VwGH vom 24.02.2015, 2013/05/0121

VwGH vom 24.02.2015, 2013/05/0121

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Beschwerde der T GmbH Co KG in W, vertreten durch Lattenmayer, Luks Enzinger Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mahlerstraße 11, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 285/12, betreffend Versagung einer Abbruchbewilligung (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit Eingabe vom beantragte die beschwerdeführende Partei beim Magistrat der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat; Magistratsabteilung 37) die Erteilung einer Abbruchbewilligung für ein Gebäude (richtig: zwei Gebäude) auf der Liegenschaft H.-Straße 100-102 in Wien. Dazu brachte sie u.a. vor, das Ansuchen gründe sich auf die gültige Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen mit Bescheid vom , die positiven Stellungnahmen der Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung) vom und hinsichtlich des bewilligten Neubauprojektes sowie die Baubewilligung des Magistrates vom (gemeint: für das Neubauprojekt). Die beschwerdeführende Partei sei der Auffassung, dass die nun verhängte Bausperre zur Abänderung des Bebauungsplanes lediglich die Wirkung habe, dass keine Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen stattfinden solle, weshalb dem Liegenschaftseigentümer aus rechtlicher Sicht die Abbruchbewilligung nicht verweigert werden könne.

Mit Bescheid des Magistrates (Magistratsabteilung 64) vom war der beschwerdeführenden Partei gemäß § 9 der Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) bekanntgegeben worden, dass für die genannte Liegenschaft das Plandokument 7154 (Beschluss des Wiener Gemeinderates vom ) maßgebend sei.

Laut dem Plandokument 7998 beschloss der Wiener Gemeinderat in seiner Sitzung am , für das (von ihm näher umschriebene) Gebiet, in dem die gegenständliche Liegenschaft gelegen ist, in Anwendung des § 8 Abs. 2 BO eine zeitlich begrenzte Bausperre zu verhängen. Diesem Beschluss zufolge sollen folgende Ziele berücksichtigt werden:


