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VwGH vom 27.09.2013, 2013/05/0133

VwGH vom 27.09.2013, 2013/05/0133

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der G K in St. Pölten, vertreten durch Dr. Peter Kaliwoda, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Freiligrathstraße 1, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt St. Pölten vom , Zl. 00/37/9d/100- 2013/Mag.Kalteis/SH, betreffend die Parteistellung in einem baupolizeilichen Verfahren und Zurückweisung von Anträgen in diesem Verfahren (weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

Der Beschwerde (samt Beilagen) und dem angefochtenen Bescheid ist Folgendes zu entnehmen:

Die Beschwerdeführerin ist Mieterin eines Teiles eines Bauernhofes in St. Pölten, der im Eigentum des Karl B. steht. Dieser brachte im April 2012 gegen die Beschwerdeführerin beim Bezirksgericht St. Pölten eine Mietzins- und Räumungsklage ein.

Mit Eingabe vom ersuchte Karl B. den Magistrat der Stadt St. Pölten als Baubehörde um Überprüfung der Pferdehaltung durch die Beschwerdeführerin auf der Bestandliegenschaft. Dazu brachte er vor, dass die Beschwerdeführerin auf seinem aufgelassenen Bauernhof seit Jahren ständig drei bis fünf Pferde halte und er zu Jahresbeginn die Pferdehaltung mit der Begründung habe kündigen wollen, dass das Düngerlager nicht mehr den gesetzlichen Auflagen entspreche. Die Nitratverordnung 2012 fordere für Pferdemist eine flüssigkeitsdichte Bodenplatte mit Ablauf in eine Senkgrube. Die Beschwerdeführerin lagere den Mist auf offenem Boden, dies jahrelang, ohne den Mist ausbringen zu lassen. Sie weigere sich vehement, mit den Pferden den aufgelassenen Bauernhof zu verlassen, obwohl er mitten im Wohnbaugebiet liege.

Aufgrund dieser Anzeige führte der Magistrat am eine baupolizeiliche Überprüfung - dem Beschwerdevorbringen zufolge nach § 33 der NÖ Bauordnung 1996 (BauO) - unter Beiziehung der Beschwerdeführerin durch. Bei dieser Überprüfung wurde u.a. festgestellt, dass die Beschwerdeführerin auf der Liegenschaft mehrere Pferde und Kleintiere halte.

Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin an den Magistrat als Baubehörde u.a. den Antrag, ihr bescheidmäßig die Parteistellung einzuräumen.

Mit Bescheid des Magistrates vom wurde gemäß § 6 BauO der Antrag der Beschwerdeführerin auf Einräumung der Parteistellung im Verwaltungsverfahren bezüglich der Überprüfung des konsensgemäßen Zustandes der Baulichkeiten und der Pferdehaltung als unbegründet abgewiesen. Ferner wurden die Beweisanträge und der Antrag auf Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens als unzulässig zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom traf die belangte Behörde den folgenden Ausspruch:

"I. Die Berufung der (Beschwerdeführerin) gegen den (erstinstanzlichen Bescheid), mit dem der Antrag auf Einräumung der Parteistellung als unbegründet abgewiesen wurde sowie die Anträge auf Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens und Beweisanträge unzulässig zurückgewiesen wurden, wird gem § 66 Abs. 4 AVG 1991 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. (…)"

