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VwGH vom 06.11.2018, Ra 2018/18/0295

VwGH vom 06.11.2018, Ra 2018/18/0295

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A K, vertreten durch Mag. Dietmar Bachmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 20/1a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W163 1400190- 2/8E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger Afghanistans und stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

2 Das Bundesasylamt (BAA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erkannte dem Revisionswerber jedoch gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde in der Folge mehrfach, zuletzt mit Gültigkeit bis zum , verlängert.

4 Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom , 7 Hv 128/13z, rechtskräftig mit , wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 3 Suchtmittelgesetz (SMG) iVm Abs. 3 SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

5 Mit Eingabe vom beantragte der Revisionswerber die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.

6 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom wurde dem Revisionswerber der mit Bescheid des BAA vom zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und ihm die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan erklärte das BFA gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 für unzulässig (Spruchpunkt III.) und erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 und 55 AsylG 2005 (Spruchpunkt IV.).

7 Die gegen die Spruchpunkte I. und II. erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

8 In seiner Begründung führte das BVwG zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe das Verbrechen des Suchtgifthandels begangen und sei deshalb vom Landesgericht für Strafsachen Graz rechtskräftig zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 sei daher erfüllt, weshalb dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen sei. Auf weitere Umstände komme es nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 und der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf u. a., und ) nicht an. Da die Voraussetzungen zur Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 vorlägen, sei die Beschwerde abzuweisen gewesen.

9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche zur Begründung ihrer Zulässigkeit ausführt, es bestünden begründete Zweifel an der Unionsrechtskonformität des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 und der Auslegung von Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie. § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 stelle ausschließlich auf das Kriterium der Verurteilung wegen eines Verbrechens ab. Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie könne aber nur dahingehend ausgelegt werden, dass zusätzlich eine Einzelfallprüfung und eine Gefährdungsprognose zur Beurteilung der Schwere der begangenen Straftat durchzuführen seien. Dies würde durch das beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu C-369/17, Ahmed, anhängige Vorabentscheidungsersuchen eines ungarischen Gerichts zur Auslegung des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie untermauert.

10 Eine von der Statusrichtlinie geforderte einzelfallbezogene Würdigung würde im Revisionsfall der Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten entgegenstehen. Der Revisionswerber sei an Suchtmittel gewöhnt gewesen und habe das Verbrechen des Suchtgifthandels vorwiegend deshalb begangen, um sich die Suchtmittel für seinen persönlichen Gebrauch verschaffen zu können. Die begangene Straftat sei im Wesentlichen auf seine eigene Suchtkrankheit zurückzuführen gewesen. Das gegenständliche Suchtmittel (Delta-9-THC, Cannabiskraut) sei nach der Suchtgift-Grenzmengenverordnung überdies eines mit einem geringeren Gefährdungspotential. Zudem habe das Strafgericht ein Überwiegen der mildernden Strafbemessungsgründe festgestellt. Im Übrigen habe sich der Revisionswerber zwischenzeitig erfolgreich und bisher rückfallfrei einer therapeutischen Behandlung unterzogen.

11 Das BFA erstattete keine Revisionsbeantwortung.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 Die Revision ist zulässig, sie ist auch begründet. 14 Die hier maßgebliche Bestimmung des § 9 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, lautet auszugsweise:

"Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) (...)

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht

schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine

Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. (...)

2. (...)

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines

Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

(...)

15 § 17 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, lautet:

"Einteilung der strafbaren Handlungen

§ 17. (1) Verbrechen sind vorsätzliche Handlungen, die mit lebenslanger oder mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind.

(2) Alle anderen strafbaren Handlungen sind Vergehen."

16 Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom (Statusrichtlinie) lauten auszugsweise:

"Artikel 17

Ausschluss

(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser ist von

der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, wenn

schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

a) (...)

b) eine schwere Straftat begangen hat;

c) (...)

d) (...)

(...)"

"Artikel 19

Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des

subsidiären Schutzstatus

(1) (...)

(2) (...)

(3) Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen

oder einem Staatenlosen den subsidiären Schutzstatus ab, beenden

diesen oder lehnen eine Verlängerung ab, wenn

a) er nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus

gemäß Artikel 17 Absätze 1 und 2 von der Gewährung subsidiären

Schutzes hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist;

b) (...)