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-
"Vorsorge für Flächen für den erforderlichen Wohnraum unter Beachtung der Bevölkerungsentwicklung und der Ansprüche der Bevölkerung an ein zeitgemäßes Wohnen.
-
Angemessene Vielfalt und Ausgewogenheit der Nutzungen unter Berücksichtigung der räumlichen Gegebenheiten und Zusammenhänge.
-
Vorsorge für der Erholung dienende Grünflächen und deren Erhaltung.
-
Vorsorge für zeitgemäße und auf die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Wirtschaft abgestimmte Verkehrsflächen.
-
Herbeiführung eines den zeitgemäßen Vorstellungen entsprechenden örtlichen Stadtbildes und Gewährleistung des Bestandes von Gebieten, die wegen ihrem äußeren Erscheinungsbild erhaltenswert sind."
Mit Schreiben vom teilte die Magistratsabteilung 37 der beschwerdeführenden Partei mit, dass, weil sich das Bauvorhaben in einem Gebiet, für das Bausperre bestehe, befinde, das Baubewilligungsverfahren gemäß § 70 BO durchgeführt werde.
Die beschwerdeführende Partei legte das architekturhistorische Privatgutachten der Dr. W. vom vor, in dem diese zusammenfassend zur Schlussfolgerung kam, dass der Abbruch des Bestandes aus architekturhistorischer und städtebaulicher Sicht zu bewilligen sei, weil er in "seiner Ausführung, seinem Charakter oder seinem Stil nach den benachbarten Bauwerken in derselben oder gegenüberliegenden Häuserzeile nicht angeglichen" sei.
Ferner legte die beschwerdeführende Partei die gutachterliche Stellungnahme der V. Ziviltechniker GmbH vom zur Beurteilung der wirtschaftlichen Situation der Gebäude auf der genannten Liegenschaft vor, worin von den Privatgutachtern die Auffassung vertreten wurde, dass eine Sanierung der beiden Gebäude als nicht wirtschaftlich zu beurteilen sei.
Die mit Schreiben der Magistratsabteilung 37 vom zur Stellungnahme darüber, ob der Abbruch dazu führen würde, dass die bei der Verhängung der Bausperre angestrebten Ziele der Stadtplanung für die Festsetzung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne nicht mehr erreicht werden könnten, aufgeforderte Magistratsabteilung 21 B übermittelte mit Schreiben vom ihren "Bericht und Stellungnahme" vom an den (Wiener) Gemeinderatsausschuss für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und Bürgerinnenbeteiligung, worin sie u.a. Folgendes ausführte:
Mit Beschlüssen des Gemeinderates aus den Jahren 2006 und 2007 sei über die Gebäude ab der H.-Straße 118 stadtauswärts eine Schutzzone gemäß § 7 Abs. 1 BO festgesetzt worden. Im Zuge der zuletzt erfolgten Schutzzoneninventarisierung sei eine nahezu geschlossene Reihe von erhaltenswerten Gebäuden der H.-Straße 100 bis 116 festgestellt worden, die etwa zeitgleich im späthistorischen sezessionistischen Stil in den Jahren 1909 bis 1911 errichtet worden seien. Zur Sicherung dieses Ensembles solle die bestehende Schutzzone über diesen Bereich ausgedehnt werden. Der beabsichtigte Abbruch des Objektes sei daher mit den dargelegten Zielen der Stadtplanung nicht vereinbar, und die Magistratsabteilung 21 B stelle den Antrag, der Gemeinderatsausschuss wolle gemäß § 8 Abs. 2 BO diese Stellungnahme beschließen.
Ferner übermittelte die Magistratsabteilung 21 B den Beschluss des Gemeinderatsausschusses für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung vom , mit dem der genannte Antrag der Magistratsabteilung 21 B angenommen wurde.
Die mit Schreiben der Magistratsabteilung 37 vom zur Bekanntgabe, ob an der Erhaltung der beiden bestehenden Gebäude ein öffentliches Interesse bestehe, aufgeforderte Magistratsabteilung 19 legte das Gutachten ihrer Amtssachverständigen vom vor, in dem diese zusammenfassend zum Schluss gelangte, dass dem Abbruchansuchen gemäß § 60 Abs. 1 lit. d BO nicht zugestimmt werden könne, weil an der Erhaltung des Objektes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild Interesse bestehe.
Mit Eingabe vom stellte die beschwerdeführende Partei an die Bauoberbehörde für Wien (im Folgenden: Bauoberbehörde) den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht.
Die mit Schreiben der Magistratsabteilung 37 vom zur Stellungnahme darüber, ob die Abbruchreife der beiden Wohngebäude wegen Unwirtschaftlichkeit der Instandsetzungsarbeiten vorliege, aufgeforderte Magistratsabteilung 25 legte ihre gutachterliche Stellungnahme vom vor, in der der Amtssachverständige (u.a.) die Auffassung vertrat, dass das Gebäude unter Berücksichtigung einer möglichen Förderung aus öffentlichen Mitteln, wobei unter der gegebenen Situation eine Totalsanierung die zweckmäßigste und zielführendste Variante einer Sanierung darstelle, aus technischer Sicht sanierbar sei und eine Sanierung unter den gegebenen Kriterien auch möglich sei.
Mit dem angefochtenen, im Devolutionsweg ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde wurde gemäß § 70 BO iVm § 73 Abs. 2 AVG die baubehördliche Bewilligung zum Abbruch des Gebäudes auf der Liegenschaft in Wien, H.-Straße 100-102, versagt.
