VwGH vom 14.02.2019, Ra 2018/18/0409
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des M K (auch M K) in H W, vertreten durch Dr. Lukas Ludwiger als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W246 2138514-2/3E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, beantragte am internationalen Schutz. Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
2 Mit Verfahrensanordnung vom teilte das BFA dem Revisionswerber mit, dass ihm für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die juristische Person Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater zur Seite gestellt werde.
3 Mit Schreiben vom (übermittelt per Telefax am ) stellte der Revisionswerber beim BFA Anträge 1.) auf Feststellung, dass der ihm zur Seite gestellte Rechtsberater eine Pflichtverletzung im Sinne des § 48 Abs. 9 BFA-VG begangen habe, 2.) auf Umbestellung des Rechtsberaters und 3.) auf Gewährung einer diesbezüglichen einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht. Gleichzeitig brachte er vor, vom beigegebenen Rechtsberater schlecht unterstützt worden zu sein.
4 Mit Bescheid vom wies das BFA diese Anträge des Revisionswerbers wegen Unzuständigkeit zurück.
5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
6 Begründend führte das BVwG aus, eine allfällige Zuständigkeit des BFA für die Behandlung der gegenständlichen Anträge habe gemäß § 20 VwGVG jedenfalls mit der Vorlage der Beschwerde an das BVwG am geendet. Das BFA habe daher die gegenständlichen Anträge vom zu Recht zurückgewiesen.
7 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit geltend macht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Rechtsfrage, ob die Rechtsordnung die Möglichkeit vorsehe, die Feststellung einer Pflichtverletzung des nach § 52 BFA-VG beigegebenen Rechtsberaters und dessen Umbestellung samt Erlassung einer diesbezüglichen einstweiligen Anordnung zu beantragen. Auch zur Frage der Zuständigkeit zur Entscheidung über solche Anträge liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.
8 In der Sache bringt die Revision zusammengefasst vor, die Beigebung des Rechtsberaters solle für den Asylwerber den Zugang zum Gericht in effektiver Weise gewährleisten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stelle sie einen Alternativ- oder Komplementärmechanismus zur Verfahrenshilfe dar. Dementsprechend müsse es aber möglich sein, die Enthebung und Umbestellung eines Rechtsberaters zu erreichen, der seiner Verpflichtung zum Beistand nicht nachkomme. Die Zuständigkeit dafür liege beim BFA, dem auch die Beigebung des Rechtsberaters obliege.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht begründet. 11 Vorweg ist festzuhalten, dass die Rechtsansicht des BVwG,
die Zuständigkeit des BFA zur Entscheidung über die gegenständlichen Anträge sei schon deshalb nicht (mehr) gegeben gewesen, weil ab Vorlage der Beschwerde an das BVwG sämtliche Schriftsätze beim BVwG einzubringen gewesen seien (§ 20 zweiter Satz VwGVG), keinen Bestand haben kann. § 20 zweiter Satz VwGVG sieht eine Änderung der Einbringungsstelle für die Schriftsätze (des Beschwerdeverfahrens) ab der Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht vor, ist aber keine Norm, die im Zeitpunkt der Beschwerdevorlage eine allfällige Zuständigkeit für die gegenständlichen Anträge vom BFA zum BVwG verschieben würde.
12 Ungeachtet dessen erweist sich die Revision schon nach ihrem Vorbringen als nicht berechtigt:
13 Das BFA-VG enthält keine Vorschrift, die das BFA dafür zuständig gemacht hätte, eine Pflichtverletzung des Rechtsberaters festzustellen, seine Umbestellung vorzunehmen und in diesem Zusammenhang eine einstweilige Anordnung nach dem Unionsrecht zu erlassen.
14 Das System der Rechtsberatung nach den § 48 ff BFA-VG sieht vor, dass die Auswahl der Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gemäß § 52 BFA-VG dem Bundeskanzler obliegt (§ 48 Abs. 4 BFA-VG). Er kann unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 7 BFA-VG auch juristische Personen mit der Besorgung der Rechtsberatung betrauen (§ 48 Abs. 6 BFA-VG), was in Österreich tatsächlich geschehen ist. Dem Bundeskanzler kommt außerdem gemäß § 48 Abs. 9 BFA-VG die Befugnis zu, die Betrauung einzelner juristischer Personen mit sofortiger Wirkung aufzuheben und die damit erteilten Befugnisse zu widerrufen, wenn die juristische Person eine Voraussetzung gemäß § 48 Abs. 7 BFA-VG nicht mehr erfüllt oder ein von ihr mit der Durchführung der Rechtsberatung oder beratenden Unterstützung Beauftragter wiederholte und beharrliche Pflichtverletzungen begeht.
