VwGH vom 28.05.2008, 2008/15/0161
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der K Gesellschaft mbH in S, vertreten durch Dr. Christoph Brandweiner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Reichenhallerstraße 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. 010221/442-ISTR/07, betreffend Sicherungsersuchen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Note vom legte das Bayerische Landesamt für Steuern der belangten Behörde ein Sicherungsersuchen des Finanzamtes Traunstein vom vor. Darin wurde unter Bezugnahme auf den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabesachen vom (BGBl. Nr. 249/1955; im Folgenden: RHV) der Erlass geeigneter Sicherungsmaßnahmen für in einer beiliegenden Rückstandsanzeige ausgewiesene Abgaben im Gesamtbetrag von EUR 309.955,-- beantragt.
Die dem Antrag beiliegende Rückstandsanzeige des Finanzamtes Traunstein weist den im Antrag erwähnten Gesamtbetrag als Rückstand auf.
Sie trägt eine Bestätigung des Finanzamtes Traunstein vom , wonach der in der Rückstandsanzeige ausgewiesene Anspruch vollstreckbar sei.
Mit Erledigung des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom wurde die Zuständigkeit des Finanzamts Traunstein zur Ausstellung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit bescheinigt.
In den Verwaltungsakten findet sich ein Schreiben des deutschen in welchem es (auszugsweise) heißt:
"Aufgrund der Auflösung der Oberfinanzdirektion München und der Übertragung der Aufgaben der Oberfinanzdirektion München sowie der Besitz- und Verkehrsteuerabteilung der Oberfinanzdirektion Nürnberg auf das Bayerische Landesamt für Steuern, ist zukünftig das Bayerische Landesamt für Steuern, 80284 München, für die Übermittlung und Entgegennahme von Rechtshilfeersuchen sowie die Bescheinigung der Zuständigkeit einer Behörde und der Erklärung der Vollstreckbarkeit zuständig. Ich bitte Sie Ihre Dienststellen entsprechend zu informieren."
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde Folgendes ausgesprochen:
"Der in der Rückstandsanzeige des Finanzamtes Traunstein vom unter Steuernummer ... angeführte Abgabenrückstand in Höhe von EUR 309.955,00 wird gemäß Artikel 12 des Vertrages über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom , BGBl. Nr. 1955/249 anerkannt und zu Sicherungszwecken für vollstreckbar erklärt."
In der Begründung nahm die belangte Behörde auf das Ersuchen vom Bezug und vertrat die Auffassung, seiner Bewilligung stünden keine Hindernisse entgegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die beschwerdeführende Partei macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Art. 11, 12 und 13 RHV (Stammfassung) lauten:
"Artikel 11
(1) Dem Ersuchen um Vollstreckung von Verfügungen, die unanfechtbar und vollstreckbar sind, ist eine Erklärung der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates beizufügen, in der die Unanfechtbarkeit bestätigt wird. Vorbehaltlich des Artikels 13 ist die Zuständigkeit dieser Behörde durch die jeweils zuständige Oberfinanzdirektion oder Finanzlandesdirektion des ersuchenden Staates zu bescheinigen. Als Grundlage der Vollstreckung können an die Stelle der im ersten Satz bezeichneten Verfügungen auch Rückstandsausweise treten.
(2) Verfügungen (Rückstandsausweise), die den Bestimmungen des Absatzes 1 entsprechen, sind vorbehaltlich des Artikels 13 von den jeweils zuständigen Oberfinanzdirektionen oder Finanzlandesdirektionen des ersuchten Staates anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Artikel 6 bleibt unberührt.
(3) Die in Absatz 2 bezeichneten Verfügungen werden durch die Finanzämter oder Gerichte gemäß der Gesetzgebung des ersuchten Staates vollstreckt.
Artikel 12
Auf Grund von vollstreckbaren, jedoch noch nicht unanfechtbaren Verfügungen, einschließlich der Sicherstellungsanordnungen (Arrestanordnungen) kann nur um die Vornahme von Sicherungsmaßnahmen ersucht werden. Ihre Durchführung erfolgt in der Bundesrepublik Deutschland nach den Vorschriften über die Vollziehung des dinglichen Arrestes, in der Republik Österreich nach den Vorschriften über die Exekution zur Sicherstellung. Artikel 11 findet sinngemäß Anwendung.
