" aufgehalten. Daher habe er von den genannten Erledigungen des Finanzamtes erst mit Einsichtnahme in den Akt des Finanzamtes Kenntnis erlangt. Die Erledigungen des Finanzamtes seien für den Beschwerdeführer belastend. Er wolle sie daher im Instanzenzug überprüfen lassen.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab. Zur Begründung führte es aus, die Bescheide seien nachweislich rechtmäßig zugestellt worden. Selbst wenn der Beschwerdeführer an der Abholung gehindert gewesen sei, stehe dies der Wirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung nicht entgegen. Dem "Antrag auf neuerliche (besser: vermeintlich rechtmäßige) Zustellung der Bescheide" könne nicht entsprochen werden.

In der Berufung gegen diesen Bescheid begehrte der Beschwerdeführer, die belangte Behörde möge "den angefochtenen Bescheid im Sinne der Antragsstattgebung abändern, in eventu aufheben und an die Finanzbehörde erster Instanz zur allfälligen Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverweisen". Zur Begründung brachte er insbesondere vor, das Finanzamt habe § 17 Abs. 3 Satz 4 ZustellG unrichtig angewendet.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und sprach aus, der bekämpfte Bescheid des Finanzamtes werde dahingehend geändert, dass er den Antrag des Beschwerdeführers zurückweise. Sie führte zur Begründung aus, auf der Grundlage der vom Beschwerdeführer eingereichten Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2001 bis 2003 habe das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide vom , vom und erlassen. Die am ausgefertigten "Bescheide" betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2003 beruhten - in verfahrensrechtlicher Hinsicht - auf ebenfalls mit datierten Wiederaufnahmen der Einkommensteuerverfahren von Amts wegen gemäß § 303 Abs. 4 BAO; diese Bescheide seien ebenfalls in jenen Sendungen enthalten gewesen, deren Zustellung strittig sei.

Nach Ansicht der belangten Behörde gewähre die BAO keinen Rechtsanspruch auf Zustellung von Bescheiden, die nach einer Außenprüfung von Amts wegen ausgefertigt würden und die Wiederaufnahme von Verfahren verfügten, mit denen die Abgaben (in Erledigung von Abgabenerklärungen) festgesetzt worden seien. Gleiches gelte für Abgabenbescheide, die nach amtswegiger Wiederaufnahme der zugrunde liegenden Verfahren ausgefertigt würden und mit denen jeweils die Einkommensteuer in berichtigter Höhe festgesetzt werde. Ebenfalls Gleiches gelte auch für Bescheide betreffend Anspruchszinsen. Solcherart könne es auf sich beruhen, ob die Bescheide des Finanzamtes betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2003 sowie betreffend Anspruchszinsen 2001 bis 2003 (jeweils mit Ausfertigungsdatum ) im Juni 2007 wirksam zugestellt worden seien. Anders als das AVG (§ 18 Abs. 3) kenne die BAO auch keine Bestimmung des Inhalts, dass Erledigungen schriftlich zu ergehen hätten, wenn dies "von der Partei verlangt wird".

Die Frage, ob die strittigen Erledigungen wirksam zugestellt und damit Bescheidqualität erlangt haben, könne in einem Verfahren nach § 216 BAO ausgetragen werden (Hinweis auf Ritz, BAO3, § 216 Tz 4).

Die Zustellung von Abgabenbescheiden in die Schweiz sei völkerrechtlich unzulässig (Hinweis auf Ritz, aaO, § 10 ZustellG, Tz 4). Geduldet sei bloß die Zustellung von Aufforderungen iSd § 10 ZustellG (Hinweis auf Ritz, aaO, § 11 ZustellG Tz 3). Dem Antrag vom , eine (Erst-)Zustellung der (nach der Außenprüfung) vom Finanzamt intendierten Abgabenbescheide in die Schweiz vorzunehmen, habe auch aus diesem Grund nicht entsprochen werden können.

