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VwGH vom 31.07.2007, 2006/02/0237

VwGH vom 31.07.2007, 2006/02/0237

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des KL in W, vertreten durch Mag. Hartmut Gräf, Rechtsanwalt in 4560 Kirchdorf an der Krems, Krankenhausstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-280904/20/Kl/Pe, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der M GmbH (Arbeitgeberin) in W zu verantworten, dass am auf der Baustelle U trotz Absturzgefahr von ca. 12 m eine auf dem ca. 7 Grad geneigten Flachdach vorhandene ca. 3x6 m große Öffnung, die sich unmittelbar oberhalb der zu montierenden Sonnenkollektoren befunden habe, nur mit einer folienartigen Abdeckung versehen worden sei, obwohl bei Absturzgefahr Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen anzubringen seien. Der Arbeitnehmer FM der M GmbH habe im Zuge der Montage der Sonnenkollektoren diese Dachöffnung betreten und sei durch die nicht tragsichere Abdeckung ca. 12 m in das darunter liegende Stiegenhaus gestürzt.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 und § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) iVm § 7 und § 161 BauV begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.500,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 69 Stunden) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 118 Abs. 3 ASchG gilt die BauV - mit hier nicht relevanten Änderungen - als Verordnung nach dem ASchG.

§ 7 BauV, BGBl. Nr. 340/1994, lautet auszugsweise:

"(1) Bei Absturzgefahr sind Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen ( 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

(2) Absturzgefahr liegt vor:

1. bei Öffnungen und Vertiefungen ... in Dächern, wie Lichtkuppel- oder Sheddachöffnungen,

..."

§ 87 BauV lautet auszugsweise:

"(1) Bei Arbeiten auf Dächern bis zu einer Absturzhöhe von 3,00 m dürfen Absturzsicherungen, Abgrenzungen und Schutzeinrichtungen abweichend von § 7 entfallen, wenn die Arbeiten bei günstigen Witterungsverhältnissen sowie von unterwiesenen, erfahrenen und körperlich geeigneten Arbeitnehmern durchgeführt werden. In diesem Fall kann auch die Sicherung der Arbeitnehmer durch Anseilen entfallen, ausgenommen bei Arbeiten am Dachsaum und bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 45 Grad. § 7 Abs. 2 Z 1 bleibt unberührt."

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar schon mehrfach ausgesprochen, dass § 87 BauV die lex specialis zu § 7 BauV ist (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/02/0171). Dies gilt aber nicht für die ausdrücklich in § 7 Abs. 2 Z. 1 BauV - zu dieser Gesetzesstelle wird zudem in § 87 Abs. 1 BauV normiert, dass sie "unberührt" bleibt - genannten "Öffnungen und Vertiefungen ... in Dächern". Die belangte Behörde hat daher den gegenständlichen Sachverhalt zu Recht als Übertretung ua. des § 7 BauV geahndet.

Der Beschwerdeführer bringt zunächst im Zuge der Rüge der Unterlassung der Einholung des Gerichtsaktes betreffend das gegen den Baustellenkoordinator geführte Strafverfahren im Zusammenhang mit der Rüge eines angeblichen Widerspruchs in der Begründung des angefochtenen Bescheides vor, aus dem Gerichtsakt hätte sich ergeben, "dass die Montage des Solarpaneeles im oberen Teil selbstverständlich möglich gewesen wäre, ohne von oben über den hinteren Dachteil sich an das Solarpaneel anzunähern". Der Zeuge M sowie der Zeuge L hätten sich "nur dazu entschlossen, sich von hinten anzunähern, um die Montage bequemer durchführen zu können."

Dadurch wäre "ein Dachteil betreten" worden, der "an sich für die ordnungsgemäße Montage nicht betreten hätte werden müssen". Dieses Vorbringen kann die Beschwerde nicht zum Erfolg führen. Schutzeinrichtungen sind an allen Gefahrenstellen von Dächern anzubringen, bei denen jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass Arbeitnehmer sie im Zuge der Durchführung ihres Auftrages betreten könnten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/02/0002). Bei gegenständlicher Dachstelle war aber davon auszugehen, dass sie betreten werden würde, wurde doch dadurch - siehe die oben vom Beschwerdeführer vorgebrachten Angaben der Zeugen - die Montage der Solarpaneele "bequemer", also leichter durchführbar. Schon deshalb käme einem allfälligen Begründungs- oder sonstigen Verfahrensmangel keine Relevanz zu.

Der Beschwerdeführer vermeint in seinem weiteren Vorbringen, dass es sich bei der gegenständlichen Übertretung um kein Ungehorsamsdelikt gemäß § 5 Abs. 1 VStG handle, weil "§ 7 Abs. 2" BauV auf die "Absturzgefahr" abstelle. Damit verkennt er den Inhalt des § 5 Abs. 1 VStG grundlegend, normiert doch dieser als Ungehorsamsdelikt ein solches, bei dem "zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört" (Unterstreichungen durch den Verwaltungsgerichtshof). Damit stellt die Norm darauf ab, dass durch ein Verhalten eine als Tatbestandselement enthaltene (konkrete) Gefahr herbeigeführt oder verwirklicht wird. Hingegen regelt § 7 Abs. 1 BauV, welche Sicherungen bei Absturzgefahr anzubringen sind, und § 7 Abs. 2 BauV enthält die Definition, wann von Absturzgefahr auszugehen ist. Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der vorliegenden Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt handelt.