In Bezug auf Spruchpunkt I. dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass es sich beim gegenständlichen Verfahren um ein Bauverfahren gemäß der BauO handle und sich die Parteistellung nach § 6 leg. cit. bestimme. Bisher habe lediglich eine baupolizeiliche Überprüfung am stattgefunden. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringe, dass sie Miteigentümerin der Wasserleitung sei und daher Parteistellung genieße, so wäre diese Behauptung nach dem ABGB zu beurteilen. Danach wäre eine solche Wasserleitung als unselbständiger Bestandteil einer Hauptsache anzusehen, der sonderrechtsunfähig sei und dem sachenrechtlichen Schicksal der Hauptsache folge. Das heiße, dass das Eigentum an der Wasserleitung an den Grundstückseigentümer falle. Darüber hinaus müsse die Frage zuerst auf dem Zivilrechtsweg geklärt werden. Die Nachbarstellung allein gewähre außerdem noch keine Parteistellung, sondern es bedürfe zusätzlich einer Beeinträchtigung in subjektiv-öffentlichen Rechten gemäß § 6 Abs. 2 BauO. Eine solche Beeinträchtigung subjektiv-öffentlicher Rechte der Beschwerdeführerin sei nicht ersichtlich und auch nicht vorgebracht worden. Da die Beschwerdeführerin weder Eigentümerin noch Nachbarin der gegenständlichen Liegenschaft sei und auch nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten gemäß § 6 Abs. 2 BauO berührt werde, sei ihr die Parteistellung nicht zuzuerkennen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn gemäß § 42 Abs. 3a VwGG dahingehend abzuändern, dass der Beschwerdeführerin die Parteistellung im Verfahren vor der Baupolizei der Stadt St. Pölten eingeräumt werde, hilfsweise den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde bringt vor, dass die belangte Behörde, obwohl es sich hier um keine reine Bausache handle, die Versagung der Parteistellung nur auf § 6 BauO gestützt habe und der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin das Recht nehme, sich in zwei anderen maßgebenden Verwaltungsbereichen, dem Veterinär- und Umweltrecht, insbesondere dem Wasserrecht, entsprechend einer Partei wehren zu können. Der von Karl B. in seiner Eingabe vom geäußerte Vorwurf bringe auch das Umweltrecht (Gefahr der Umwelt- und Grundwasserbelastung aufgrund des Pferdemistes) und die Tierhaltung ins Spiel, sodass auch das Veterinäramt und das Amt für Umweltschutz, die bereits um Stellungnahmen ersucht worden seien, maßgebend seien. Die belangte Behörde habe die Verfahrensvorschriften des Veterinär-(Tierschutz-) und Umweltrechts nicht berücksichtigt, und es komme hinsichtlich dieser Rechtsvorschriften § 8 AVG zur Anwendung, weil die Beschwerdeführerin als Pferdehalterin im Bauland-Kerngebiet unmittelbar betroffen und Partei sei. Hingewiesen werde darauf, dass sie zwar Parteistellung begehre, etwaige Auflagen jedoch nur dem Eigentümer Karl B. vorgeschrieben werden dürften. Ferner habe die Stadt St. Pölten im Jahr 1993 die streitgegenständlichen Grundstücke ohne ausreichende Grundlagenforschung "fahrlässig" von Bauland-Agrargebiet in Bauland-Kerngebiet umgewidmet, weshalb sie der Beschwerdeführerin aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes die Parteistellung hätte gewähren müssen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Gemäß § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.

Darüber, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, dass von einem Rechtsanspruch oder rechtlichen Interesse die Rede sein kann, enthält § 8 AVG keine Regelung. Es kann demnach die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren die Rechtsstellung einer Partei besitzt, anhand des AVG allein nicht gelöst werden. Die Parteistellung muss vielmehr aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet und auf dem Boden des materiellen Verwaltungsrechtes nach dem Gegenstand des betreffenden Verwaltungsverfahrens und dem Inhalt der zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschrift beurteilt werden. Die Begriffe "Rechtsanspruch" und "rechtliches Interesse" gewinnen erst durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift einen konkreten Inhalt, wonach allein die Frage der Parteistellung beantwortet werden kann (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0105, mwN).

Bei dem vom Magistrat aufgrund der Eingabe des Karl B. vom geführten Verwaltungsverfahren handelt es sich, wovon auch die Beschwerde ausgeht, um ein nach den Bestimmungen der BauO geführtes baupolizeiliches Verfahren.

Der die Parteistellung regelnde § 6 BauO idF LGBl. 8200-21

lautet:

"§ 6

Parteien, Nachbarn und Beteiligte

(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:

1. der Bauwerber und/oder der Eigentümer des Bauwerks

2. der Eigentümer des Baugrundstücks

3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das

Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und

4. die Eigentümer eines ober- oder unterirdischen

Bauwerks auf den Grundstücken nach Z. 2 und 3, z.B. Superädifikat, Baurechtsobjekt, Keller, Kanalstrang (Nachbarn).

Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauvorhaben bzw . das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.

Beteiligte sind alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden.

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den

Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich,

die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 11) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.

(3) Grenzt eine Straße an das Baugrundstück, dann hat der Straßenerhalter Parteistellung im Sinne des Abs. 1. Abweichend davon darf der Straßenerhalter nur jene Rechte geltend machen, die die Benützbarkeit der Straße und deren Verkehrssicherheit gewährleisten."

Die §§ 33 und 35 BauO haben folgenden Wortlaut:

"§ 33

Vermeidung und Behebung von

Baugebrechen

(1) Der Eigentümer eines Bauwerks hat dafür zu sorgen, daß dieses in einem der Bewilligung (§ 23) oder der Anzeige (§ 15) entsprechenden Zustand ausgeführt und erhalten wird. Er hat Baugebrechen zu beheben.

