VwGH vom 24.06.2010, 2008/15/0221

VwGH vom 24.06.2010, 2008/15/0221

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Senatspräsidenten Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der E B in A, vertreten durch Dr. K. H. Plankel, Dr. H. Mayrhofer, Dr. M. Schipflinger und Mag. S. Ganahl, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Am Rathauspark, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0285-F/06, betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen (Ersatz )Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Finanzamtes vom , mit welchem das Ersuchen um Gewährung einer Nachsicht vom abgewiesen wurde, neuerlich als unbegründet ab. Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist auf das hg. Erkenntnis vom , 2004/15/0150 (Vorerkenntnis), zu verweisen, mit welchem der im ersten Rechtsgang ergangene Berufungsbescheid der belangten Behörde vom wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde. Aus diesem Erkenntnis ist hervorzuheben, die Beschwerdeführerin sei mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des Finanzamtes vom zur Rückzahlung von EUR 32.571,96 an zuviel bezogener Familienbeihilfe verpflichtet worden. Mit dem am eingelangten Antrag vom habe sie um die gänzliche oder zumindest teilweise Nachsicht der rückgeforderten Familienbeihilfe ersucht. Das Finanzamt habe mit Bescheid vom das Nachsichtsersuchen abgewiesen, weil lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliege und kein bei Anwendung des Gesetzes vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis. Auch die belangte Behörde habe die Auffassung vertreten, es läge weder eine persönliche noch eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vor. Die Beschwerdeführerin habe nicht dargetan, dass die von ihr behauptete nahezu existenzielle Gefährdung gerade durch die Rückforderung der unrechtmäßigen Beihilfenbezüge bewirkt worden sei.

Mit dem Vorerkenntnis wurde die Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil Feststellungen fehlten, die die von der belangten Behörde ausgesprochene Beurteilung rechtfertigen könnten.

Im nunmehr angefochtenen (Ersatz )Bescheid führte die belangte Behörde aus, die Überweisung des überhöhten Beihilfenbetrages habe zu keiner Reduzierung oder vorläufigen, zeitlich befristeten Aussetzung der monatlichen Kreditraten oder zu einer Verkürzung der Laufzeit der Kredite der Beschwerdeführerin geführt. Der betreffende Betrag sei auf ein Girokonto überwiesen worden, von dem die Ratenzahlungen und die laufenden Kreditverbindlichkeiten getätigt worden seien. Der Saldo dieses Kontos sei derart negativ gewesen, dass auch durch den beträchtlichen Zahlungseingang kein positiver Saldo habe erreicht werden können. Die massive Überziehung dieses Kontos, für welches Überziehungszinsen von 10 % zu zahlen gewesen seien, spreche dafür, dass die Beschwerdeführerin bereits zum Zeitpunkt der Überweisung der überhöhten Familienbeihilfe dermaßen überschuldet gewesen sei, dass sie ihre Kreditverbindlichkeiten nicht mehr aus ihren Einkünften habe bestreiten können. In den Jahren 1998, 1999 habe sich die wirtschaftliche Situation der Beschwerdeführerin verschlechtert. Im Jahre 2000 habe sie ihren Gaststättenbetrieb aufgeben müssen. In diesem Jahr habe sie ein jährliches Nettoeinkommen inklusive Unterhaltszahlungen und Beihilfen in Höhe von EUR 24.746,02 erzielt. Nach Abzug der der Beschwerdeführerin für die Bankkredite vorgeschriebenen Zinsen sei ihr ein Betrag in Höhe von monatlich EUR 1.408,77 für Kapitaltilgungen, sonstige Belastungen und Lebenshaltungskosten zur Verfügung gestanden.

Im Jahr 2001 seien der Beschwerdeführerin einschließlich der Alimentationszahlungen und sämtlicher Beihilfen finanzielle Mittel in Höhe von EUR 27.041,77 zur Bestreitung ihrer Lebenshaltungskosten und zur Tilgung ihrer Kreditverbindlichkeiten zur Verfügung gestanden.

Im Jahr 2002 habe das Nettoeinkommen der Beschwerdeführerin inklusive Alimentationszahlungen und Beihilfen EUR 34.823,19 betragen. In diesem Jahr habe eine Forderungspfändung bzw. eine Gegenverrechnung mit der laufenden Familienbeihilfe in Höhe von EUR 5.018,86 stattgefunden. Die Zinsvorschreibungen seien um EUR 4.377,50 geringer gewesen als im Jahr 2001, sodass der Beschwerdeführerin selbst bei Berücksichtigung der Zinszahlungen und der behördlichen Zwangsmaßnahmen ein Betrag in Höhe von monatlich EUR 1.796,01 zur Tragung sämtlicher weiteren Kosten verblieben sei.