Dazu führte die Bauoberbehörde nach Hinweis auf § 8 Abs. 1 und 2 sowie § 60 Abs. 1 lit. d BO aus, dass auf Grund der mit Beschluss des Wiener Gemeinderates vom gemäß § 8 Abs. 2 BO verhängten zeitlich begrenzten Bausperre für den Abbruch gemäß § 60 Abs. 1 lit. d leg. cit. das Erwirken einer Abbruchbewilligung erforderlich sei. Dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, dass dem Ansuchen um Abbruchbewilligung die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen mit Bescheid vom zugrunde liege und die Baubewilligung für den Neubau bereits mit Bescheid vom erteilt worden sei, sei entgegenzuhalten, dass das Ansuchen um Baubewilligung für die Errichtung eines Neubaus bereits vor der genannten Beschlussfassung des Wiener Gemeinderates eingebracht worden sei. Das Ansuchen um Erteilung der Abbruchbewilligung sei jedoch erst am , somit nach der Beschlussfassung des Wiener Gemeinderates, bei der Baubehörde erster Instanz eingebracht worden. Vor dem Zeitpunkt der Verhängung der Bausperre sei mangels Vorliegen einer Schutzzone im gegenständlichen Fall eine Abbruchbewilligung nach § 60 Abs. 1 lit. d BO nicht erforderlich gewesen. Gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. sei das Rechtsinstitut der Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen für Abbruchbewilligungen nicht vorgesehen, weshalb dem Bescheid über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen vom keine rechtliche Wirkung zukomme. Gemäß § 10 Abs. 2 leg. cit. gelangten daher für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Abbruches die zum Zeitpunkt der Antragstellung gültigen Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes zur Anwendung, sodass über das Ansuchen um Erteilung einer Abbruchbewilligung ein Verfahren gemäß § 60 Abs. 1 lit. d iVm § 8 Abs. 2 leg. cit. durchzuführen sei.
Zwar sei vom Wortlaut des § 8 Abs. 2 leg. cit. - im Gegensatz zu § 8 Abs. 1 leg. cit. - der Abbruch von Gebäuden nicht umfasst. Diese Bestimmung könne jedoch im Hinblick darauf, dass auch § 60 Abs. 1 lit. d leg. cit. keine Voraussetzungen für Abbrüche in Gebieten mit Bausperre formuliere, sondern diesbezügliche Bestimmungen nur für Schutzzonen vorsehe, nur so verstanden werden, dass sie auch auf Abbrüche in Gebieten mit Bausperre anzuwenden sei.
Aus der mit Beschluss des Gemeinderatsausschusses für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung in der Sitzung vom angenommenen Stellungnahme der Magistratsabteilung 21 B vom gehe hervor, dass die Bausperre u.a. gerade deshalb verhängt worden sei, um das erhaltungswürdige äußere Erscheinungsbild des "Gebäudes" zu schützen und dieses in weiterer Folge in die bereits für die angrenzenden Bereiche festgesetzte Schutzzone aufzunehmen. Der geplante Abbruch sei demnach im Hinblick auf die Erhaltungswürdigkeit des verfahrensgegenständlichen "Gebäudes" und die vorgesehene Schutzzonenfestsetzung mit den dargestellten Zielen der Stadtplanung nicht vereinbar. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Stellungnahme des Gemeinderatsausschusses seien von der beschwerdeführenden Partei auch nicht konkret in Abrede gestellt worden.
Es ergebe sich somit schlüssig und nachvollziehbar, dass durch die Bewilligung des gegenständlichen Abbruches die bei der Verhängung der zeitlich begrenzten Bausperre angestrebten Zielsetzungen nicht mehr erreicht werden könnten. Der Bewilligung des Ansuchens stehe somit § 8 Abs. 2 Z 2 BO entgegen, weshalb die beantragte Abbruchbewilligung zu versagen sei.
Das von der beschwerdeführenden Partei vorgelegte Gutachten über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Abbruchbewilligung in der Schutzzone könne am Umstand, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abbruchbewilligung nach § 8 Abs. 2 Z 2 BO nicht erfüllt seien, nichts ändern. Die Frage, ob der Abbruch in der Schutzzone gemäß § 60 Abs. 1 lit. d leg. cit. zulässig sei, werde allenfalls in einem gesonderten Verfahren nach Aufhebung der Bausperre zu prüfen sein.
Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 125/2013-4, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzte die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom ihr Vorbringen und stellte den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Bauoberbehörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Mit ihrer Äußerung vom erstattete die beschwerdeführende Partei ein ergänzendes Vorbringen.
II.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind gemäß § 8 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbK-ÜG, BGBl. I Nr. 33/2013, idF BGBl. I Nr. 122/2013 die Bestimmungen des B-VG und des VwGG jeweils in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.
Für die Beurteilung des Beschwerdefalles sind die Bestimmungen der BO, LGBl. Nr. 11/1930, idF des LGBl. Nr. 46/2010 maßgebend.
Die §§ 7, 8, 9, 10, 60 und 62a BO lauten (auszugsweise):
"
Schutzzonen

