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VwGH vom 29.11.2010, 2010/17/0198

VwGH vom 29.11.2010, 2010/17/0198

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des Dr. M H in W, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (Außenstelle Linz) vom , Zl. RV/1005- L/10, betreffend Rückzahlung von Kinderbetreuungsgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer zur Rückzahlung ausbezahlter Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2004 in der Höhe von EUR 2.217,96 verhalten. Begründend führte die Behörde - abgesehen von Angaben über die Berechnung des Rückzahlungsbetrages - (nur) aus, dass für ein namentlich genanntes Kind des Beschwerdeführers Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt worden seien. Der Beschwerdeführer sei auf Grund näher genannter gesetzlicher Bestimmungen alleine zur Rückzahlung des Zuschusses verpflichtet. Im Jahr 2004 seien die für die Rückzahlung des Zuschusses maßgeblichen Einkommensgrenzen überschritten worden.

Der Beschwerdeführer brachte dagegen in seiner Berufung im Wesentlichen vor, mit Ende des Jahres 2009 sei die Verjährung der Rückzahlung des Zuschusses von Kinderbetreuungsgeld für das Jahr 2004 eingetreten. Er sehe auch keinen Umstand, der den Lauf der Verjährung unterbrochen hätte, weil während der Verjährungsfrist keine zur Geltendmachung des Abgabenanspruches nach Außen erkennbare Amtshandlung gesetzt worden sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/16/0022). Über eine mögliche Rückzahlung für das Jahr 2004 habe er von den Abgabenbehörde "noch nie etwas gehört".

Mit ihrem Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Für die Frage der Verjährung - so die entscheidungswesentliche Begründung zusammengefasst - sei von entscheidender Bedeutung, ob vom Finanzamt eine Verlängerungshandlung gesetzt worden sei. Das Finanzamt habe laut der vorliegenden Übernahmsbestätigung am ein Ersuchen um Erklärung des Einkommens (für das Jahr 2004) zugestellt. Dies sei eine Verlängerungshandlung im Sinne des § 209 BAO. Eine Verjährung der Abgabenschuld sei daher mit Ablauf des Jahres 2009 nicht eingetreten. Da die Einkommensgrenzen unbestritten überschritten worden seien, sei die Abgabenfestsetzung zu Recht erfolgt.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor dem Verwaltungsgerichtshof vor, er habe erst durch den bekämpften Bescheid vom von einer Übernahmebestätigung vom sowie einer damit möglicherweise korrespondierenden Aushändigung eines Schriftstückes an seine Schwiegermutter erfahren. Hätte er von der Übernahmebestätigung Kenntnis gehabt, hätte er darlegen können, warum seine Schwiegermutter keine Ersatzempfängerin sein könne, weil sie nämlich nicht an der Abgabestelle, sondern in einer komplett abgegrenzten anderen Wohneinheit wohne. Es wäre hervorgekommen, dass sich das Zustellorgan am darüber hinweggesetzt habe.

In der Folge führt der Beschwerdeführer noch näher aus, warum seine Schwiegermutter nicht als Mitbewohnerin im Sinne des Zustellgesetzes angesehen werden könne.

Der im Akt erliegende Zustellschein weist eine unleserliche Unterschrift auf; ein (vorgesehener) Hinweis auf die Zustellung an einen etwaigen Mitbewohner ist nicht ersichtlich.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits dargelegt hat (vgl. nur das Erkenntnis vom , Zl. 2009/17/0277), ist der Anspruch auf Rückzahlung von Zuschüssen zum Kinderbetreuungsgeld eine Abgabe im Sinne des § 1 BAO; die Bestimmungen über die Verjährung nach der BAO finden Anwendung.

Nach § 207 Abs. 2 erster Satz der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre (Hinweise auf einen Sachverhalt, der eine längere Verjährungsfrist mit sich brächte, wie etwa die Hinterziehung der Abgabe, lassen sich dem Akt nicht entnehmen). Nach § 209 Abs. 1 erster Satz leg. cit. verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist nach Außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommen werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. nur das vom Beschwerdeführer angeführte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/16/0022, mwN) unterbrechen schriftliche Erledigungen die Verjährung nur dann, wenn sie diesem zugestellt wurden. Dieser Grundsatz, wonach schriftliche Erledigungen nur dann die Verjährungsfrist verlängern können, wenn sie (wirksam) zugestellt wurden, gilt auch für Aufforderungen zur Einreichung von Abgabenerklärungen (vgl. etwa Ritz , Bundesabgabenordnung3, RZ 20 zu § 209) bzw. für schriftliche Anfragen (vgl. Ritz , aaO, RZ 24 zu § 209).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. nur das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0089, mwN) wird der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, durch den eine öffentliche Urkunde bildenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es läge ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen.

Im hier zu beurteilenden Beschwerdefall hat nach dem Akteninhalt der Beschwerdeführer erstmals durch den angefochtenen Bescheid davon Kenntnis erhalten, dass sich die Abgabenbehörden auf eine die Verjährung unterbrechende Handlung und zwar auf die Zustellung des Ersuchens um Erklärung des Einkommens vom stützen. Der Beschwerdeführer war daher durch das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot nicht gehindert, ein Sachverhaltsvorbringen zu diesem Begründungselement zu erstatten, dem auch nicht von vornherein Relevanz abgesprochen werden kann.

Die Abgabenbehörden haben es vor Ergehen des angefochtenen Bescheides unterlassen, den Beschwerdeführer davon in Kenntnis zu setzen, auf welchen Umstand sie die rechtliche Beurteilung stützen, dass Verjährung nicht eingetreten sei und ihm hiezu Parteiengehör zu gewähren. Sie haben dadurch Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am