Im Jahr 2003 sei von Jänner bis Oktober durch behördliche Zwangsmaßnahmen ein Betrag in Höhe von EUR 28.541,67 eingebracht worden. Das Nettoeinkommen in diesem Jahr samt Beihilfen und Alimenten habe EUR 41.141,45 betragen. Dieser Betrag sei durch die für die Bankkredite vorgeschriebenen Zinsen in Höhe von EUR 12.906,70 und durch die gepfändeten bzw. gegenverrechneten Beträge zur Gänze aufgebraucht worden. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie wäre auf die Hilfe ihrer Eltern und Verwandten angewiesen gewesen, sei daher für das Jahr 2003 zutreffend. Behördliche Zwangsmaßnahmen in diesem Ausmaß hätten keinesfalls durchgeführt werden dürfen. Vielmehr hätte sich die Pfändung auf einen Betrag beschränken müssen, der der Beschwerdeführerin das Existenzminimum gesichert hätte. Die belangte Behörde vertrete die Ansicht, dass der Beschwerdeführerin Ratenzahlungen zumutbar gewesen seien. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin hätten sich mit Aufgabe des Gaststättenbetriebes im Jahr 2000 zunehmend verbessert. Im Jahr 2004 habe bereits ein Nettoeinkommen in Höhe von EUR 47.883,44 inklusive Beihilfen und Alimenten erzielt werden können. Der für die Bankkredite vorgeschriebene Zinsenbetrag habe sich auf EUR 8.352,27 verringert. Der Beschwerdeführerin sei es möglich gewesen, ihre Bankverbindlichkeiten bis zum im Vergleich zu den Jahren 2000 bzw. 2001 um 28,38 % zu reduzieren.

Die belangte Behörde sehe die insbesondere durch den defizitären Gasthausbetrieb bedingten finanziellen Schwierigkeiten der Beschwerdeführerin nicht als dauerhaft, sondern bloß als vorübergehend an. Diesen könne durch Zahlungserleichterungen abgeholfen werden. Das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit der Einhebung der überhöhten Familienbeihilfe sei zu verneinen. Der Berufung sei daher bereits aus Rechtsgründen keine Folge zu geben gewesen.

Abschließend sei jedoch darauf zu verweisen, dass der Abgabengläubiger im Rahmen eines am abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleiches Abgabenschuldigkeiten in Höhe von EUR 42.000,-- abgeschrieben habe. Auch sei die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit ihren Erklärungspflichten nicht immer nachgekommen, z.B. Nichtabgabe der Steuererklärungen für das Jahr 2000 und Nichteinreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen für Jänner bis März 2004. Sie habe damit Anlass zu Schätzungen gegeben. Selbst wenn daher die Einhebung des überhöhten Betrages als unbillig angesehen worden wäre, stünde der Verstoß gegen die Anzeige- und Offenlegungspflicht als auch die bereits erwähnte Abschreibung von Abgaben einer positiven Ermessensentscheidung entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht geltend, im konkreten Fall liege jedenfalls eine persönliche Unbilligkeit vor. Es bleibe daher für ein Ermessen der Behörden bei ihrer Entscheidung darüber, ob die begehrte Nachsicht zu gewähren sei, kein Raum. Es sei unstrittig, dass sie 2003 auf finanzielle Unterstützung ihrer Eltern und Verwandten angewiesen gewesen sei, weil ihr Nettoeinkommen durch die Bedienung der bestehenden Bankkredite und die gepfändeten bzw. gegenverrechneten Beträge zur Gänze aufgebraucht worden sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind für die Entscheidung bei Nachsichtsersuchen die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend (vgl. Ritz, BAO3, § 236 Tz 10, mit Hinweis auf die hg. Judikatur).

Die Beschwerdeführerin verweist lediglich auf ihre Verhältnisse im Jahr 2003, die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach sich ihre Vermögensverhältnisse seit dem Jahr 2000 zunehmend verbessert haben und sie bereits im Jahr 2004 ein Nettoeinkommen von EUR 47.883,44 erzielt habe, werden nicht bekämpft. Dass im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde (am ) die Voraussetzungen einer persönlichen Unbilligkeit vorgelegen wären, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Damit ist aber bereits das Schicksal der Beschwerde entschieden.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles die tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung ist. Verneint die Abgabenbehörde - wie im Beschwerdefall - die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist - entgegen der Auffassung der Beschwerde - für eine Ermessensentscheidung kein Raum (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom , 2006/15/0278). Daher war auf das Beschwerdevorbringen zur Ermessensübung nicht einzugehen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am