§ 7. (1) In den Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen können die wegen ihres örtlichen Stadtbildes in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdigen Gebiete als in sich geschlossenes Ganzes (Schutzzonen) ausgewiesen werden.

(1a) Bei der Festsetzung von Schutzzonen sind die prägende Bau- und Raumstruktur und die Bausubstanz sowie auch andere besondere gestaltende und prägende Elemente, wie die natürlichen Gegebenheiten oder Gärten und Gartenanlagen, zu berücksichtigen.

..."

" Bausperre

§ 8. (1) Für das von Bebauungsplänen nicht erfasste Stadtgebiet besteht bis zur Festsetzung dieser Pläne Bausperre. Dennoch sind von der Baubehörde Baubewilligungen gemäß § 70 zu erteilen, wobei Neu-, Zu- und Umbauten, die Errichtung sonstiger Bauwerke, Abbrüche oder Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes von Bauwerken, Veränderungen der Höhenlage von Grundflächen sowie Grundabteilungen nur unter folgenden besonderen Voraussetzungen zu bewilligen sind:

1. Das Vorhaben muss mit den gesetzlichen Zielen der Stadtplanung für die Festsetzung der Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne unter Berücksichtigung des Baubestandes im betroffenen Stadtgebiet vereinbar sein und darf das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigen. Vor der Entscheidung ist eine Stellungnahme des für die Stadtplanung zuständigen Gemeinderatsausschusses einzuholen. Sofern ein Flächenwidmungsplan besteht, hat das Vorhaben diesem zu entsprechen.

2. Bei Gebäuden müssen eine ausreichende Verbindung mit dem bestehenden Straßennetz durch eine Dienstbarkeit, die Versorgung mit gesundheitlich einwandfreiem Trinkwasser und die Beseitigung der Abwässer sichergestellt sein.

3. Durch das Vorhaben dürfen öffentliche Interessen sowie in diesem Gesetz begründete Interessen der Nachbarn nicht verletzt werden. Interessen der Nachbarn gelten als nicht verletzt, wenn diese dem Vorhaben ausdrücklich zustimmen oder nicht spätestens bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen, die sich ihrer Art nach auf § 134a Abs. 1 stützen, erheben. Für die Stellung als Nachbar gilt § 134 Abs. 3 sinngemäß. Sobald ein Bebauungsplan in Kraft tritt, hat bei Bewilligungen gemäß § 70 jeder Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaft bzw. des Bauwerkes die damit übereinstimmende Grundbuchsordnung herzustellen und die Anliegerleistungen zu erbringen, soweit dies nach der Lage des Bauwerkes möglich ist.

(1a) Für Bauführungen, die nicht gemäß Abs. 1 nach § 70 bewilligt werden dürfen, können Baubewilligungen nur nach § 71 erteilt werden. Ein Widerruf hat, unbeschadet des Widerrufsrechtes aus anderen Gründen, nur dann zu erfolgen, wenn die Durchführung des Bebauungsplanes die Entfernung des Bauwerkes notwendig macht.

(2) Der Gemeinderat kann über Stadtgebiete, für die der Bebauungsplan abgeändert werden soll, eine zeitlich begrenzte Bausperre mit der Wirkung verhängen, dass keine Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen stattfindet. Grundabteilungen oder Neu-, Zu- oder Umbauten sind nur unter folgenden besonderen Voraussetzungen zu bewilligen:


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1.
Der bestehende Bebauungsplan muss eingehalten werden.
2.
Das Vorhaben darf nicht dazu führen, dass die bei der Verhängung der zeitlich begrenzten Bausperre angestrebten Ziele der Stadtplanung für die Festsetzung der Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne (§ 1) nicht mehr erreicht werden können. Vor der Entscheidung ist eine Stellungnahme des für die Stadtplanung zuständigen Gemeinderatsausschusses einzuholen.
...