(4) Unbeschadet der Pflicht des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, gemäß Artikel 4 Absatz 1 alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen, weist der Mitgliedstaat, der ihm den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nach, dass die betreffende Person gemäß den Absätzen 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz hat."

17 In den Gesetzesmaterialien zum Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 - FrÄG 2009, BGBl. I Nr. 122/2009, mit welchem die Aberkennungstatbestände des Abs. 2 des § 9 AsylG 2005 neu eingeführt wurden, wird zu § 9 Abs. 2 AsylG 2005 Folgendes ausgeführt (vgl. RV 330 BlgNR 24. GP 9):

"Der neue Abs. 2 stellt demgemäß eine Erweiterung der Aberkennungstatbestände des Abs. 1 dar. So hat eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch in drei weiteren Fällen von Amts wegen zu erfolgen (Z 1 bis 3). Diese Aberkennungstatbestände entsprechen den in Art. 19 Abs. 3 iVm Art. 17 Abs. 1 der Statusrichtlinie (RL 2004/83/EG des Rates) (Anmerkung: nunmehr Richtlinie 2011/95/EU) normierten Aberkennungstatbeständen. Von diesen europarechtlich vorgesehenen Aberkennungsmöglichkeiten soll nun innerstaatlich Gebrauch gemacht werden. (...) Der in Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie geregelte Aberkennungstatbestand der ‚schweren Straftat' wird im Sinne der österreichischen Strafrechtsterminologie mit der ‚rechtskräftigen Verurteilung zu einem Verbrechen (§ 17 StGB)' umgesetzt (Z 3). Die hier geforderte Schwelle des Verbrechens im Sinne des § 17 StGB steht in keinem direkten Bezug zum ‚besonders schweren Verbrechen' gemäß § 6 Abs. 1 Z 4. Die Beurteilung einer Tat (oder mehrerer Taten) als besonders schweres Verbrechen im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 ist vielmehr unabhängig von dieser formalen Einordnung und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Straftat, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzt."

18 Im vorliegenden Revisionsfall ist unstrittig, dass der Revisionswerber von einem inländischen Gericht wegen § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 3 SMG iVm Abs. 3 SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall und Abs. 2 SMG, somit - aufgrund der drei Jahre übersteigenden Strafdrohung - wegen eines Verbrechens im Sinne des § 17 StGB, nämlich des Verbrechens des Suchtgifthandels, rechtskräftig verurteilt wurde.

19 Sowohl das BFA als auch das BVwG stützten ihre Entscheidung, wonach der Tatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 zur amtswegigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erfüllt sei, ausschließlich auf die Tatsache der Verurteilung des Revisionswerbers. Eine Prüfung der genauen Umstände der Tat im Sinne einer Einzelfallprüfung erfolgte dabei - im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung der Höchstgerichte -

nicht.

20 So hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G440/2015 u.a., die Verfassungskonformität des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 bestätigt und seine von ihm im Prüfbeschluss vom , U32/2014, geäußerten Bedenken zum ausschließlichen Abstellen des Gesetzgebers auf die Höhe der Strafdrohung nicht aufrecht erhalten (vgl. u.a.). Der Verfassungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis aus, dass dem Gesetzgeber nicht entgegenzutreten ist, wenn er zur Konkretisierung des Begriffs "schwere Straftat" im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie auf die im österreichischen Recht vorgefundene Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen zurückgreift. Er bewegt sich damit innerhalb der grundlegenden Systematik der Einteilung von Straftaten nach der Schwere ihres Unrechtsgehalts, sodass angesichts dessen der Gesichtspunkt des Gebotes der Angemessenheit einer Sanktion zu den Umständen des Einzelfalls, wie sie aus der im Rahmen der Bedenken wiedergegebenen Judikatur folgt, zurücktreten kann. Angesichts dessen, dass die Kategorie des Verbrechens definitionsgemäß mit strengeren Strafdrohungen bewehrt ist, liegt es im rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers, daran auch zusätzliche nachteilige Rechtsfolgen zu knüpfen (vgl. erneut u.a.).

21 Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 lediglich voraussetzt, dass der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Die Asylbehörde hat im Aberkennungsverfahren nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 weder eine Einzelfallprüfung etwa in Bezug auf die Umstände der Taten vorzunehmen, noch hat sie eine Gefährdungsprognose anzustellen (vgl. und Ra 2015/20/0047, , sowie ).