15 Für eine Zuständigkeit des BFA zur Feststellung allfälliger Pflichtverletzungen einzelner Beauftragter einer juristischen Person, die vom Bundeskanzler mit der Rechtsberatung betraut worden ist, bleibt bei dieser Gesetzeslage kein Raum.
16 Soweit die Revision eine Umbestellung des Rechtsberaters durch das BFA anstrebt, lässt sie offen, ob sie einen Austausch der als Rechtsberater agierenden juristischen Person oder nur des von der juristischen Person Beauftragten wünscht. Letztlich kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil für beides eine Zuständigkeit des BFA nicht gegeben ist:
17 Gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG hat das BFA den Asylwerber mittels Verfahrensanordnung darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater zur Seite gestellt wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Norm bereits erkannt, dass es sich dabei um eine - nach dem Gesetz in Form einer Verfahrensanordnung zu ergehende - Information und Entscheidung der Behörde handelt, dass dem Fremden ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt werde, was nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit in den Akten der Behörde entsprechend dokumentiert sein muss. Eine darüber hinausgehende Rechtswirkung sei der Verfahrensanordnung nicht beizumessen (vgl. ).
18 Mit anderen Worten lässt die Textierung des § 52 Abs. 1 BFA-VG erkennen, dass dem BFA damit keine Befugnis zur Erlassung eines verfahrensrechtlichen Bescheides über die Beigebung eines bestimmten Rechtsberaters übertragen worden ist, sondern der Behörde bloß aufgetragen wird, den Asylwerber bzw. Fremden mit Verfahrensanordnung über die im Einzelfall als Rechtsberater zum Einsatz kommende juristische Person zu informieren (vgl. zur Abgrenzung von verfahrensrechtlichem Bescheid und Verfahrensanordnung im Allgemeinen etwa , mwN). Bietet das Gesetz aber schon keine Grundlage für die Annahme, die Bestellung des Rechtsberaters durch das BFA habe gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG mittels eines Bescheides zu erfolgen, so kann weder aus dieser noch aus einer anderen Norm des Gesetzes eine Kompetenz des BFA zur Umbestellung abgeleitet werden.
19 Keinen Einfluss hat das BFA auch darauf, welche konkrete Person von der als Rechtsberater agierenden juristischen Person mit der Behandlung des einzelnen Asylfalles beauftragt wird. Insofern bietet das Gesetz keine Handhabe dafür, dass das BFA der betroffenen juristischen Person vorschreiben könnte, wen sie mit der konkreten Rechtsberatung zu betrauen hat. Eine solche direkte Einflussnahme durch die Behörde wäre mit dem Grundsatz des § 48 Abs. 2 BFA-VG, wonach der Rechtsberater unabhängig ist und seine Aufgaben weisungsfrei wahrzunehmen hat, auch nicht vereinbar.
20 Das BFA-VG beschränkt somit die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Tätigkeit der mit der Rechtsberatung betrauten juristischen Person - auch zur Stärkung deren Unabhängigkeit - auf jene Maßnahmen, die § 48 Abs. 9 BFA-VG vorsieht. Bei wiederholter und beharrlicher Pflichtverletzung kann also ein sofortiger Widerruf der Betrauung der juristischen Person durch den Bundeskanzler erfolgen.
21 Wenn die Revision für ihren gegenteiligen Rechtsstandpunkt das Unionsrecht ins Treffen führt, vermag sie nicht aufzuzeigen, dass durch das geschilderte System der Rechtsberatung der unionsrechtlich gebotene effektive Rechtsschutz (vgl. dazu insbesondere Art. 20 Abs. 1 und 3 dritter Unterabsatz der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) und Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie)) im Allgemeinen nicht gewährleistet werden kann. Soweit es im Einzelfall zu Fehlleistungen eines Beauftragten der zum Rechtsberater bestellten juristischen Person kommen mag, liegt es an der betroffenen Institution, derartige Mängel der Beratung oder Vertretung abzustellen. Im Wiederholungsfall sieht das Gesetz die oben dargestellten Sanktionsmöglichkeiten vor.
22 Da somit schon der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018180409.L00 |
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