(5) Die zeitlich begrenzte Bausperre wird mit dem Tag der Kundmachung rechtswirksam und tritt, sofern sie nicht früher aufgehoben wird, nach drei Jahren außer Kraft. Eine Verlängerung der Bausperre bis zu weiteren drei Jahren sowie die neuerliche Verhängung einer Bausperre über dieselben Liegenschaften innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf ist nur zur Festsetzung einer bedeutenden Verkehrsader zulässig.

(6) Eine Bausperre im Sinne des Abs. 2 tritt ferner mit der Kundmachung der öffentlichen Auflage eines Entwurfes für die Festsetzung oder für Abänderungen des Flächenwidmungs- oder des Bebauungsplanes in Kraft. Sie tritt spätestens sieben Monate nach diesem Zeitpunkt wieder außer Kraft."

" Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen

§ 9. (1) Bei der Behörde kann für eine bestimmte Liegenschaft vom Eigentümer (jedem Miteigentümer) oder von Personen, denen ein Baurecht zusteht, eine Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen beantragt werden.

(2) Die Bekanntgabe hat zu umfassen:

a) die Beschlussdaten des für die Liegenschaft im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes;

b) die Angabe, ob für die Liegenschaft eine Abteilungsbewilligung erforderlich ist und ob Grundflächen ins öffentliche Gut abzutreten oder zu einem Bauplatz, Baulos oder Kleingarten einzubeziehen sind;

c) eine planliche Darstellung sämtlicher die Grundstücke und deren unmittelbare Umgebung berührender Angaben des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes.

(3) Die Bekanntgabe gilt für die Dauer von 18 Monaten ab Ausstellungsdatum. Wird innerhalb dieses Zeitraumes vom selben Eigentümer (Miteigentümer) oder der selben Person, der ein Baurecht zusteht, für dieselbe Liegenschaft erneut eine Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen beantragt und hat sich der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan nicht geändert, ist ein Duplikat auszustellen.

..."

" Rechtliche Wirkungen der Bebauungsbestimmungen

§ 10. (1) Wird einem Ansuchen betreffend

a) Neu-, Zu- oder Umbauten oder Herstellung einer fundierten Einfriedung im Bereich einer Baulinie, Straßenfluchtlinie, Verkehrsfluchtlinie oder Grenzfluchtlinie;


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b)
bewilligungspflichtige Grundabteilungen;
c)
Umlegungen
eine gemäß § 9 erteilte rechtswirksame Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen angeschlossen, ist diese für das Vorhaben maßgebend, sofern dieses Gesetz keine Ausnahmen vorsieht.

(2) In allen übrigen Fällen sind die im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Bestimmungen des Bebauungsplanes einzuhalten, sofern dieses Gesetz keine Ausnahmen vorsieht."

" Ansuchen um Baubewilligung

§ 60. (1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

...

d) Der Abbruch von Bauwerken in Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre. In Schutzzonen darf die Abbruchbewilligung nur erteilt werden, wenn an der Erhaltung des Bauwerkes infolge seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild kein öffentliches Interesse besteht und es seiner Ausführung, seinem Charakter oder seinem Stil nach den benachbarten Bauwerken in derselben oder gegenüberliegenden Häuserzeile nicht angeglichen ist oder sein Bauzustand derart schlecht ist, dass die Instandsetzung seiner Wirkung auf das örtliche Stadtbild nach nicht gerechtfertigt erscheint oder das Bauwerk nach der Instandsetzung technisch als ein anderes angesehen werden muss.

..."

" Bewilligungsfreie Bauvorhaben

§ 62 a (1) Bei folgenden Bauführungen ist weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich:

...

2. der Abbruch von Bauwerken außerhalb von Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre;

..."