Ein weiterer Schwerpunkt der Beschwerdeausführungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Bestreitung des Verschuldens des Beschwerdeführers ist, dass seine Arbeitnehmer nicht erkannt hätten, dass eine Gefahrenstelle bestehe, sodass eine "lediglich oberflächliche Kontrolle durch den Einschreiter" (= der Beschwerdeführer) "auch an Ort und Stelle keinesfalls zu einer Entdeckung der Gefahrenstelle (und damit zur Anordnung einer Absicherung) geführt" hätte. Er macht damit offenbar Unvorhersehbarkeit bzw. Unabwendbarkeit geltend.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, ist entscheidend für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/02/0018).

Die belangte Behörde ging von jenem Kontrollsystem aus, das der Beschwerdeführer in Schriftsätzen und er selbst sowie die in dem von ihm repräsentierten Unternehmen tätig (gewesenen) Zeugen in der (erstreckten) mündlichen Verhandlung beschrieben hatten. Diese Angaben sind im angefochtenen Bescheid wiedergegeben.

Der Beschwerdeführer lässt mit seinem Vorbringen unberücksichtigt, dass die belangte Behörde zu Recht darauf hingewiesen hat, dass der Beschwerdeführer die Baustelle (wenn auch nicht ausdrücklich, doch aus dem Zusammenhang unschwer erkennbar:) bei Arbeitsaufnahme "nicht besichtigt" habe. Die diesbezügliche Behauptung der Aktenwidrigkeit in der Beschwerde mit dem Hinweis, die Baustelle sei 14 Tage vorher besichtigt worden, geht deshalb an der Sache vorbei; zudem ist eine derartige Besichtigung "im Vorfeld" vollkommen ungeeignet zur Feststellung und Absicherung von Gefahrenstellen zu Beginn und während der Arbeitsausführung. Der Beschwerdeführer habe "mit anderen Arbeitgebern, die notwendiger Weise bei Dacharbeiten auftreten, keine Gespräche geführt". Es seien "Pläne und Schnitte des Gebäudes" vorhanden gewesen, "woraus auch absturzgefährdete Stellen, wie konkret Stiegenhäuser, ersichtlich" seien, weshalb "dann entsprechend die Öffnungsabdeckung am Dach hinterfragt hätte werden müssen". Dass der Beschwerdeführer derartige Erkundigungen durchgeführt oder veranlasst habe, hat er im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht und behauptet es auch in der Beschwerde nicht. Letztlich lassen sogar die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom vorgelegten Lichtbilder die gegenständliche Abdeckung der Dachöffnung als Gefahrenstelle im Sinne des § 7 BauV erkennen. Die Gefahrenstelle wäre daher bei Einhaltung einer mit pflichtgemäßer Sorgfalt durchgeführten Kontrolle sogar leicht als solche zu erkennen gewesen.

Auf Grund einer solchen, nicht vorhandenen Kontrolle des Beschwerdeführers durfte die belangte Behörde zu Recht von "Sorglosigkeit bzw. Sorgfaltswidrigkeit", also fahrlässigem Handeln des Beschwerdeführers mangels Errichtung eines ausreichenden Kontrollsystems ausgehen.

Für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen ist der Arbeitgeber verantwortlich. Wird - wie der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausführte - die Absicherung der gegenständlichen Gefahrenstelle "seitens des Bauherrn aus Kostengründen" unterlassen bzw. von der "für die Lichtkuppeln verantwortlichen Firma zum Unfallszeitpunkt" verabsäumt, so ändert dies nichts an der genannten Verantwortlichkeit.

Schon auf Grund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Berufung und in der Beschwerde ist zu erkennen, dass im System des Beschwerdeführers offenbar in Kauf genommen wurde, dass während der Durchführung bestimmter Arbeiten keine Schutzvorrichtungen gemäß § 7 Abs. 1 BauV angebracht waren. Dem Arbeitgeber obliegt es, dafür zu sorgen, dass die in der BauV geforderten Schutzvorrichtungen während der gesamten Arbeitszeit angebracht sind. Was vom Auftraggeber oder anderen an der Dachbaustelle tätigen Unternehmen durchgeführt oder unterlassen wird oder dass die Anbringung von Schutzeinrichtung unwirtschaftlich ist, ist aus der Sicht des § 7 BauV unbeachtlich und hat auf das Verschulden des Arbeitgebers an der Unterlassung der Anbringung von Schutzeinrichtungen keinen Einfluss (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/02/0199).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am