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VwGH vom 28.06.2011, 2010/17/0184

VwGH vom 28.06.2011, 2010/17/0184

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des A B in R, vertreten durch Dr. Reinfried Eberl, Dr. Robert Hubner, Dr. Robert Krivanec und Dr. Günther Ramsauer, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 44, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 205-07/303/5-2010, betreffend Interessentenbeitrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Radstadt in 5550 Radstadt, Stadtplatz 17), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Stadtgemeinde dem Beschwerdeführer "gemäß §§ 1, 2, 3 und 10 des Salzburger Interessentenbeiträgegesetzes, LGBl. Nr. 161/1962 idgF in Verbindung mit der Bewertungspunkteverordnung 1978, LGBl. Nr. 2/1978, sowie auf Grund des Beschlusses der Gemeindevertretung vom " als Eigentümer eines näher angeführten Objektes einen Interessentenbeitrag "für die Erweiterung dieser Liegenschaft an die Abwasseranlage des Reinhalteverbandes ‚Salzburger Ennstal' und die Ortskanalisation" in der Höhe von (insgesamt) EUR 2.802,10 vor. Begründend führte der Bürgermeister aus, gemäß § 1 des Interessentenbeiträgegesetzes hätten die Eigentümer von Grundstücken, von denen Abwässer unmittelbar oder mittelbar in die gemeinde- und verbandseigenen Abwasseranlagen eingeleitet würden, zu den Herstellungskosten Beiträge zu leisten, welche zusammen nicht mehr als die Hälfte der Baukosten der Anlage betragen dürften. Die Abwasseranlage des Reinhalteverbandes "Salzburger Ennstal" bzw. die Ortskanalisation der mitbeteiligten Stadtgemeinde seien wasserrechtlich bewilligt worden. Erhöhe sich gemäß § 10 leg. cit. bei den Interessenten nach der Vorschreibung des Beitrages die Anzahl der Bewertungspunkte infolge einer durch bauliche oder betriebliche Änderungen bedingten Vergrößerung des Ausmaßes der vom Grundstück herrührenden Inanspruchnahme der Anlage, so habe der Interessent einen Ergänzungsbeitrag zu leisten.

Laut Beschluss der Gemeindevertretung vom sei der Interessentenbeitrag für das Jahr 2009 mit EUR 488,-- zuzüglich 10 % Mehrwertsteuer je Bewertungspunkt festgelegt worden, woraus sich - wie näher ausgeführt wird - die vorgeschriebene Gesamtsumme errechne.

Mit Bescheid vom wies die Gemeindevorstehung der mitbeteiligten Stadtgemeinde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid, wobei sie dessen Spruch wiederholte. Begründend führte sie nach Wiedergabe des Verfahrensganges entscheidungswesentlich aus, dass mit Bescheid der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom das gegenständliche Grundstück zum Bauplatz erklärt und dabei festgehalten worden sei, dass die Oberflächenwässer auf eigenem Grund zur Versickerung zu bringen seien. Im Zuge der Erhebungen für die Trennung der Fäkal- und Oberflächenwässer für das entsprechende Gebiet sei festgestellt worden, dass die Oberflächenwässer der Liegenschaft bereits in den Fäkalkanal eingeleitet würden. Von der mitbeteiligten Stadtgemeinde sei eine Untersuchung bezüglich der Sickerfähigkeit des Bodens durchgeführt worden, wobei sich herausgestellt habe, dass "eine solche" (gemeint offenbar: Versicherung) nicht ordnungsgemäß erfolgen könne. Es sei daher der Beschluss gefasst worden, einen Oberflächenwasserkanal für dieses Gebiet zu errichten. Für die Oberflächenwässer der gegenständlichen Liegenschaft seien noch nie "Punkte" verrechnet worden. Es seien mit Bescheid der Stadtgemeinde vom nur Schmutzwasserpunkte verrechnet worden. Mit Bescheid vom sei die Verpflichtung zur Umstellung des bestehenden Mischkanalsystems auf ein Trennsystem für Oberflächen- und Fäkalwässer für die gegenständliche Liegenschaft ausgesprochen worden. Auf Grund der Änderungen in der Abwasserführung (erstmalige Errichtung eines Oberflächenwasserkanals) sei die Trennung der Fäkal- und Oberflächenwässer erforderlich geworden. Die Meldung über die durchgeführte Trennung sei vom Beschwerdeführer am erfolgt. Da nunmehr die Oberflächenwässer in den Oberflächenwasserkanal eingeleitet würden, habe am eine Ergänzungsaufnahme der Oberflächen stattgefunden und sei "die Richtigkeit der Flächen bzw. zusätzlichen 5,22 Punkte" vom Beschwerdeführer anerkannt worden. Festgehalten werde, dass bei Einleitung der Niederschlagswässer von Gartenflächen 500 m2 einer Punkteeinheit entsprächen und sich daher bei 1049,50 m2 Gartenfläche 2,10 Punkte ergäben. Auf Grund dieses Ermittlungsverfahrens sei der Bescheid über die Leistung eines Interessentenbeitrages in erster Instanz erlassen worden, welcher durch die Gemeindevorstehung bestätigt werde.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der nach Ansicht der belangten Behörde heranzuziehenden Rechtsvorschriften führte sie aus, dass mit Bescheid der Landeshauptfrau vom die wasserrechtliche Bewilligung unter anderem zur Umstellung der bestehenden Ortskanalisation von Misch- auf Trennsystem bewilligt worden sei. Für jenes Gebiet, in dem sich das Grundstück des Beschwerdeführers befinde, sei in Auflagenform vorgeschrieben worden, dass vor Ort Sickerversuche zur Prüfung der Sickerfähigkeit durchzuführen seien. Für den Fall, dass eine Versickerung vor Ort nicht möglich sei, sei festgehalten worden, dass ein Projekt zur Regenwasserentsorgung zu erstellen und zur wasserrechtlichen Bewilligung einzureichen sei. Bereits im Zuge dieses Bewilligungsverfahrens sei vom Beschwerdeführer die Vermutung geäußert worden, dass eine Versickerung der Oberflächenwässer seines Grundstückes infolge des Bodens nicht möglich sein werde, weshalb um Errichtung eines Oberflächenkanals ersucht worden sei. Der von einer näher genannten Ziviltechnikgesellschaft durchgeführte Sickerversuch habe für das verfahrensgegenständliche Grundstück ergeben, dass die ermittelten Bodenverhältnisse für die Versickerung nur bedingt geeignet seien. Zu erwähnen sei in diesem Zusammenhang auch, dass gemäß den von der Gemeinde vorgelegten Unterlagen die Oberflächenwässer der gegenständlichen Liegenschaft bereits vor der Umstellung auf ein Trennsystem in den Fäkalkanal eingeleitet worden seien. Aus all dem sei zu erschließen, dass das Erfordernis der Errichtung einer Oberflächenentwässerung mittels der zur Errichtung gelangten Kanalisation nicht in Zweifel gezogen werden könne und auch vom nunmehrigen Beschwerdeführer seinerzeit eingefordert worden sei und dass im Hinblick auf die attestierte mangelnde Sickerfähigkeit von einer Inanspruchnahme dieser Kanalisation auch in Bezug auf die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten "Gartenflächen" auszugehen sei. Es werde darauf hingewiesen, dass das Maß der Inanspruchnahme im Wesentlichen von der Oberflächenbeschaffenheit der Teilflächen einer Liegenschaft abhängig sei und dies im zugrunde gelegten Abflussbeiwert seine Berücksichtigung finde.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.

Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Stadtgemeinde hat sich nicht geäußert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur anzuwendenden Rechtslage kann auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/17/0230, verwiesen werden, dem gleichfalls ein Interessentenbeitrag aus dem Bereich der mitbeteiligten Stadtgemeinde zugrunde lag. Auch im hier zu beurteilenden Beschwerdefall ist unbestritten, dass bereits vor der Umstellung des öffentlichen Kanals von einem Mischsystem auf ein Trennsystem (betreffend Oberflächen- und Fäkalabwässer) die Oberflächenabwässer in das bisher bestehende Kanalsystem eingeleitet wurden. Gleichfalls nicht in Zweifel gezogen wird, dass der Beschwerdeführer bereits einen Interessentenbeitrag für den Anschluss an die Kanalisation geleistet hat, bevor ihm der nunmehr gegenständliche Ergänzungsbeitrag nach § 10 des Salzburger Interessentenbeiträgegesetzes vorgeschrieben wurde. Hiezu hat der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits erwähnten Erkenntnis vom , auf das im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass nach dem Wortlaut des § 10 leg. cit. (nur) eine Vergrößerung des Ausmaßes der vom Grundstück herrührenden Inanspruchnahme der Anlage durch bauliche oder betriebliche Änderungen, welche zu einer Erhöhung der Anzahl der Bewertungspunkte führt, zur Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages berechtigt. Die bloße Umstellung des öffentlichen Kanals von einem Mischsystem auf ein Trennsystem (betreffend Oberflächen- und Fäkalabwässer) und die sich daraus ergebenden Anpassungen der baulichen Gegebenheiten auf einer Liegenschaft berechtigen hingegen noch nicht zur Festsetzung eines Ergänzungsbeitrages, wenn es durch diese Umstellung zu keiner Mehrbelastung des Kanalsystems kommt, weil etwa bereits vorher die gesamten Oberflächenwässer einer Liegenschaft in den öffentlichen Mischkanal eingeleitet worden sind.

§ 10 leg. cit. stellt ausschließlich darauf ab, dass das Ausmaß der vom Grundstück herrührenden Inanspruchnahme der Anlage vergrößert wurde, welche durch bauliche oder betriebliche Änderungen bedingt wurde und zu einer Erhöhung der Anzahl der Bewertungspunkte geführt hat. Nach dem auch im vorliegenden Beschwerdefall von der belangten Behörde nicht bestrittenen Sachverhalt gab es aber keine baulichen oder betrieblichen Änderungen, die zu einer stärkeren Inanspruchnahme des öffentlichen Kanals geführt haben. Wie bereits ausgeführt, berechtigt die Umstellung von Misch- auf Trennsystem beim öffentlichen Kanal durch die mitbeteiligte Stadtgemeinde noch nicht zu einer Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages. Dass die baulichen Änderungen durch die mitbeteiligte Stadtgemeinde ein Ausmaß erreicht hätten, welche als technische Verbesserung oder Wiedererrichtung nicht mehr funktionsfähiger größerer Teile der Anlage im Sinne des § 10a Abs. 2 des Salzburger Interessentenbeiträgegesetzes anzusehen wären, wurde von den Abgabenbehörden nicht festgestellt. Eine solche Feststellung wäre aber auch nicht geeignet, die Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrags nach § 10 leg. cit. zu begründen; solche Kosten wären vielmehr wie Herstellungskosten einer neuen Anlage zu behandeln.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass noch auf die Frage einer allfälligen Verjährung einzugehen gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am