VwGH vom 24.11.2011, 2008/15/0180

VwGH vom 24.11.2011, 2008/15/0180

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der U H in G, vertreten durch Mag. Dr. Gabriele Krenn, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Glacisstraße 67, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0611- G/06, betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 2001 bis 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt ein Taxiunternehmen.

Im Zuge einer den Zeitraum Jänner 2001 bis Dezember 2005 umfassenden Lohnsteuerprüfung traf der Prüfer die Feststellung, die Beschwerdeführerin habe Bezüge der bei ihr tätigen Taxilenker (seit ) nicht der Lohnsteuer unterworfen und hierfür auch Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag nicht entrichtet. Der Bezug der Taxilenker habe 45% der vereinnahmten Entgelte (Zahlungen der Fahrgäste) betragen. Nach Ansicht des Prüfers seien die Taxilenker als Dienstnehmer tätig, weshalb Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu entrichten seien.

Gegen die den Prüfungsfeststellungen entsprechend ergangene Vorschreibung von Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag erhob die Beschwerdeführerin Berufung. In der Berufung wird die Aufhebung der Bescheide begehrt. Die Taxilenker seien nicht als Dienstnehmer tätig gewesen. Das Finanzamt habe nicht den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt berücksichtigt. Im Rahmen der Prüfung seien sieben Taxilenker befragt worden, das Finanzamt habe aber die Inhalte der darüber aufgenommenen Niederschriften keiner sachlichen Würdigung unterzogen. Es habe lediglich auf ein allgemein die rechtliche Beurteilung der Einkünfte von Taxifahrern betreffendes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Im gegenständlichen Fall seien die Taxilenker aufgrund freier Dienstverträge tätig geworden. Beim freien Dienstvertrag fehlten insbesondere die Weisungsgebundenheit und die Bindung an eine bestimme Arbeitszeit.

Im gegenständlichen Fall gebe es für die Taxifahrer keine regelmäßige Entlohnung nach einem Gehaltsschema, sondern lediglich eine Beteiligung am erzielten Fuhrlohn. Daraus folge, dass diese Taxilenker Unternehmerwagnis zu tragen hätten. Es bestünden keinerlei "soziale Ansprüche" gegenüber der Beschwerdeführerin. Selbst im Falle der Krankheit gebe es keine Ansprüche. Ein weiteres Einnahmenrisiko bestehe für den freien Dienstnehmer, wenn er auf Urlaub gehe oder das Fahrzeug aus Wartungsgründen oder unfallbedingt nicht zur Verfügung stehe.

Aus den vorliegenden Befragungen der Taxilenker ergebe sich, dass diese bei Abwicklung ihrer Tätigkeit frei und ohne Vorgaben innerhalb bestimmter Zeiten ihre Tätigkeit hätten ausüben können. Sie hätten frei entschieden, zu welcher Zeit sie fahren wollten und wo es zur Übernahme des Fahrzeuges komme. Für die jeweiligen Lenker habe die Möglichkeit bestanden, sich vertreten zu lassen. Im Großen und Ganzen bestehe zwischen der Beschwerdeführerin und den jeweiligen Lenkern lediglich ein Informationsaustausch.

In der mündlichen Berufungsverhandlung wurde von Seiten der Beschwerdeführerin u.a. erneut darauf hingewiesen, dass sich die Taxilenker vertreten lassen könnten. Es seien Fälle eruiert und Vertreter namhaft gemacht worden, die keinen Vertrag mit der Beschwerdeführerin gehabt hätten, sondern ausschließlich mit den vertretenen Taxilenkern.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Die Aussagen der Taxilenker seien in der mündlichen Berufungsverhandlung besprochen worden. In der Verhandlung habe die Vertreterin der Beschwerdeführerin einen Aktenvermerk vorgelegt, aus dem sich Folgendes ergebe: Nach dem Dienstvertrag habe ein generelles Vertretungsrecht bestanden. Die Beschwerdeführerin sei von der erfolgten Übernahme einer Vertretung zu verständigen gewesen. Eine solche Information an die Beschwerdeführerin müsse erfolgen, um die Überprüfung der Taxilenkerberechtigung zu gewährleisten. Die Übergabe der Taxifahrzeuge sei von den Lenkern eigenständig im Team organisiert worden. Die Fahrer seien berechtigt gewesen, angebotene Einzelfahrten grundlos und ohne Sanktionen abzulehnen. Die Fahrer hätten den ihnen zustehenden Umsatzanteil von 45% einbehalten und jeweils nur den übersteigenden Betrag an die Beschwerdeführerin herausgegeben. Der Vertrag sehe keinerlei Verständigungspflicht für den Fall der Nichteinhaltung der Arbeitszeit vor. Die Taxilenker bildeten ein Team und machten sich untereinander aus, welcher Fahrer in welchen Zeiträumen fahre.