Artikel 13
In dringenden Fällen (Artikel 4 Abs. 2) kann, wenn die ersuchende Behörde ein Finanzamt ist, die nach Artikel 11 erforderliche Bestätigung, Bescheinigung, Anerkennung und Erklärung vom Finanzamt erteilt werden. In diesen Fällen ist die Vollstreckung auf Sicherungsmaßnahmen (Artikel 12) zu beschränken."
Die beschwerdeführende Partei rügt zunächst, dass die belangte Behörde dem Rechtshilfeersuchen entsprochen habe, wiewohl der angefochtene Bescheid nicht erkennen lasse, dass die in Deutschland zuständige Oberfinanzdirektion die Zuständigkeit des ersuchenden Finanzamtes (zur Bestätigung der Vollstreckbarkeit) bescheinigt habe, was jedoch nach Art. 12 in Verbindung mit Art. 11 Abs. 1 zweiter Satz RHV erforderlich gewesen wäre, zumal auch kein Fall des Art. 13 leg. cit. vorliege.
Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt ausführt - die Zuständigkeit der Oberfinanzdirektion München nach deren Auflösung auf das Bayerische Landesamt für Steuern übergegangen ist, welches seinerseits die Zuständigkeit des Finanzamtes Traunstein im Verständnis des Art. 12 in Verbindung mit Art. 11 Abs. 1 zweiter Satz RHV bescheinigt hat.
Darüber hinaus wendet sich die beschwerdeführende Partei unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 97/16/0172, dagegen, dass die belangte Behörde die Anerkennung des in der Rückstandsanzeige angeführten Abgabenrückstandes ausgesprochen habe, obwohl eine Bestätigung der Unanfechtbarkeit im Verständnis des Art. 11 Abs. 1 erster Satz RHV nicht vorliege.
Dem ist Folgendes zu erwidern:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem von der beschwerdeführenden Partei zitierten Erkenntnis vom zum vergleichbaren Regelungssystem der Art. 11 und 12 des Vertrages betreffend Rechts- und Amtshilfe im Zoll-, Verbrauchssteuer- und Monopolangelegenheiten vom (BGBl. Nr. 430/1971) Folgendes ausgesprochen:
"... Andererseits sind nach § 11 Abs. 2 des Vertrages Exekutionstitel, die den Bestimmungen des Abs. 1 entsprechen, 'anzuerkennen'. Hier liegt ein Exekutionstitel vor, der den Bestimmungen des Abs. 1 nicht entspricht, weil eine Bescheinigung, dass die Rückstandsausweise auch 'unanfechtbar' seien, nicht vorgelegt wurde; die Bescheinigungen beziehen sich ausdrücklich nur auf die Vollstreckbarkeit. Eine Anerkennung gemäß Art. 11 Abs. 2 des Vertrages ohne jeden Hinweis auf Art. 12 des Vertrages erweckt den Eindruck, dass ein Exekutionstitel im Sinne des Art. 11 Abs. 1 des Vertrages vorliegt. Im Fall des Art. 12 des Vertrages kann daher keine 'Anerkennung', sondern nur eine Erklärung der Vollstreckbarkeit erfolgen."
Eine diesem Erkenntnis vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor, weil die belangte Behörde die Anerkennung des in der Rückstandsanzeige vom angeführten Abgabenrückstandes ausdrücklich nur gemäß Art. 12 RHV ausgesprochen hat und die Vollstreckbarkeitserklärung gleichfalls ausdrücklich nur zu Sicherungszwecken abgegeben wurde.
Damit ist hinreichend klargestellt, dass sich die verfügte "Anerkennung" ausschließlich auf die Tauglichkeit der Forderung zur Vollstreckung durch Sicherungsmaßnahmen beschränkt hat. Dies folgt auch aus dem allgemeinen Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung eines Bescheidspruches.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am
Fundstelle(n):
MAAAE-79460