Die Beschwerde bringt vor, dass § 8 Abs. 2 BO für den beantragten Abbruch ohne rechtliche Relevanz sei. Für den Neubau liege bereits eine rechtskräftige Baubewilligung vor, und diese inkludiere den Abbruch eines allfälligen Altbestandes. Die Bestimmung des § 60 Abs. 1 lit. d leg. cit. erkläre zwar den Abbruch in einem Bausperrgebiet für bewilligungspflichtig. Sie lege allerdings nur für Baulichkeiten in Schutzzonen nähere Voraussetzungen für die Bewilligungsmöglichkeit fest. Das Fehlen von Voraussetzungen für den Abbruch (in Bausperrgebieten) sei vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen, und die genannte Bestimmung sei als reine Ordnungsvorschrift anzusehen. Ziehe man die beiden Gutachten der Dr. W. und der V. Ziviltechniker GmbH sowie weiters den Umstand, dass die Abteilung für Stadtarchitektur (offenbar gemeint: Magistratsabteilung 19) keinen Einwand erhoben habe, heran, so stünden dem Gemeinderatsbeschluss und der darauf fußenden Verweigerung des Abbruches schwere Verfahrensmängel entgegen. Das Gutachten der V. Ziviltechniker GmbH habe eine detaillierte Prognose über das Vorliegen der Abbruchvoraussetzungen geliefert, der die Bauoberbehörde in keiner Weise entgegengetreten sei.

Die renommierte Sachverständige Dr. W. habe in ihrem Gutachten detailliert Zeitpunkt, Wertigkeit und Veränderungen des Hauses beurteilt, ohne dass dem die Bauoberbehörde entgegengetreten wäre. Die Verordnung des Gemeinderates zur Bausperre (Plandokument 7998) ersetze kein Ermittlungsverfahren und sei kein Verwaltungsakt, der in einem Verfahren mit Parteiengehör ergangen sei. Der angefochtene Bescheid verletze daher die Parteienrechte. Des Weiteren wären die Fragen der zeitgemäßen Vorstellung des örtlichen Stadtbildes und der Erhaltungswürdigkeit des Objektes zu behandeln gewesen, seien doch im Gutachten der V. Ziviltechniker GmbH die mangelnde Deckung der Sanierungskosten durch Mietzinseingänge und damit schlüssig die wirtschaftliche Abbruchreife sowie im Gutachten der Dr. W. die mangelnde architektonische Qualität dargetan worden. Ferner sei der beschwerdeführenden Partei das Gutachten der Magistratsabteilung 19 vom und das Gutachten der Magistratsabteilung 25 vom nicht vorgehalten und ihr dazu keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Dadurch sei sie in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden.

Zu diesem Vorbringen ist Folgendes auszuführen:

Die vom beabsichtigten Gebäudeabbruch betroffene Liegenschaft war im Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Ansuchens um Erteilung einer Baubewilligung (im Mai 2011) von den Bestimmungen eines Bebauungsplanes (Plandokument 7154) umfasst. Ferner war mit Bescheid des Wiener Gemeinderates vom für dieses Gebiet eine Bausperre gemäß § 8 Abs. 2 BO verhängt worden.

Die von der beschwerdeführenden Partei vertretene Auffassung, dass die mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom für die Errichtung eines Neubaus erteilte Baubewilligung den Abbruch eines allfälligen Altbestandes inkludiere, weil die in § 8 Abs. 2 BO normierten Voraussetzungen für einen Abbruch ohne Relevanz seien, findet im Gesetz keine Deckung, ordnet doch § 60 Abs. 1 lit. d leg. cit. an, dass der Abbruch von Bauwerken in Gebieten mit Bausperre - ebenso wie von Bauwerken in Schutzzonen - einer vorangehenden Baubewilligung bedarf. Auch § 62a Abs. 1 Z 2 BO nimmt den Abbruch von Bauwerken (innerhalb von Schutzzonen und) in Gebieten mit Bausperre vom Katalog der bewilligungsfreien Bauvorhaben aus.