Diese Punkte (des Aktenvermerkes) seien auch von den Mitarbeitern in den Niederschriften im Wesentlichen bestätigt worden.

In den Niederschriften hätten alle Lenker überdies angegeben, die Betriebskosten würden zur Gänze von der Beschwerdeführerin getragen, die auch für Schäden am Fahrzeug hafte. Zwei Lenker hätten angegeben, dass für Fahrlässigkeit bzw. selbst verschuldete Schadensfälle ein Selbstbehalt vorgesehen sei.

Als Schluss aus den Niederschriften und dem Aktenvermerk halte die belangte Behörde fest, dass es sehr wenig direkte Weisungen von der Beschwerdeführerin an ihre "freien Mitarbeiter" gegeben habe, aber der Betrieb infolge der organisatorischen Eingliederung in das Team auch ohne Zutun der Beschwerdeführerin gut funktioniert habe.

Ein Unternehmerwagnis der Taxilenker sei mangels bei ihnen anfallender Ausgaben nicht zu erkennen. Es entspreche der täglichen Praxis, die Entlohnung nach geleisteten Fahrten (im vorliegenden Fall 45% der Einnahmen) vorzunehmen. Eine Entlohnung, die sich ausschließlich am wirtschaftlichen Erfolg bzw. Arbeitsergebnis orientiere, sei zwar für einen Arbeitnehmer selten, komme aber im Wirtschaftsleben vor. Eine solche Entlohnung begründe dann kein Unternehmerwagnis, wenn die mit der Tätigkeit verbundenen Kosten (Betriebskosten, Versicherung, Schäden am Fahrzeug) unmittelbar vom Auftraggeber getragen würden.

Die Eingliederung in den betrieblichen Organismus der Beschwerdeführerin ergebe sich im gegenständlichen Fall aus dem in der Berufungsverhandlung vorgelegten Aktenvermerk, wo ausgeführt werde, dass die Taxilenker untereinander ein Team bildeten und untereinander festlegten, wer zu welcher Zeit fahre. Die Organisation des gesamten Betriebes der Beschwerdeführerin sei von ihr sohin auf ihre Mitarbeiter übertragen worden, ihre Mitwirkung beschränke sich im Wesentlichen auf die für das Funktionieren dieser dezentralen Organisationsform notwendige Bildung der Teams.

Eine Kontrolle durch den Auftraggeber hinsichtlich Art, Ort und Zeit der Beschäftigung spreche ebenfalls für Nichtselbständigkeit. Im gegenständlichen Fall werde diese Kontrolle im Nachhinein anhand der Fahrtenbücher durchgeführt.

Indiz für die Nichtselbständigkeit sei auch die Tatsache, dass die sogenannten freien Dienstnehmer nach dem die gleiche Tätigkeit ausgeübt hätten wie die (echten) Dienstnehmer vor dem .

Fest stehe im gegenständlichen Fall, dass für das Unternehmen der persönliche Arbeitseinsatz der Dienstnehmer erforderlich gewesen sei. Es sei daher eine faktische Eingliederung der Taxilenker in den betrieblichen Ablauf der Beschwerdeführerin gegeben und sowohl in zeitlicher und örtlicher als auch in organisatorischer Hinsicht anzunehmen. Somit sei von einem Dienstverhältnis auszugehen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG 1967 haben alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen, den Dienstgeberbeitrag zu leisten.

Zu den Dienstnehmern gehören nach § 41 Abs. 2 FLAG 1967 idF BGBl Nr. 818/1993 Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen. Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG 1967 ist der Beitrag des Dienstgebers von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat an die im Abs. 1 genannten Dienstnehmer gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht (Beitragsgrundlage). Arbeitslöhne sind dabei Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a und b EStG 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art. im Sinne des § 22 Z 2 des EStG 1988.

Die Pflicht zur Entrichtung eines Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag gründet sich auf § 122 Abs. 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998.

Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitsgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Vorliegen eines Unternehmerrisikos oder der Befugnis, sich vertreten zu lassen) Bedacht zu nehmen (vgl. das Erkenntnis vom , 2009/15/0200).