22 Der EuGH hat mittlerweile jedoch das vom Revisionswerber erwähnte Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie abgeschlossen. Der Ahmed, C-369/17, ausgesprochen:

"Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ist dahin auszulegen, dass er einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ausschließlich anhand des Strafmaßes, das für eine bestimmte Straftat nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist, davon ausgegangen wird, dass die Person, die einen Antrag auf subsidiären Schutz gestellt hat, ‚eine schwere Straftat' im Sinne dieser Bestimmung begangen hat, derentwegen sie von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen werden kann. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörde bzw. des zuständigen nationalen Gerichts, die oder das über den Antrag auf subsidiären Schutz entscheidet, die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen, wobei eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen ist."

23 In seinem Urteil Ahmed, C-369/17, hat der EuGH auch hervorgehoben, "dass dem Kriterium des in den strafrechtlichen Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Strafmaßes zwar eine besondere Bedeutung bei der Beurteilung der Schwere der Straftat zukommt, die den Ausschluss vom subsidiären Schutz nach Art. 17 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95 rechtfertigt, dass sich die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats gleichwohl erst dann auf den in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausschlussgrund berufen darf, nachdem sie in jedem Einzelfall eine Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände, die ihr bekannt sind, vorgenommen hat, um zu ermitteln, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass die Handlungen des Betreffenden, der im Übrigen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erfüllt, unter diesen Ausschlusstatbestand fallen" (Rn. 55). Hierbei verweist der EuGH zudem auf den Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom Jänner 2016 mit dem Titel "Ausschluss:

Artikel 12 und Artikel 17 der Anerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU)", welcher empfiehlt, "dass die Schwere der Straftat, aufgrund deren eine Person vom subsidiären Schutz ausgeschlossen werden könne, anhand einer Vielzahl von Kriterien, wie u.a. der Art der Straftat, der verursachten Schäden, der Form des zur Verfolgung herangezogenen Verfahrens, der Art der Strafmaßnahme und der Berücksichtigung der Frage beurteilt werden solle, ob die fragliche Straftat in den anderen Rechtsordnungen ebenfalls überwiegend als schwere Straftat angesehen werde" (Rn. 56).

24 Insbesondere weist der EuGH auch darauf hin, dass die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie eine Ausnahme von der in Art. 18 der Statusrichtlinie aufgestellten allgemeinen Regel bildet und daher restriktiv auszulegen ist (Rn. 52).

25 Vor dem Hintergrund des vorliegenden Urteils des EuGH in der Rs C-369/17, Ahmed, und der nunmehr klargestellten Rechtslage ist die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens zwingend und ohne Prüfkalkül der Asylbehörde eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 stattzufinden hat, nicht weiter aufrecht zu erhalten. Vielmehr ist bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 - welcher nach der Intention des Gesetzgebers die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie umsetzt (vgl. hierzu die oben angeführten Gesetzesmaterialien) - jedenfalls auch eine Einzelfallprüfung durchzuführen, ob eine "schwere Straftat" im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliegt. Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Es ist jedoch nicht unbeachtet zu lassen, dass auch der EuGH dem in einer strafrechtlichen Bestimmung vorgesehenen Strafmaß eine besondere Bedeutung zugemessen hat (vgl. Ahmed, C-369/17, Rn. 55) und somit die Verurteilung des Fremden wegen eines Verbrechens zweifelsfrei ein gewichtiges Indiz für die Aberkennung darstellt, dieses Kriterium allein jedoch nach den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Aberkennung nicht ausreicht.

26 Das BVwG wird daher im fortgesetzten Aberkennungsverfahren nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 zusätzlich zum Kriterium der rechtskräftigen Verurteilung des Revisionswerbers wegen eines Verbrechens eine vollständige Prüfung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen haben und anhand dieser Würdigung anschließend zu beurteilen haben, ob dem Revisionswerber deshalb der ihm zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen ist. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung werden auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung stärker zu berücksichtigen sein.

27 Der Verwaltungsgerichtshof trägt damit der Rechtsanschauung des EuGH und seiner Verpflichtung zur Durchsetzung des Unionsrechts Rechnung, sodass es keiner Befassung eines verstärkten Senates infolge des Abgehens von einer früheren Rechtsprechung bedarf (vgl. , mwN).

28 Vor diesem Hintergrund war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

29 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180295.L00.1
Schlagworte:
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

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