(2) Kommt der Eigentümer eines Bauwerks seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nach, hat die Baubehörde nach Überprüfung des Bauwerks, unter Gewährung einer angemessenen Frist, die Behebung des Baugebrechens zu verfügen.

Die Baubehörde darf in diesem Fall

* die Überprüfung durch Sachverständige durchführen lassen,

* die Vornahme von Untersuchungen und

* die Vorlage von Gutachten anordnen.

(3) Den Organen der Baubehörde und den beauftragten Sachverständigen ist der Zutritt zu allen Teilen der Bauwerke an Werktagen zur Tageszeit, bei Gefahr im Verzug auch an Sonn- und Feiertagen sowie während der Nachtzeit zu gestatten. Wenn nötig, ist dem Eigentümer mit Bescheid diese Verpflichtung aufzutragen."

"§ 35

Sicherungsmaßnahmen und Abbruchauftrag

(1) Die Baubehörde hat alle Sicherungsmaßnahmen, die zum Schutz von Personen und Sachen erforderlich sind, insbesonders die Räumung von Gebäuden oder deren Teilen anzuordnen.

(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen,

wenn

1. mehr als die Hälfte des voll ausgebauten umbauten

Raumes eines Gebäudes durch Baugebrechen unbenützbar geworden ist

und gesundheits-, bau- oder feuerpolizeiliche Mißstände vorliegen

oder

2. die Behebung des Baugebrechens unwirtschaftlich ist

und der Eigentümer innerhalb der ihm nach § 33 Abs. 2 gewährten Frist die Mißstände nicht behoben hat oder

3. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und

das Bauwerk unzulässig ist (§ 15 Abs. 3 und § 23 Abs. 1) oder der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung

erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

Für andere Vorhaben gilt Z. 3 sinngemäß.

(3) Wenn es zur Vermeidung von Gefahren für Menschen und Sachen oder von unzumutbaren Belästigungen notwendig ist, hat die Baubehörde die Nutzung eines Bauwerks zu einem anderen als dem bewilligten oder aus der Anzeige (§ 15) zu ersehenden Verwendungszweck mit Bescheid zu verbieten."

Die Beschwerde bringt vor, dass der Magistrat den Lokalaugenschein am gemäß § 33 Abs. 1 BauO wegen "baupolizeilicher Überprüfung der Liegenschaft bezüglich Pferdehaltung" durchgeführt habe. Als Grundlage für das baupolizeiliche Überprüfungsverfahren ist daher auch die Bestimmung des § 35 Abs. 3 BauO in Betracht zu ziehen, wonach unter den darin genannten Voraussetzungen die Nutzung eines Bauwerks verboten werden kann.

In einem baupolizeilichen Überprüfungs- und Auftragsverfahren nach diesen Gesetzesbestimmungen haben nur die in § 6 Abs. 1 BauO genannten Personen Parteistellung. Die Beschwerdeführerin behauptet in ihrer Beschwerde nicht, dass sie Eigentümerin (oder Bauwerberin) im Sinn der in § 6 Abs. 1 Z 1 bis 4 BauO angeführten Tatbestände sei. Einem Bestandnehmer - wie im vorliegenden Fall der Beschwerdeführerin -, der nicht auch Eigentümer im vorgenannten Sinn ist, kommt in einem solchen Verfahren keine Parteistellung zu (vgl. in diesem Zusammenhang etwa W. Pallitsch/Ph. Pallitsch/W. Kleewein , Niederösterreichisches Baurecht8, § 6 NÖ BauO Anm 6 und § 33 NÖ BauO E 31 sowie die zu § 35 NÖ BauO E 16 und 17 zitierte Judikatur).

Der in der Beschwerde behauptete Umstand, dass die Baubehörde das Veterinäramt und das Amt für Umweltschutz um Stellungnahmen ersucht habe und diese Abteilungen einen Bescheid erlassen könnten, ändert nichts daran, dass der angefochtene Bescheid in einem baupolizeilichen Verfahren nach der BauO erlassen wurde und daher für die Frage der Parteistellung § 6 Abs. 1 leg. cit. maßgebend ist.

Ob der mitbeteiligten Gemeinde bei der Flächenwidmungsplanänderung im Jahr 1993 ein Fehler unterlaufen sei, ist - entgegen der Beschwerdeansicht - im hier gegenständlichen Verfahren ohne Belang.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am