Schon aus diesen Regelungen erhellt die Absicht des Gesetzgebers, dass er die in § 8 Abs. 2 BO genannten besonderen Voraussetzungen auch für Abbrüche von Bauwerken in einem bereits von einem Bebauungsplan erfassten Stadtgebiet, für das eine Bausperre nach dieser Gesetzesbestimmung verhängt wurde, angewendet haben wollte. Darüber hinaus ist kein sachlich gerechtfertigter Grund erkennbar, im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 leg. cit. Abbrüche von Bauwerken anders als Neu-, Zu- oder Umbauten zu behandeln, zumal gerade ein Abbruch von Bauwerken dazu führen kann, dass angestrebte Ziele der Stadtplanung für die Festsetzung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne nicht mehr erreicht werden könnten. Damit stellt der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 8 Abs. 2 BO den Abbruch von Bauwerken nicht ausdrücklich genannt hat, eine echte (planwidrige) Gesetzeslücke dar, welche im Wege der Analogie dadurch zu schließen ist, dass auch der Abbruch von Bauwerken in einem von § 8 Abs. 2 leg. cit. erfassten Stadtgebiet nur unter den in dieser Gesetzesbestimmung normierten besonderen Voraussetzungen zu bewilligen ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch die in Moritz , BauO Wien4, Anm. zu § 60 Abs. 1 lit. d, 158, dargelegte Literaturmeinung).

Gemäß § 8 Abs. 2 Z 2 BO darf das Vorhaben nicht dazu führen, dass die bei der Verhängung der zeitlich begrenzten Bausperre angestrebten Ziele der Stadtplanung für die Festsetzung der Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne nicht mehr erreicht werden können, wobei vor der Entscheidung eine Stellungnahme des für die Stadtplanung zuständigen Gemeinderatsausschusses einzuholen ist.

Bei der in § 8 Abs. 2 leg. cit. genannten Stellungnahme des für die Stadtplanung zuständigen Gemeinderatsausschusses handelt es sich um ein Beweismittel, das von der Baubehörde im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG einer sorgfältigen Würdigung zu unterziehen ist, zu dem von ihr gemäß § 45 Abs. 3 AVG Parteiengehör einzuräumen ist und das durch ein (anderes) Beweismittel entkräftet werden kann.

Die Bauoberbehörde hat sich im angefochtenen Bescheid auf die mit Beschluss des Gemeinderatsausschusses für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung vom angenommene und damit gebilligte Stellungnahme der Magistratsabteilung 21 B vom gestützt, der zufolge der geplante Abbruch im Hinblick auf die Erhaltungswürdigkeit des verfahrensgegenständlichen Gebäudes und die vorgesehene Schutzzonenfestsetzung mit den dargestellten Zielen der Stadtplanung nicht vereinbar sei. Den von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Privatgutachten, insbesondere auch dem architekturhistorischen Gutachten der Dr. W., hat die Bauoberbehörde hingegen ohne nähere Begründung in Anbetracht der genannten Stellungnahme der Magistratsabteilung 21 B und des genannten Beschlusses des Gemeinderatsausschusses keine rechtserhebliche Bedeutung zugemessen. In diesem Zusammenhang führte die Bauoberbehörde aus, dass die Frage, ob der Abbruch in der Schutzzone gemäß § 60 Abs. 1 lit. d BO zulässig sein werde, allenfalls in einem gesonderten Verfahren nach Aufhebung der Bausperre zu prüfen sein werde.

Diese Ausführungen lassen erkennen, dass die Bauoberbehörde offensichtlich für die Dauer des Bestandes der verhängten Bausperre allein die in § 8 Abs. 2 BO vorgesehene Stellungnahme des für die Stadtplanung zuständigen Gemeinderatsausschusses für maßgeblich und diese Stellungnahme als durch ein (anderes) Beweismittel unwiderlegbar gehalten hat. Damit verkannte die Bauoberbehörde jedoch das Gesetz, handelte es sich doch bei dieser Stellungnahme lediglich um ein Beweismittel, das gegebenenfalls durch einen anderen Beweis entkräftet werden kann.

Der angefochtene Bescheid war daher bereits deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am