VwGH vom 31.07.2007, 2006/02/0153
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des UB in Wien, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati, Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom , Zl. UVS-3/15774/10- 2006, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der W GmbH mit Sitz in W für diese zu verantworten, dass zumindest am in S vor dem Haus J 5, ein (zweiter) Werbeständer ("A-Ständer") auf öffentlichem Straßengrund aufgestellt gewesen sei und somit eine Straße zu verkehrsfremden Zwecken (Werbung) benützt worden sei, ohne dass hiefür eine straßenpolizeiliche Bewilligung vorgelegen sei. Es sei lediglich ein Werbeständer genehmigt gewesen.
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 3 lit. d iVm § 82 Abs. 1 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 70,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer behauptet zunächst Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz und der belangten Behörde mit dem Argument, beim angelasteten Delikt handle es sich um ein Unterlassungsdelikt, bei dem sich der Tatort nach dem Sitz der Gesellschaft richte.
Das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte, mit Strafe bedrohte Verhalten ist das Aufstellen eines (zweiten) Werbeständers vor einem in S gelegenen Haus, ohne dass hiefür eine straßenpolizeiliche Bewilligung vorgelegen sei. Es liegt dabei ein Begehungsdelikt vor. Tatort ist der Ort, wo der Werbeständer aufgestellt wurde. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass für die Verwaltungsübertretung der Beschwerdeführer als nach außen vertretungsbefugtes Organ im Sinne des § 9 VStG schuldig erkannt wurde. Begehungsdelikte werden nach der hg. Rechtsprechung nicht dadurch zu Unterlassungsdelikten, dass ein nach außen vertretungsbefugtes Organ für die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift verantwortlich ist. Dem nach außen vertretungsbefugten Organ wird in diesen Fällen nicht der Vorwurf gemacht, es habe es unterlassen, dafür zu sorgen, dass der Werbeständer nicht aufgestellt werde. Es wird ihm vielmehr der Vorwurf des (unbefugten) Aufstellens dieses Werbeständers gemacht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/10/0257). Die gerügte Unzuständigkeit liegt demnach nicht vor.
Der Beschwerdeführer bringt des Weiteren vor, die von ihm im Verwaltungsverfahren eingewendete Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten habe zum Übergang der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf diesen geführt. Damit ist der Beschwerdeführer im Recht.
Der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegte "Anstellungsvertrag" vom mit MM als "Betriebsleiter" des Betriebes S enthält ua. folgende Bestimmung:
"4.2
Der Mitarbeiter ist insbesondere verantwortlich, darauf zu achten, dass in allen Betriebs- und Nebenräumen, einschließlich der Toiletten, dem Keller, dem Hof und vor dem Lokal peinliche Sauberkeit herrscht.
Er haftet für die strikte Einhaltung aller gewerbepolizeilichen und sonstigen Vorschriften, wobei es zu seinen Obliegenheiten gehört, keinen Ausländer einzustellen, der .... Es wird somit festgehalten, dass laut § 9 Abs. 2 VStG der handelsrechtliche Geschäftsführer B die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung und Haftung an MM überträgt. Es wird bestätigt, dass MM die Anweisungsbefugnis in dem von ihm geführten Betrieb innehat und der Übertragung der Haftung ausdrücklich zustimmt."
Strittig ist demnach im Beschwerdefall, ob der Beschwerdeführer trotz der von ihm ins Treffen geführten Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG dennoch nach § 9 Abs. 1 VStG für die in Rede stehende Verwaltungsübertretung zur Verantwortung gezogen werden konnte.
Die belangte Behörde führte insoweit in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen aus, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei der räumliche und sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt werde, klar abzugrenzen. Beim Fehlen einer klaren Abgrenzung komme keine wirksame Bestellung nach § 9 Abs. 2 VStG zu Stande; die Verwaltungsstrafbehörden sollten der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung (ihren Nachweis) einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen sei. Jedenfalls sollte (nach dieser Rechtsprechung) vermieden werden, dass Zweifel am Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches entstünden und als deren Folge die Begehung von Verwaltungsübertretungen allenfalls überhaupt ungesühnt bleibe.
Nach der Bestellungsurkunde - so die belangte Behörde weiter -
erstrecke sich der Verantwortungsbereich des vom Beschwerdeführer bekannt gegebenen MM auf "die strikte Einhaltung aller gewerbepolizeilichen und sonstigen Vorschriften". Eine Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Bestimmungen der StVO sei daraus nicht abzuleiten. Durch die vorliegende Bestellungsurkunde sei somit eine Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit an MM bei Verstößen gegen Bestimmungen des StVO nicht bewirkt worden.
Zutreffend verweist der Beschwerdeführer allerdings auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/09/0061, wo es darum ging, dass nach der entsprechenden Bestellungsurkunde der zum verantwortlichen Beauftragten Bestellte für die Einhaltung aller (die von ihm "geleiteten Filialen" betreffenden) Verwaltungsvorschriften verantwortlich gemacht wurde und dass aus dieser Urkunde nicht zu ersehen war, dass davon die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (um dessen Übertretung es damals ging) ausgenommen sein sollten. Die "beispielhafte Aufzählung" einzelner Vorschriften in der Bestellungsurkunde stellten aber - so der Gerichtshof - keine derartige Einschränkung oder Ausnahme eines Verantwortungsbereiches dar.
Im vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich aus der diesbezüglichen Bestellungsurkunde im Anstellungsvertrag vom , dass dem MM als verantwortlichem Beauftragten gemäß § 9 VStG die Verantwortung "für die strikte Einhaltung aller gewerbepolizeilichen und sonstigen Vorschriften" obliege, woran als Beispiel die Einhaltung von Bestimmungen bei der Einstellung von Ausländern anschließt.
Auch hier handelt es sich somit lediglich um eine "beispielhafte Aufzählung" im Sinne des obzitierten hg. Erkenntnisses vom , sodass die Bestellung des MM zum verantwortlichen Beauftragten auch die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der StVO umfasst (vgl. des Weiteren das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/02/0167).
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am