Gegen diese Berufungsentscheidung wendet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer bringt vor, das Finanzamt habe eine Außenprüfung durchgeführt und als deren Ergebnis die Bescheide vom betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2003 und betreffend Anspruchszinsen erlassen. Diese Bescheide begründeten die Pflicht des Beschwerdeführers, Abgaben in einer bestimmten Höhe zu leisten. Sie müssten daher schriftlich ergehen und zu ihrer Wirksamkeit auch zugestellt werden. Zwar könne die Zustellung auch durch Hinterlegung erfolgen. Nach § 17 Abs. 3 Satz 4 ZustellG gelte die hinterlegte Sendung aber nicht als zugestellt, wenn sich ergebe, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang habe Kenntnis erlangen können. Wenn der Empfänger ununterbrochen ortsabwesend sei, könne nicht wirksam hinterlegt werden. Der Standpunkt der belangten Behörde, dass für Abgabenbescheide, die nach einer amtswegigen Wiederaufnahme der Verfahren ausgefertigt würden, eine Zustellung nicht erforderlich sei, sei verfehlt. Bei dieser Auffassung wäre dem Bescheidbetroffenen jeglicher Rechtsschutz genommen, zumal er sich gegen einen ihm nicht zugestellten Bescheid nicht wehren könne. Da der Beschwerdeführer im Zeitraum der versuchten Zustellung der Abgabenbescheide nicht an seinem Hauptwohnsitz gewesen sei, habe er sich nicht über die ihn belastenden Bescheide informieren können. Sein Antrag auf neuerliche Zustellung sei daher gerechtfertigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Sachverhaltsfeststellungen, auf Grund derer beurteilt werden kann, ob die Erledigungen des Finanzamtes vom gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG als dem Beschwerdeführer zugestellt gelten, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht getroffen.

Gesetzt den Fall, dass eine wirksame Zustellung der Erledigungen des Finanzamtes vom erfolgte, wurde mit dem Antrag des Beschwerdeführers vom die neuerliche Zustellung ihm bereits zugestellter Bescheide begehrt. Eine derartige Zustellung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Indem die belangte Behörde einen solchen Antrag mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug keine Folge gegeben hat, hat sie den Beschwerdeführer nicht in subjektiven Rechten verletzt.

Bleibt zu prüfen der Fall, dass der Hinterlegung nicht die Wirkung einer Zustellung zugekommen ist. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass die Bescheide betreffend Einkommensteuer 2001 bis 2003 vom , vom und , die auf der Grundlage der vom Beschwerdeführer eingereichten Einkommensteuererklärungen ergangen sind, im Rechtsbestand geblieben sind. Nach dem Ergehen dieser Bescheide hat das Finanzamt eine Außenprüfung durchgeführt. Das Gesetz räumt dem Beschwerdeführer keinen Anspruch darauf ein, dass das Finanzamt von Amts wegen die Einkommensteuerverfahren nach § 303 Abs. 4 BAO wieder aufnimmt und (im gegenständlichen Fall: zu Lasten des Beschwerdeführers) geänderte Einkommensteuerbescheide erlässt. Mangels Bekanntgabe iSd § 97 Abs. 1 BAO entfalteten die Erledigungen des Finanzamtes vom dem Beschwerdeführer gegenüber diesfalls keine Wirkungen.

Zum vom Beschwerdeführer vermissten Rechtschutz hat die belangte Behörde zutreffend auf § 216 BAO verwiesen. Auf das vom Beschwerdeführer angeführte hg. Erkenntnis vom , 96/16/0285, VwSlg. 7.233/F, brauchte nicht eingegangen werden, weil es zu § 216 BAO in der Stammfassung ergangen ist und durch das AbgÄG 2004, BGBl. I. Nr. 180, § 216 BAO mit geändertem Inhalt neu gefasst wurde.

Es ist sohin nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass der Antrag des Beschwerdeführers vom mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug zurückgewiesen worden ist. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am