Die persönlichen Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet und dafür charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht die Ausführung einzelner Arbeiten verspricht, sondern seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/14/0103). Das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko besteht darin, dass der Leistungserbringer die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Tätigkeit die Einnahmen und Ausgaben maßgeblich zu beeinflussen und solcherart den finanziellen Erfolg seiner Tätigkeit weitgehend zu gestalten. Kennzeichnend für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ist, dass der Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft (laufend) zur Verfügung zu stellen, die Verpflichtung des Arbeitgebers gegenübersteht, dem Arbeitnehmer einen vom Erfolg unabhängigen Lohn zu bezahlen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0200).

Zur Frage der Weisungsgebundenheit enthält der angefochtene Bescheid keine konkreten Feststellungen. Ihm ist bloß die Aussage zu entnehmen, dass es sehr wenig direkte Weisungen von Seiten der Beschwerdeführerin gegeben habe. Aus der Tatsache der nachträglichen Kontrolle von Fahrtenbüchern als solcher lässt sich jedenfalls die Weisungsunterworfenheit nicht ableiten.

Die Eingliederung in den betrieblichen Organismus der Beschwerdeführerin leitet die belangte Behörde daraus ab, dass die Taxilenker zu Teams zusammengeschlossen seien und im Rahmen dieser Teams festlegten, welcher Fahrer zu welcher Zeit ein bestimmtes Taxifahrzeug verwende. Die belangte Behörde hat allerdings keine Feststellungen über die Entscheidungsstruktur in den Teams und die Mitwirkung der einzelnen Teammitglieder (Taxilenker) getroffen, sodass eine nachvollziehbare Begründung für die Annahme der Eingliederung der einzelnen Taxilenker in das Unternehmen der Beschwerdeführerin nicht vorliegt. Es gibt auch keine Feststellungen darüber, in welchem Ausmaß die einzelnen Teammitglieder als Fahrer tätig geworden sind.

Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid auch aus, ein Unternehmerwagnis der Taxilenker liege nicht vor, weil die Ausgaben für das Taxifahrzeug (Betriebskosten, Versicherung, Schadensbehebung) von der Beschwerdeführerin getragen worden seien. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin unterlassen, wonach den Taxifahrern ausschließlich ein Prozentsatz am Fahrgeld zugestanden sei und sie daher keinen Bezug erhalten hätten, wenn sie keine entgeltlichen Taxifahrten bewirkten.

Sollte es zutreffen, dass - wie in der Beschwerde behauptet - ein derartiges Entlohnungssystem ohne einen Mindest-Fixbezug bestanden hat, wäre ein Unternehmerrisiko der Fahrer nicht auszuschließen. Im hg. Erkenntnis vom , 88/15/0115, in welchem es der Verwaltungsgerichtshof für nicht rechtswidrig erkannt hat, dass die seinerzeitige belangte Behörde die Einkünfte von Taxifahrern als solche aus nichtselbständiger Arbeit beurteilt hat, war den Fahrern - neben der Vereinbarung über einen Prozentsatz der Fahrtentgelte - ein "Grundbetrag" von 7.000 S zugesichert.

Die belangte Behörde gibt im angefochtenen Bescheid einen von der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin verfassten Aktenvermerk auszugsweise wieder, aus dem sich ergibt, dass sich die Taxilenker generell hätten vertreten lassen können. In der Berufungsschrift und in der mündlichen Berufungsverhandlung hat die Beschwerdeführerin auf diese Vertretungsbefugnis verwiesen. In der Berufungsverhandlung hat sie weiters vorgebracht, es seien Personen namhaft gemacht worden, welche die Taxifahrer tatsächlich vertreten hätten. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid sodann aber ausführt, es stehe fest, dass der "persönliche Arbeitseinsatz der Dienstnehmer erforderlich" gewesen sei, erweist sich die dieser Feststellung zugrunde liegende Beweiswürdigung als nicht hinreichend begründet, zumal insbesondere die Auseinandersetzung mit den Einwänden der Beschwerdeführerin fehlt.

Die belangte Behörde hat es sohin zum Teil unterlassen, Feststellungen über das tatsächliche Vorliegen von für ein Dienstverhältnis sprechenden Merkmalen (wie Weisungsgebundenheit, Eingliederung der einzelnen Fahrer in das Unternehmen und Fehlen eines Unternehmerrisikos) zu treffen. Soweit sie solche Feststellungen betreffend eine Verpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung getroffen hat, erweisen sich diese als nicht hinreichend begründet.

Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am